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11.12.1998 10:24

Rationelles Energiemanagement in Forschung, Lehre und Eigenverbrauch

Dr. Ingrid Horn Presse, Marketing u. Kommunikation
Hochschule Ulm

    Die Fachhochschule Ulm bezieht ihre Grundlast an Strom- und Heizenergie seit dem Wintersemester aus einem Blockheizkraftwerk (BHKW), das kürzlich seiner Bestimmung übergeben wurde. Neben der modernen und umweltfreundlichen Energieerzeugung für die Hochschule können außerdem auch die Studierenden der Fachrichtungen Fahrzeugtechnik, Maschinenbau und Produktionstechnik unmittelbar mit den Prinzipien eines rationellen Energiemanagements vertraut gemacht werden. Daß diese Systemumstellung, die normalerweise immerhin mit rund 400 000 Mark Investitionskosten zu Buche geschlagen hätte, in so kurzer Zeit realisiert werden konnte, verdankt die FHU einem besonders zukunftsweisenden Vergabemodell, das sämtliche Investitions- und Betriebskosten in den privatwirtschaftlichen Bereich verlagert: Contracting heißt diese innovative Strategie.

    Die Vorgeschichte ist trivial. Vor eineinhalb Jahren versagte der konventionelle Heizkessel im Maschinenlabor der Fachhochschule Ulm (FHU). Die knappen Finanzmittel des Landes ließen Schlimmes befürchten, doch anhand einer von Prof. Dr.-Ing. Jochen Thönnissen betreuten Diplomarbeit wurde festgestellt, daß die Installation eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) im Vergleich zu einem konventionellen Kessel um gut 1 Mio Mark billiger ist und auf umweltschonendere Art und Weise einen Teil des Wärme- und Strombedarfs der FHU deckt. Auch Eberhard Frey, Leiter der Abteilung Ingenieurtechnik am Staatlichen Vermögens- und Hochbauamt, war davon begeistert, eine neue Realisierungsstrategie einzuschlagen: Warum nicht moderne Energietechnik mit moderner Betreiberphilosophie verbinden? Um die Investitions-, Wartungs- und Instandhaltungskosten für das Land so gering wie möglich zu halten, suchte man einen Contractor als Energielieferant, der gleichzeitig Finanzierung, Bau und Betrieb der Anlage übernimmt. Den Zuschlag erhielt die Firma Gaiser, ein mittelständisches Unternehmen aus Ulm, das bereits einige vergleichbare Anlagen in der Region betreibt. Gaiser ist Partnerbetrieb der Südwärme Gesellschaft für Energielieferung und hat mit dieser zusammen Realisierung und Betrieb der Anlage übernommen.

    Vom Contacting-Modell profitieren alle drei Partner. Das Land spart Kosten, da nicht nur die Investitionskosten, sondern auch das gesamte Risiko des wirtschaftlichen Betriebs beim Energiedienstleister liegen. Das Land bezahlt neben einem verbrauchsunabhängigen Jahresgrundpreis nur die tatsächlich abgenommene Menge an Stom und Wärme, wobei durch den BHKW-Betrieb gegenüber früher jährlich fast 14 000 Mark Stromkosten eingespart werden.

    Der Energiedienstleister hat ein attraktives Objekt, dessen Leistungsfähigkeit er zur weiteren Gewinnung von Kunden nutzen kann, trägt jedoch auch das gesamte Risiko während des 15-jährigen vertraglich abgesicherten Betriebs. Das BHKW liefert 107 Kilowatt elektrische Leistung und 194 Kilowatt Wärmeleistung. Es deckt 60 Prozent des jährlichen Stombedarfs der FHU und etwa ein Viertel des jährlichen Wärmebedarfs. Die Energie des Erdgases wird durch die Kraft-Wärme-Kopplung zu 90% ausgenutzt. Diese Energieausnutzung liegt weit über dem der Stromerzeugung in neuen Kondensationskraftwerken (42-46%) und einem Gas- und Dampfkraftwerk (56-59%).

    Der Nutzen für die FHU ist sogar ein doppelter. Sie wird nicht nur vom Contractor ökologisch und ökonomisch sinnvoll mit Strom und Wärme beliefert, sondern dank einer besonderen Vereinbarung mit dem Energiedienstleister das BHKW auch für Forschungs- und Lehrzwecke einsetzen. Unumstritten ist, daß die Kosten für Energie wie Stom und Wärme in vielen Fällen ein wesentlicher Bestandteil der Produktionskosten sind. Nach Ansicht von Professor Dr. Jochen Thönnissen wird daher das "Energiemanagement" immer häufiger in die Überlegungen zur Kostenreduktion eingehen. Besteht in einem Industriebetrieb, einem Gewerbegebiet oder in Schulen, Krankenhäuser oder in Wohnsiedlungen ein Bedarf an Prozeß- oder Heizwärme, so sollte ein Ingenieur prüfen können, ob über Kraft-Wärme-Kopplung, wie sie in einem BHKW realisiert ist, ein Teil des Strom- und Wärmebedarfs gedeckt werden kann. Aus Umweltgründen und wegen der Schonung von Ressourcen gehört "Energiemanagement" heute zwingend zur Ausbildung von Ingenieuren. Durch das an der FHU in Betrieb genommene BHKW können den Studierenden nun wichtige Aspekte des Energiemanagements, nämlich einerseits die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung und andererseits die Bedeutung des Contractings für kostengünstiges Wirtschaften praxisnah vermittelt werden. Der technische Aufbau eines BHKW (Erdgasmotor, Abgaswärmetauscher, Lambda-Regelung, Katalysator etc.) ist vor Ort studierbar, ebenso sind es die Energieflüsse und die Einbindung dieser umweltfreundlichen Energietechnik in das Heizungssystem der FHU.

    Ein weiterer Vorteil bietet das Energiemanagement-Programm, das erstmalig in der FHU eingesetzt wird und auch das Interesse des Staatlichen Vermögens- und Hochbauamtes findet. Mit dem Energiemanagement-Programm werden sämtliche für die ökonomischen und ökologischen Analysen relevanten Daten der FHU kontinuierlich erfaßt und in einer Datenbank abgelegt. Aus dieser Datenbank können die Studierenden beispielsweise für jeden beliebigen Zeitraum auslesen, wieviel der bezogenen Strom- und Wärmeenergie der Contractor im BHKW vor Ort hergestellt hat und wieviel vom Energieversorgungsunternehmen hinzu gekauft werden mußte. Mit ihren Vorlesungskenntnissen über die Tarifstrukturen oder die Wartungs- und Investitionskosten können sie die komplette betriebswirtschaftliche Analyse erstellen und sich somit selbst davon überzeugen, wie gut sich in diesem konkreten Anwendungsfall die Kraft-Wärme-Kopplung betriebswirtschaftlich rechnet. Mit den Daten können auch alternative technische Lösungen, beispielsweise mit oder ohne Wärmespeicher, strom- oder wärmeorientierte Fahrweisen im Vergleich oder das Teillastverhalten untersucht werden.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ausbildung ist die Erstellung der anlagenspezifischen Ökobilanz. Die ausgewiesenen CO2- und Schadstoff-Reduzierung soll die angehenden Ingenieure für diese ressourcen- und klimaschonende Energietechnik sensibilisieren. Parallel hierzu müssen die Vorteile des Contractings vermittelt werden, denn all zu oft möchte der Nutzer der Energie die Investitionen für solche Anlagen nicht tätigen. Der Trend geht sogar dahin, solche "nicht produktiven" Betriebsbereiche auszulagern und die Nutzenergie, wie Heizwärme, Prozeßwärme, Kälte oder Strom, zu fest kalkulierbaren Preisen einfach zu beziehen. In diesen Fällen kann ein Contractor eine wichtige Funktion übernehmen. Er stellt einerseits das notwendige Investitionskapital und bringt andererseits seine Kompetenz und Erfahrung ein, um die technischen und wirtschaftlichen Risiken zu minimieren. Das Contracting-Modell, wie es mit dem BHKW als Ausbildungsobjekt an der FHU umgesetzt wurde, wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Für den künftigen Ingenieur dient es als Beispiel, in ähnlichen Fällen seiner späteren Berufspraxis eine umweltgerechte schnelle Lösung herbeizuführen, vorausgesetzt, sie rechnet sich.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur, Biologie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie, fachunabhängig
    überregional
    Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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