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08.11.2023 12:02

Phosphor mal anderes: Bakterien nutzen organischen Phosphor und setzen dabei Methan frei

Dr. Fanni Aspetsberger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

    Vor Barbados untersuchten Bremer Forschende, wie Bakterien unbeabsichtigt Methan freisetzen, um an Phosphor zu kommen – mit erheblichen Auswirkungen auf Treibhausgase in der Atmosphäre.

    Methan als Abfallprodukt der Phosphorgewinnung

    Aus dem Meer dringt unentwegt das potente Treibhausgas Methan in die Atmosphäre und trägt erheblich zur Erderwärmung bei. Dieses Methan wird vor allem von Mikroorganismen produziert und meistens dort, wo kein Sauerstoff vorhanden ist. Vor wenigen Jahren allerdings entdeckten Forschende Bakterien, die zur sogenannten aeroben Methanproduktion in der Lage sind. Das Methan entsteht als Nebenprodukt, wenn sie den überlebenswichtigen und im Meer äußerst raren Nährstoff Phosphor aufnehmen. Denn diese Bakterien können etwas Besonderes: Mithilfe spezieller Enzyme können sie den Phosphor in Form des sogenannten Methylphosphonats aufnehmen. Diese Enzyme funktionieren auch in Gegenwart von Sauerstoff, also beispielsweise an der Meeresoberfläche.

    Studie im tropischen Atlantik: Bis weit unter die Wasseroberfläche verbreitet

    Die Verbreitung und Bedeutung dieser Bakterien und ihrer Fähigkeiten sind bis heute wenig erforscht und verstanden. Nun legen Forschende des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen eine Studie vor, in der sie die bakterielle Methanproduktion im Oberflächenwasser vor der Karibikinsel Barbados untersuchen. Dort ist reichlich Sauerstoff und wenig Phosphor im Wasser vorhanden. „Bisher wurde dieser Prozess nur in wenigen Regionen, und dabei vor allem im Pazifik, untersucht“, erklärt Erstautor Jan von Arx. „Wir haben ihn nun erstmals im westlichen tropischen Nordatlantik unter die Lupe genommen.“ Die Forschenden zeigen, dass die Methanproduktion am höchsten nahe der Wasseroberfläche ist. „Aber auch in Tiefen von bis zu 200 Metern konnten wir noch Methan nachweisen, obwohl dort eigentlich auch ausreichend Phosphat für die Bakterien vorhanden ist und sie also gar nicht Methylphosphonat nutzen müssten“, so Jana Milucka, Mitautorin und Leiterin der Forschungsgruppe Treibhausgase am Bremer Max-Planck-Institut. Außerdem veränderten sich mit der Tiefe auch die Arten der Bakterien, die trotz Sauerstoff Methan produzieren: Während an der Oberfläche das Cyanobakterium Trichodesmium die Methanbildung dominierte, ein bekannter und weit verbreiteter mariner Primärproduzent, waren in größerer Tiefe sogenannte Alphaproteobakterien vorherrschend.

    Kohlenstoff aus der Atmosphäre: Geben und Nehmen

    Durch die Nutzung der sonst verschlossenen Phosphorquelle Methylphosphonat wird es möglich, dass die Bakterien im Oberflächenwasser mehr Kohlenstoff fixieren können, als wenn sie allein auf Phosphat angewiesen wären. „Nach unseren Berechnungen können die Bakterien etwa ein Zehntel ihres Phosphorbedarfs aus Phosphonaten abdecken“, sagt von Arx. „Damit können sie in dieser Region erhebliche Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen. Das unterstreicht ganz deutlich die ökologische Bedeutung von Phosphonaten im Kohlenstoffkreislauf der nährstoffarmen Ozeanregionen.“
    Einerseits nehmen die Mikroorganismen also Kohlendioxid auf, andererseits setzen sie aber das viel potentere Treibhausgas Methan frei. „Unsere Studie zeigt eine starke Methanproduktion in der sauerstoffgesättigten Wassersäule – etwas, das lange Zeit als unmöglich galt, nun aber immer öfter beschrieben wird“, so Milucka. „Da die beteiligten Bakterien in allen Weltmeeren vorkommen, trägt das mit Methylphosphonat erzeugte Methan wahrscheinlich erheblich zur Freisetzung dieses Treibhausgases aus dem Meer bei, insbesondere in phosphatarmen Umgebungen.“

    Verstärkte Methanfreisetzung durch den Klimawandel?

    Wieviel Methan in der Umwelt freigesetzt wird, liegt am Verhältnis von dessen Produktion und Oxidation. „Wir haben jedoch immer noch keinen klaren Überblick darüber, wo das Methan im Ozean herkommt und wie es wieder verschwindet. Wir wissen auch nicht, wie diese sogenannten Quellen und Senken von Methan im Ozean auf den laufenden Klimawandel reagieren werden“, erklärt Milucka. „Wir vermuten, dass die aerobe Methanproduktion in Zukunft zunehmen wird, da Phosphat durch die Erwärmung des Ozeans und die daraus resultierende stärkere Schichtung des Wassers immer öfter Mangelware sein wird. Das ist ein Problem, weil dieser Prozess in Oberflächengewässern stattfindet und daher das so produzierte Methan sofort in die Atmosphäre gelangen kann“, ergänzt von Arx.
    Um künftige Veränderungen bei der Freisetzung klimarelevanter Gase vorhersagen zu können, müssen die beteiligten Prozesse und die bestimmenden Faktoren weiter erforscht werden. „Wenn wir verstehen, wie ein Prozess funktioniert, haben wir eine bessere Chance, die negativen Auswirkungen vorherzusehen und/oder ihnen entgegenzuwirken“, schließt von Arx.

    Hintergrund: Das marine Methan-Paradoxon

    Im Jahr 2008 meldeten Forschende in den USA eine bemerkenswerte Entdeckung: Sie zeigten, wie Methan in Gegenwart von Sauerstoff gebildet werden kann – die so genannte aerobe Methanproduktion. Das mag unspektakulär klingen, aber diese Studie löste eines der am längsten bestehenden Rätsel in der Welt der Methan-Biogeochemie: das so genannte marine Methan-Paradoxon. Das Methan-Paradoxon bezieht sich auf die Übersättigung von Methan in sauerstoffreichen Oberflächengewässern – einem Ort, an dem keine Methanproduktion stattfinden sollte, weil Sauerstoff traditionell schädlich für methanproduzierende Mikroorganismen (Archaeen) ist. Der neu entdeckte Prozess der Methanproduktion in oxischen Gewässern wird von Bakterien durchgeführt, die einen enzymatischen Weg nutzen, der unempfindlich gegenüber Sauerstoff ist. Im Gegensatz zu den klassischen methanproduzierenden Archaeen stellen die Bakterien kein Methan her, um Energie aus diesem Prozess zu gewinnen. Bei ihnen ist das Methan ein Nebenprodukt einer Reaktion, die in erster Linie der Gewinnung von Phosphor dient. Da anorganische Formen von Phosphor (wie z. B. Phosphat) nur in geringer Menge zur Verfügung stehen, sind viele Meeresbakterien gezwungen, auf organischen Phosphor (wie z. B. Phosphatester und Phosphonate) zurückzugreifen. Die letztgenannte Gruppe von Verbindungen, genauer gesagt Methylphosphonat (MPn), dient nachweislich als Vorläufer für die aerobe Methanproduktion im Meer.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jan von Arx
    Forschungsgruppe Treibhausgase, Abteilung Biogeochemie
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
    Telefon: +49 421 2028-6440
    E-Mail: jarx@mpi-bremen.de

    Dr. Jana Milucka
    Forschungsgruppe Treibhausgase, Abteilung Biogeochemie
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
    Telefon: +49 421 2028-6340
    E-Mail: jmilucka@mpi-bremen.de


    Originalpublikation:

    Jan N. von Arx, Abiel T. Kidane, Miriam Philippi, Wiebke Mohr, Gaute Lavik, Sina Schorn, Marcel M. M. Kuypers, Jana Milucka (2023): Methylphosphonate-driven methane formation and its link to primary production in the oligotrophic North Atlantic. Nature Communications, October 16 2023.
    DOI: 10.1038/s41467-023-42304-4


    Weitere Informationen:

    https://www.mpi-bremen.de/Page6121.html


    Bilder

    Unendliche Weiten: Zwischen Ozean und Atmosphäre werden ununterbrochen Gase ausgetauscht. Die hier vorgestellte Studie zeigt, wie winzige Meeresbewohner erheblich zur Freisetzung des Treibhausgases Methan im tropischen Atlantik beitragen.
    Unendliche Weiten: Zwischen Ozean und Atmosphäre werden ununterbrochen Gase ausgetauscht. Die hier v ...
    Jan von Arx
    Jan von Arx/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Unendliche Weiten: Zwischen Ozean und Atmosphäre werden ununterbrochen Gase ausgetauscht. Die hier vorgestellte Studie zeigt, wie winzige Meeresbewohner erheblich zur Freisetzung des Treibhausgases Methan im tropischen Atlantik beitragen.


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