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08.11.2023 14:00

Zukünftige Therapieoptionen bei neurodegenerativen Erkrankungen

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Professor Dr. Günter Höglinger, München, wird am 9. November beim „Presidential Symposium“ auf dem DGN-Kongress 2023 neue Therapietargets und künftige Behandlungsoptionen für neurodegenerativen Erkrankungen vorstellen; dabei werden M. Alzheimer und M. Parkinson im Fokus stehen.

    Die neurologische Forschung arbeitet rasant. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung therapeutischer monoklonaler Antikörper zur Bekämpfung pathologischer Proteinaggregate im Gehirn. So wurde bereits Lecanemab, ein β-Amyloid-Antikörper bei M. Alzheimer, durch die FDA zugelassen, die Entscheidung der Europäischen Arzneimittel-Agentur wird wahrscheinlich 2024 erfolgen. Auch für Donanemab wurde die FDA-Zulassung beantragt. Darüber hinaus gibt es aber noch zahlreiche weitere Therapieentwicklungen.

    Besonders vielversprechend sind Therapeutika, die an molekulargenetischen Prozessen bzw. genetischen Faktoren angreifen, was eine zunehmend personalisierte Therapie bedeutet. Therapieziele sind dabei die Prozessierung (mit Spleiß-Modifikatoren) oder Ablesung (mit Antisense-Oligonukleotiden/ASO) der mRNA von an den jeweiligen Erkrankungen beteiligten Genen. So kann die Expression pathologischer Protein-Isoformen unterdrückt werden. ASOs werden intrathekal verabreicht und wirken auf die Expression bei Genmutationen von Tau, α-Synuclein oder β-Amyloid.

    Die sogenannten Translationsinhibitoren greifen direkt in die Biosynthese der aggregierenden Proteine ein und verhindern deren Produktion. So kann der Translationsinhibitor Buntanetap sowohl die Produktion von β-Amyloid als auch von α-Synuklein vermindern [1]. Mit diesem Wirkstoff laufen aktuell bei M. Parkinson und M. Alzheimer Phase-3-Studien (ClinicalTrials.gov Nummern NCT05357989 und NCT05686044).

    Direkt einer Aggregat-Bildung entgegenwirkend sind bestimmte lipophile „small molecules“, die (meist) oral applizierbar sind. Potenzielle Substanzen sind das Bakteriophagen-Protein NPT088, das auf β-Amyloid und Tau-Protein abzielt; ferner die Substanz UCB0599, die die α-Synuklein-Fehlfaltung verhindert (NCT04658186) sowie Anle138b, welches auf die Oligomer-Bildung von α-Synuclein, β-Amyloid und Tau-Protein wirkt [2].

    Eine weitere Substanzklasse soll die pathologischen Proteinaggregation bereits in der Entstehung hemmen. Es handelt sich um Modifikatoren der posttranslationalen Modifikation. Die Entwicklung steht hier aber noch ganz am Anfang.

    Bei neurodegenerativen Prozessen sind spezifische, oft lysosomale Enzyme beteiligt, z. B. LRRK2, GBA1 oder BACE. Entsprechend konnten Enzyminhibitoren hergestellt werden, die heute eine weitere Substanzklasse zur Modifikation neurodegenerativer Erkrankungen darstellen. DNL201, ein LRRK2-Inhibitor, soll die lysosomale Dysfunktion bei M. Parkinson bessern [3]. BACE-Hemmer vermindern zwar die Produktion von β-Amyloid [4], in Phase-3-Studien kam es jedoch bei Alzheimer-Erkrankten tendenziell zu einer kognitiven Verschlechterung. Hier wird nun eine Dosisreduktion erwogen.

    Neurodegenerative Prozesse werden ferner oft von entzündlichen Veränderungen begleitet und gefördert. An dieser chronischen Neuroinflammation setzen Entzündungsmodulatoren an, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Ein potenzielles Zielmolekül für neue therapeutische Ansätze ist das physiologische TREM2-Protein, das Mikroglia aktiviert, wodurch im frühen Stadium Amyloidablagerungen beseitigt werden. Der monoklonale Antikörper AL002, der bereits in einer klinischen Phase-2-Studie eingesetzt wird (ClinicalTrials.gov Nummer: NCT04592874), fördert die Signalübertragung am TREM2-Rezeptor, sodass Amyloidablagerungen schneller abgebaut werden.

    „Auch wenn die Herausforderungen groß sind – die neurologische Forschung schreitet momentan schneller voran als je zuvor und bringt zahlreiche neue Therapieoptionen hervor. Angesichts dieser Forschungsstärke ist zu hoffen, dass Alzheimer und Parkinson binnen der nächsten zehn Jahre, wenn nicht heilbar, dann zumindest beherrschbar werden“, konstatiert Prof. Günter Höglinger.

    [1] Fang C, Hernandez P, Liow K et al. Buntanetap, a Novel Translational Inhibitor of Multiple Neurotoxic Proteins, Proves to Be Safe and Promising in Both Alzheimer’s and Parkinson’s Patients. J Prev Alzheimers Dis 2023; 10 (1): 25-33

    [2] Levin J, Vöglein J, Quiroz Y et al. Testing the amyloid cascade hypothesis: Prevention trials in autosomal dominant Alzheimer disease. Alzheimers Dement 2023; 18 (12): 2687-2698

    [3] Jennings D, Huntwork-Rodriguez S, Henry AG et al. Preclinical and clinical evaluation of the LRRK2 inhibitor DNL201 for Parkinson’s disease. Sci Transl Med 2022; 14 (648): eabj2658

    [4] Vassar R, Bennett BD, Babu-Kahn S et al. Beta-secretase cleavage of Alzheimer’s amyloid precursor protein by the transmembrane aspartic protease BACE. Science 1999; 286 (5440): 735-41

    Pressekontakt
    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren 12.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsident: Prof. Dr. med. Lars Timmermann
    Stellvertretende Präsidentin: Prof. Dr. med. Daniela Berg
    Past-Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Generalsekretär: Prof. Dr. med. Peter Berlit
    Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Weitere Informationen:

    https://dgn.org/dgn-kongress


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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