Fit für den Ernstfall? Die Auswertung der Hochwasserkatastrophe in 2021 hat gezeigt, wie wichtig praktisches Training zur Bewältigung von Hochwasserereignissen ist. Vom 15. bis 18. November 2023 wird es in der Kurmainz-Kaserne in Mainz hierzu ein bis dato einmaliges Übungsformat für Einsatzkräfte geben: Bei einer Stabsrahmenübung simulieren Bundeswehr, Technisches Hilfswerk (THW) und das Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft der RPTU eine komplexe Einsatzlage am Beispiel des katastrophalen Hochwassers in Neuwied. Das Planspiel ist Teil der Forschungsarbeit im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt KAHR (Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz).
Im operativen Hochwasserschutz ist es die Aufgabe professioneller Einsatzkräfte, darunter Feuerwehr, THW und Bundeswehr, die Bewältigung großer und katastrophaler Hochwasserereignisse durch konkrete Maßnahmen zu übernehmen. Infolge großflächiger Schadenslagen stehen sie dabei häufig vor komplexen Herausforderungen. Aufbauend auf dem hohen Ausbildungsstand und dem kontinuierlichen Training im Katastrophenschutz gilt es, spezifisches Fachwissen im Umgang mit seltenen oder außergewöhnlichen Hochwasserereignissen zu erwerben und weiterzuentwickeln – und für den Ernstfall zu trainieren. Genau hier setzt die Stabsrahmenübung an: „In den vier Übungstagen werden wir das innovative Planspiel-Format, welches alle Einsatzkräfte im operativen Hochwasserschutz zusammenbringt, mit wissenschaftlicher Begleitung erproben und evaluieren“, sagt Professor Dr. Robert Jüpner, Leiter des Fachgebiets Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RPTU. Der Ingenieur war seit dem Hochwasserereignis an der Elbe 2002 regelmäßig selbst Mitglied in Katastrophenstäben. Seine Arbeitsgruppe befasst sich seit Jahren mit verschiedenen Aspekten des operativen Hochwasserschutzes.
Das Gesamtszenario trainieren
Die Teilnehmenden werden drei verschiedene Übungsszenarien bearbeiten, wobei die Komplexität durch das Einspielen zusätzlicher Problemlagen systematisch verschärft wird. Im Blick ist die gesamte Ablaufkette inklusive der notwendigen Interaktionen zwischen den verschiedenen Einsatzkräften: „Wir werden die Fachberater des THW im Katastrophenstab mit realitätsnahen Gefahrenlagen wie etwa dem plötzlichen Versagen einer mobilen Hochwasserschutzanlage konfrontieren“, erklärt Jüpner. „Sie sollen daraufhin fachliche Lösungsansätze erarbeiten, die der zuständige Stabsleiter bewertet und beschließt. Die ermittelten Anforderungen an Ressourcen werden nachfolgend an die Verbindungspersonen der Bundeswehr kommuniziert. Die Bundeswehrkräfte simulieren anschließend sowohl die konkreten Hilfeleistungen zur Umsetzung der Hochwasserbewältigungsmaßnahmen als auch die Funktionsfähigkeit der internen Strukturen. Im Zentrum des Übungsgeschehens steht jedoch die Optimierung der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Dieser Ansatz einer gemeinsamen Stabsübung von Bundeswehr und THW und deren wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung wurde bisher nicht praktiziert. Aus unserer Sicht das effektivste Training für den Ernstfall.“
Die Erkenntnisse aus der Evaluation werden Professor Jüpner und seine Arbeitsgruppe für ihre fortlaufende wissenschaftliche Arbeit nutzen – konkret für die Weiterentwicklung von Ausbildungsinhalten. Diese Bildungsmodule dienen sowohl dem THW als auch der Bundeswehr zum Trainieren ihrer jeweiligen Fähigkeiten. „Bei positiver Evaluation werden wir das Übungsformat auch auf andere Regionen und Hochwassersituationen sowie weitere Akteure der Katastrophenbewältigung wie etwa Feuerwehren und Deutsches Rotes Kreuz (DRK) übertragen“, so Jüpner.
KAHR spannt den Rahmen
Im Rahmen des Forschungsverbundvorhabens KAHR, das auf die wissenschaftliche Begleitung des Wiederaufbaus nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen abzielt, hatten Jüpner und seine Arbeitsgruppe zunächst ein Aus- bzw. Weiterbildungsmodul für Einsatzkräfte im operativen Hochwasserschutz entwickelt. Ergänzend dazu rückte auch das praktische Erproben in der „hochwasserfreien Zeit“ im Rahmen eines simulierten Einsatzszenarios in den Fokus der Forschenden. Jüpner hierzu: „Durch unsere enge und langjährige Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften wurde es möglich, neue Ideen für Übungsformate gemeinsam zu erörtern und gemeinsam in konkrete Angebote zu überführen. Der Besuch einer Bundeswehr-Übung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit im April 2023 in Mainz hat dazu einen wesentlichen Impuls geliefert.“ Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten des THW, die am THW-Ausbildungszentrum Hoya die „Technischen Berater Hochwasserschutz und Naturgefahren“ ausbilden, hat seine Arbeitsgruppe ein innovatives Format für eine gemeinsame Stabsrahmenübung zur Bewältigung von Hochwasserereignissen entwickelt.
Über KAHR
Das BMBF-geförderte Verbundprojekt KAHR soll mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Aufbaumaßnahmen in den von der Flutkatastrophe im Juli 2021 zerstörten Regionen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz unterstützen. Bis Ende 2024 werden in dem Verbundprojekt mit insgesamt 13 Partnern aus Wissenschaft und Praxis Fragen zur Klimaanpassung, der risikobasierten Raumplanung und zum Hochwasserschutz erarbeitet. Ziel ist es, konkrete Maßnahmen für einen klimaresilienten und zukunftsorientierten Wieder- und Neuaufbau zu schaffen. Weiterführende Informationen unter: https://hochwasser-kahr.de/index.php/de/
Pressekontakt:
Prof. Dr. Robert Jüpner
RPTU Kaiserslautern-Landau, Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft
Tel.: 0631/205-3805
E-Mail: robert.juepner(at)rptu.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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