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14.11.2023 11:05

BAMF-Forschungszentrum: Musliminnen und Muslime sehen sich bei der Wohnungssuche diskriminiert

Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

    Auf Basis der Studie Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (MLD 2020) veröffentlicht das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) drei Studien. Diese beschäftigen sich damit, wie muslimische und nicht-muslimische Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern das Zusammenleben in und die Zugehörigkeit zu Deutschland empfinden – dafür wurden über 4.500 Menschen mit Migrationshintergrund befragt. Die drei Publikationen behandeln die Themen Interreligiosität, wahrgenommene Diskriminierung und Einstellungen zum gesellschaftlichen Zusammenleben.

    Interreligiosität und interreligiöse Offenheit

    Hinsichtlich der Einstellungen zu anderen Religionen geht aus einer der Studien hervor, dass vor allem konkrete interreligiöse Erfahrungen mit einer positiveren Wahrnehmung einhergehen. Am Beispiel des Islam zeigt sich, dass Menschen, die nicht muslimisch sind, aber schon mindestens einmal eine Moschee aufgesucht oder muslimische Bekannte haben, signifikant seltener befürchten, dass der Einfluss des Islams in Deutschland zu groß wird.

    Interreligiöses Wissen hängt auch mit dem Verbreitungsgrad der jeweiligen Religion in Deutschland und in dem Herkunftsland zusammen, aus dem die Menschen oder ihre Eltern stammen. So geben viele Befragten mit und ohne Migrationshintergrund an, über das Christentum relativ gut Bescheid zu wissen – selbst, wenn sie dieser Religion nicht angehören. Dagegen wissen über den Islam Personen ohne Migrationshintergrund eher weniger. Über das Judentum attestieren sich relativ wenige nicht-jüdische Menschen einen hohen Kenntnisstand. Ähnliche Tendenzen zeigen sich, wenn man die Häufigkeit des Besuchs von Kirchen, Moscheen und Synagogen oder interreligiöse Kontakte im Bekanntenkreis zu Personen betrachtet, die dem Christentum, dem Islam oder dem Judentum angehören.

    Wahrgenommene Diskriminierung

    Ein Drittel der muslimischen Religionsangehörigen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland fühlt sich mehrmals monatlich oder häufiger in alltäglichen Situationen benachteiligt. Damit liegt der Anteil im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund deutlich höher. Bei der Betrachtung verschiedener Lebensbereiche wie Schule, Arbeit und Wohnen, zeigt sich, dass sich muslimische Menschen bei der Wohnungssuche am häufigsten von Diskriminierung betroffen sehen. Dies äußert jede zweite Person.

    Als Grund für die erlebte Benachteiligung vermuten die Betroffenen am häufigsten ihre Herkunft bzw. Abstammung. Ihre Religion folgt mit deutlichem Abstand an zweiter Stelle. Andere Merkmale, so etwa das Geschlecht oder das Alter, werden sehr viel seltener genannt. Die Ergebnisse lassen sich unter anderem dadurch erklären, dass die Religionsangehörigkeit einer Person Dritten in der Regel nicht bekannt ist. Es ist daher davon auszugehen, dass Menschen oftmals alleine aufgrund ihrer Herkunft, die sich etwa durch das Erscheinungsbild, den Namen oder die Sprache äußert, als muslimisch gelesen werden. Musliminnen, die ein Kopftuch tragen, sehen sich in allen Lebensbereichen häufiger diskriminiert als muslimische Frauen ohne ein solches. Nur ein kleiner Teil der kopftuchtragenden Frauen hat dieses schon einmal abgelegt, um Benachteiligung zu vermeiden.

    Einstellungen über Zugehörigkeiten und Zusammenleben

    Vielfach ähneln sich die Einstellungen von Personen mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich der Themen Zugehörigkeit und Zusammenleben. So ist die soziale Distanz gegenüber Asylantragstellenden in beiden Gruppen ähnlich stark ausgeprägt. Ebenso gleichen sich ihre Einstellungen dazu, ob Personen, die schon länger hier leben, mehr Rechte zustehen sollten als Neuhinzugekommenen, wobei die diesbezüglichen Zustimmungswerte in beiden Gruppen eher gering ausfallen. Bei einigen Einstellungsdimensionen zeigen sich jedoch auch Unterschiede: Beispielsweise schätzen Personen ohne Migrationshintergrund im Vergleich zu Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern die Integrationsmöglichkeiten muslimischer Zugewanderter geringer ein.

    Die Einstellungen von Personen mit Migrationshintergrund werden unter anderem durch die jeweilige Migrationserfahrung und Zuwanderungsgeschichte geprägt. Zudem deuten die empirischen Analysen auf einen intergenerationalen Wandel bei einigen Einstellungsdimensionen hin. So sind Angehörige der Nachfolgegenerationen beispielsweise offener gegenüber homosexuellen Personen eingestellt als selbst Zugewanderte, wenngleich sich auch bei ihnen nach wie vor eine größere soziale Distanz gegenüber homosexuellen Personen zeigt als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Religionsangehörigkeit und Gläubigkeit stehen dabei oft in keinem Zusammenhang mit den Einstellungen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Einstellungen einen Bezug zur Religion haben.

    Die Studien finden sie hier:

    Interreligiosität und interreligiöse Offenheit von Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern
    https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/kurzanalyse2-20...

    Diskriminierungserfahrungen von Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern. Wahrnehmungen in Bezug auf Alltagssituationen, die Benotung in der Schule, die Arbeits- und die Wohnungssuche
    https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb48-musl...

    Zugehörigkeit und Zusammenleben. Einstellungen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern
    https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb47-musl...

    Zur Studie Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (MLD 2020)

    Die Studie MLD 2020 wurde im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz (DIK) durchgeführt. Befragt wurden Menschen mit Migrationshintergrund aus 23 muslimisch geprägten Herkunftsländern in Deutschland sowie zu Vergleichszwecken Menschen ohne Migrationshintergrund. Die zwischen Juli 2019 und März 2020 bundesweit durchgeführte repräsentative Befragung erfolgte mittels persönlich-mündlicher Interviews (CAPI) auf Basis eines Fragebogens, der in acht Sprachversionen zur Verfügung stand. Für die Analysen stehen Interviews von 4.538 Personen mit Migrationshintergrund sowie von 582 Personen ohne Migrationshintergrund zur Verfügung.

    Weiterführende Informationen zum Projekt finden Sie hier:
    https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Integration/musli...

    Über das BAMF-Forschungszentrum:
    Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

    Weitere Informationen unter:
    https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html

    Ansprechpartner für Medienanfragen:
    Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
    Jochen Hövekenmeier
    Telefon: +49 911 943 177 99
    E-Mail: pressestelle@bamf.bund.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ)
    Dr. Anja Stichs
    Telefon: +49 911 943 24708
    E-Mail: anja.stichs@bamf.bund.dekj


    Originalpublikation:

    Stichs, A. & Pfündel, K. (2023). Diskriminierungserfahrungen von Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern. Wahrnehmungen in Bezug auf Alltagssituationen, die Benotung in der Schule, die Arbeits- und die Wohnungssuche (Forschungsbericht 48). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. https://doi.org/10.48570/bamf.fz.fb.48.d.2023.mld2020.diskriminierung.1.0

    Maddox, A. & Pfündel, K. (2023). Zugehörigkeit und Zusammenleben. Einstellungen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern (Forschungsbericht 47). Nürnberg. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. https://doi.org/10.48570/bamf.fz.fb.47.d.2023.mld2020.einstellungen.1.0


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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