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29.11.2023 16:40

Werkzeuge aus der Altsteinzeit: Internationales Forschungsnetzwerk untersucht 1,6 Millionen Jahre alte Gebrauchsspuren

Ebru Esmen Arbeitsbereich Kommunikation
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

    Mainz. Ein internationales Forschungsnetzwerk, bestehend aus Experten der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Algarve in Portugal und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz, untersucht derzeit zahlreiche Steinwerkzeuge aus dem Fundort Melka Wakena im äthiopischen Hochland. Die 1,6 Mio. Jahre alten Werkzeuge stammen aus der Altsteinzeit und wurden aus verschiedenen Materialien hergestellt. Um Rückschlüsse auf ihren ursprünglichen Gebrauch zu ziehen, werden die Rohstoffe, aus denen die Werkzeuge bestehen, in den spezialisierten Laboren des LEIZA auf ihre Beschaffenheit untersucht.

    Neben der Untersuchung äußerlicher Spuren im Labor für Gebrauchsspurenforschung und kontrollierten Experimenten in MONREPOS, setzt das Forschungsteam nun auch einen 3D-Computertomographen ein, um verborgene Gebrauchsspuren im Inneren der Gesteinsmaterialien sichtbar zu machen und diese mit den äußerlichen Spuren in einen kausalen Zusammenhang zu bringen.

    "Wir untersuchen die Hypothese, dass die frühen Menschen die verschiedenen Steinrohstoffe gezielt nach bestimmten Verwendungszwecken der Werkzeuge auswählten", erklärt Projektleiterin Prof. Erella Hovers vom Archäologischen Institut der Hebräischen Universität Jerusalem und ergänzt: "Frühere Studien haben bereits eindeutige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Werkzeugtypen und Rohstoffen festgestellt, aber die genaue Verwendung der Werkzeuge bleibt unbekannt. Unser Ziel ist es, die spezifische Verwendung durch die Analyse der verwendeten Rohstoffe und der Gebrauchsspuren zuzuordnen."

    Analyse von Gebrauchsspuren in MONREPOS: Schlageinwirkungen an Knochen werden simuliert

    Eine Reihe von Untersuchungen im spezialisierten Labor für Gebrauchsspurenforschung und kontrollierten Experimenten (Laboratory for Traceology and Controlled Experiments, TraCEr) in MONREPOS, einem weiteren Standort des LEIZA, geht dem Verwendungszweck der Schlagwerkzeuge mit kontrollierten Experimenten nach. Hierzu wurden die entsprechenden Rohstoffe auf Schlageinwirkungen und Aufprallbewegungen an Knochen getestet. Teamkollege Dr. Eduardo Paixão fasst zusammen: „Unsere vorläufigen Daten helfen uns, die Gebrauchsspuren auf den unterschiedlichen Gesteinsmaterialien der altsteinzeitlichen Funde zu charakterisieren und herauszufinden, welchen Vorteil der jeweilige Rohstoff für welche spezifische Verwendung haben könnte. Um den finalen Verwendungszweck zu bestimmen, untersuchen wir die herbeigeführten Schadensmuster in der inneren Struktur des Gesteinsmaterials mit dem Computertomographen.“

    Kooperationspartner Dr. Sören Tholen ist Postdoktorand am Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und gibt einen Einblick in die Beschaffenheit der Rohstoffe: „Vorläufige Beobachtungen aus den CT-Scans bestätigen, dass sich die verschiedenen Materialien unterschiedlich verhalten: Vulkanische Schlacke (engl.: scoria) ist zum Beispiel ein sehr poröses Material, das beim Aufprall verdichtet wird. Basalt kann hingegen viel dichter sein. Durch die im Gestein vorhandene Risse und eingeregelten Minerale kommt es hier häufig zu einem Bruch entlang einer klar erkennbaren Vorzugsrichtung.“ Endgültige Ergebnisse zu den Untersuchungen werden im nächsten Jahr publiziert.

    3D-Computertomograph seit Sommer 2023 am LEIZA im Einsatz

    Der 3D-Computertomograph im Wert von 1,3 Millionen Euro bietet dem archäologischen Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft eine weitere zerstörungsfreie Untersuchungsmethode. Größere Objekte von bis zu 2,5 Metern, einem Durchmesser von maximal einem Meter und dem Gewicht bis zu 100 kg können mit einer Auflösung von 100 Mikrometern im LEIZA gescannt werden. „Mit dem 3D-CT sehen wir beispielsweise, was sich in einer Blockbergung befindet, um zu entscheiden, ob die Artefakte innerhalb des Erdklumpens restauriert oder nur konserviert werden sollen. Durch das Verfahren ist es uns nun auch möglich, in verschlossene Gefäße zu schauen, ohne sie zu öffnen. Damit schützen wir das Objekt vor weiteren Schäden“, fasst Dr. Ivan Calandra, Laborleiter für bildgebende Verfahren am LEIZA, zusammen. Eine weitere wichtige Anwendung besteht in der Rekonstruktion von vergangenen Herstellungstechniken sowie der Dokumentation von Befunden und Artefakten durch zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden. Ziel ist es, diese Informationen aus der Forschung der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

    Das CT-System, das sich im Untergeschoss des LEIZA befindet ist von der Firma Waygate Technologies geliefert worden. Das hier verwendete Modell Phoenix V|tome|x L450 ist besonders leistungsstark und daher in der Lage, mittels innovativer industrieller Röntgentechnologie auch vergleichsweise große Objekte zu scannen. Neben der Untersuchung von Objekten ermöglicht das System auch die Digitalisierung von Exponaten, die in den letzten Jahrzehnten gesammelt wurden, und liefert aufgrund der dreidimensionalen Informationen neue Erkenntnisse.

    Projektinformationen:

    Um das Wissen über diese frühe Entwicklungsphase von Werkzeugen zu erweitern, widmet sich das Forschungsprojekt The stone tool technology of the Acheulian culture and the origins of Human Decision-making processes dem neu entdeckten archäologischen Fundortkomplex im äthiopischen Hochland, Melka Wakena, der mit der Acheuléen-Kultur in Verbindung gebracht wird. Die Untersuchungen fokussieren sich dabei auf die physikalischen Eigenschaften und Nutzungsprozesse von Schlagwerkzeugen vor 1,6 Millionen Jahren. Das Projekt in Melka Wakena wird von Prof. Dr. Erella Hovers und Dr. Tegenu Gossa aus dem Archäologischen Institut der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel geleitet. Weitere Kooperationspartner neben dem LEIZA sind das Institut für Geowissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und das Interdisciplinary Center for Archaeology and Evolution of Human Behaviour der Universität Algarve in Portugal. Das Projekt wird von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt.


    Weitere Informationen:

    https://www.leiza.de/aktuelles/nachricht/werkzeuge-aus-der-altsteinzeit-internat...


    Bilder

    Laborleiter Dr. Ivan Calandra am Computertomographe
    Laborleiter Dr. Ivan Calandra am Computertomographe
    R.Müller
    LEIZA

    Analyse der Rohstoffe nach den CT-Scans
    Analyse der Rohstoffe nach den CT-Scans
    R.Müller
    LEIZA


    Anhang
    attachment icon Werkzeuge aus der Altsteinzeit: Internationales Forschungsnetzwerk untersucht 1,6 Millionen Jahre alte Gebrauchsspuren

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Laborleiter Dr. Ivan Calandra am Computertomographe


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