idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.06.2004 18:34

NASA/ESA-Sonde Cassini-Huygens: Vollbremsung im Weltall nach sieben Jahren Flugzeit

Dr. Bernd Wöbke Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

    Berlin/München - Am 15. Oktober 1997 gestartet, rast die amerikanisch-europäische Planetensonde Cassini-Huygens seit fast sieben Jahren durch das Weltall Richtung Saturn. Rund 3,5 Milliarden Kilometern hat sie auf dieser Reise zurückgelegt und dabei zwei nahe Vorbeiflüge, so genannte Swing-by-Manöver, an Venus und jeweils eines an Erde und Jupiter gemacht.

    Nun, Mitte 2004, hat die Sonde ihr Ziel, den riesigen Gasplaneten Saturn, fast erreicht. Um ihn und seine Monde genauer erforschen zu können, muss sie ihre momentane Geschwindigkeit von 21.000 Kilometer pro Stunde deutlich verringern, um in eine Umlaufbahn einschwenken zu können: "Was nun am 1. Juli 2004 am Saturn passieren soll, kommt einer Vollbremsung im Weltall gleich", erklärt Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der als Mitglied des Spektrometer-Teams auf Cassini wesentlich an dem internationalen Forschungsprojekt beteiligt ist. In den letzten Stunden der Annäherung an Saturn wird das Raumschiff von der Schwerkraft des Planeten immer stärker angezogen und dadurch noch einmal stark beschleunigt. Um vom Planeten eingefangen zu werden, wird die Raumsonde am 1. Juli 2004 um 4.36 Uhr MESZ mit ihrem Bremsmanöver beginnen, das genau 96 Minuten dauern wird. Dazu wird das Raumschiff gedreht, so dass das Haupttriebwerk in Flugrichtung der Raumsonde weist und seine maximale Bremswirkung entfalten kann. "Durch das Bremsmanöver wird sich die Geschwindigkeit des Raumschiffs um 2.250 Kilometer pro Stunde verringern. Es ist das kritischste Missions-Manöver seit dem Start vor fast sieben Jahren", erklärt Jaumann weiter. "Am Ende dieses Bremsmanövers wird die Sonde von dem zweitgrößten Planeten des Sonnensystems praktisch eingefangen, und sie kann Saturn und seine Monde in den nächsten vier Jahren bei 74 Umkreisungen genauestens erforschen. Darauf warten weltweit 260 unmittelbar beteiligte Forscher bereits mit Spannung, darunter auch einige deutsche Wissenschaftler", fügt er hinzu.

    Spannung herrscht auch am Max-Planck-Institut für Aeronomie MPAE (ab 1. Juli 2004 neuer Name: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung MPS) in Katlenburg-Lindau (Harz) und am Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPI-K) in Heidelberg, denn auch dort fiebern Wissenschaftler dem Eintreffen der Raumsonde am Saturn entgegen. Cassini taucht bereits vor dem Zünden des Haupttriebwerks in die so genannte Saturnmagnetosphäre ein. Dort werden die Messinstrumente des MPS und des MPI-K Signale von neutralen und geladenen Teilchen aufzeichnen. "Wenn der Einschuss in das Saturnsystem geglückt ist, kann man einen Quantensprung im Verständnis der Prozesse bei Saturn und seinen Monde, in seiner Magnetosphäre und im Sonnensystem erwarten", sagt Dr. Andreas Lagg vom MPS.

    Besonders spannend ist bei diesem Bremsmanöver in den frühen Morgenstunden des 1. Juli 2004, dass das Raumschiff, von Süden kommend, durch eine Lücke in den Ringen auf die nördliche Seite der Ringe stoßen wird. Um die Sonde vor möglichen kleinen Staubteilchen zu schützen, die in dieser Region erwartet werden, wird das Raumschiff so gedreht, dass die große Hauptantenne als Schutzschirm fungiert. Die verbleibende Zeit reicht dann gerade noch aus, mit den Steuerdüsen das Raumschiff wieder um 180 Grad zu drehen, um in "Bremsstellung" gehen zu können.

    Eingriffe von der Erde sind während dieser kritischen Flugphase nicht mehr möglich, da ein Funksignal für den Weg vom Saturn zur Erde und zum Kontrollzentrum der NASA am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien) 84 Minuten benötigt - alles muss also so klappen, wie es die Flugingenieure seit vielen Jahren sekundengenau vorausberechnet haben. "Wenn alles gut verläuft, wird Cassini-Huygens bereits vom Saturn als Satellit 'eingefangen' sein, bevor uns auf der Erde das erste Signal vom Start des Bremsmanövers erreicht", erläutert Jaumann das, was für die beteiligten Wissenschaftler eine äußerste Nervenanspannung sein wird. "Aber vor allem werden bei dieser einmaligen Aktion fast permanent wissenschaftliche Daten aufgenommen, so dass wir vielleicht schon wenige Stunden später die ersten sensationellen Aufnahmen der Ringe aus unmittelbarer Nähe haben werden." Und tags darauf fliegt Cassini während des ersten Orbits bereits in 400.000 Kilometer an Titan vorbei: "Da hoffen wir, mit dem Spektrometer durch die dicke Wolkenschicht auf die Oberfläche des größten Saturnmondes blicken zu können", fügt Jaumann hinzu.

    Die europäische Landesonde Huygens soll am 25. Dezember 2004 von der Hauptsonde Cassini abgetrennt werden und am 14. Januar 2005 am Fallschirm auf dem größten Saturnmond Titan, der eine dichte Atmosphäre besitzt, niedergehen und ihn dabei genau erforschen.

    An Bord von Cassini sind insgesamt zwölf wissenschaftliche Instrumente, weitere sechs Instrumente befinden sich auf Huygens. In Deutschland beteiligen sich an dieser Mission das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institute der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mehrere Universitäten sowie die deutsche Raumfahrtindustrie. Die Beteiligten haben eine Vielzahl von Mess-Instrumenten bzw. -Komponenten geliefert oder arbeiten an speziellen Experimenten mit. Der finanzielle Anteil Deutschlands an der Mission beläuft sich auf rund 115 Millionen Euro, die Gesamtkosten der Mission betragen rund 3,3 Milliarden Dollar.

    Die Mission, benannt nach dem italienisch-französischen Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625-1712) und seinem holländischen Kollegen Christiaan Huygens (1629-1695), wurde 1997 an Bord einer Titan 4b-Centaur-Rakete von Cape Canaveral/USA aus gestartet. Das Projekt steht unter der Federführung der Weltraumorganisationen der USA (NASA) und Europas (ESA).

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    Dr. Norbert Krupp
    Max-Planck-Institut für Aeronomie (ab 1. Juli 2004 neuer Name: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, MPS)
    Tel.: +49 5556-979 154
    Fax: +49 5556-979 6 154
    E-Mail: krupp@linmpi.mpg.de

    Eduard Müller
    DLR-Pressestelle
    Tel.: +49 2203 / 601 - 2805
    Fax: +49 2203 / 601 - 3249

    Dr. Ralf Jaumann
    DLR-Institut für Planetenforschung
    Tel.: +49 30 / 6 70 55-400 /-401
    Fax: +49 30 / 6 70 55-402
    E-Mail: ralf.jaumann@dlr.de

    Ulrich Köhler
    DLR-Institut für Planetenforschung
    Tel.: +49 30 - 6 70 55-215
    Fax: +49 30 - 6 70 55-402
    E-Mail: ulrich.koehler@dlr.de

    Dr. Joachim Woch
    Max-Planck-Institut für Aeronomie (ab 1. Juli 2004 neuer Name: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, MPS)
    Tel.: +49 5556-979 447

    Dr. Andreas Lagg
    Max-Planck-Institut für Aeronomie (ab 1. Juli 2004 neuer Name: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, MPS)
    Tel.: +49 5556-979 465


    Weitere Informationen:

    http://solarsystem.dlr.de/PG/cassini/


    Bilder

    Künstlerische Darstellung der Raumsonde Cassini im Saturnsystem. Quelle: NASA/JPL
    Künstlerische Darstellung der Raumsonde Cassini im Saturnsystem. Quelle: NASA/JPL

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Künstlerische Darstellung der Raumsonde Cassini im Saturnsystem. Quelle: NASA/JPL


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).