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01.12.2023 11:09

Forschende aus Mainz und Lübeck entdecken neuen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Veronika Wagner M.A. Unternehmenskommunikation
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Mainz und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, das innerhalb des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zusammenarbeitet, hat einen Autoantikörper als neuen, bisher unbekannten Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen identifiziert. Der Autoantikörper richtet sich gegen den sogenannten Chemokin-Rezeptor 3 (CXCR3), der eine bedeutende Rolle bei Immunantworten sowie Entzündungsreaktionen spielt und somit die Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen beeinflussen kann. Die nun in der Zeitschrift „European Heart Journal“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten ein Ansatzpunkt für neue Therapien sein.

    Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen zu den weltweit häufigsten Todesursachen. Die Frage, ob und inwiefern das Immunsystem die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen beeinflusst, rückt zunehmend in den Fokus. Eine relativ neue Erkenntnis ist beispielsweise, dass dabei Autoantikörper, also Antikörper gegen körpereigene Strukturen, eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.

    Um mehr darüber zu erfahren, hat ein Team der Präventiven Kardiologie und Präventiven Medizin sowie der Klinischen Epidemiologie und Systemmedizin der Universitätsmedizin Mainz um Dr. Felix Müller und Arbeitsgruppenleiter Univ.-Prof. Dr. Philipp Wild rund 5.000 Teilnehmende untersucht. Dies erfolgte im Rahmen der Gutenberg-Gesundheitsstudie (GHS) – einer großangelegten repräsentativen Bevölkerungsstudie in der Rhein-Main-Region. Im Fokus der Untersuchungen standen Autoantikörper, die sich gegen den sogenannten Chemokin-Rezeptor CXCR3 richten. CXCR3 ist ein Proteinrezeptor, der insbesondere an der Oberfläche von Immunzellen vorkommt. Somit dient er als Biomarker für die Entstehung von entzündlichen Erkrankungen und könnte daher als Zielstruktur geeignet sein, um neue Medikamente zu entwickeln.

    „Wir haben festgestellt, dass Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie zum Beispiel Vorhofflimmern oder Atherosklerose, eine höhere Konzentration dieser Autoantikörper aufweisen. Dies geht einher mit krankhaften Veränderungen des Herzmuskels und der Arterien. Personen, die an einer Autoimmun- oder Krebserkrankung leiden oder Medikamente einnehmen, die das Immunsystem beeinträchtigen, hatten wir methodisch bereits von der Studie ausgeschlossen. Überraschenderweise fanden sich trotzdem bei fast allen Studienteilnehmenden messbare Konzentrationen von Autoantikörpern gegen den Chemokin-Rezeptor CXCR3“, erläutert Professor Wild.

    Eine weitere spannende Erkenntnis: Die Konzentration der Autoantikörper ließ auch bei gesunden Studienteilnehmenden eine Vorhersage zu, ob diese zukünftig an einer Erkrankung leiden könnten und ob ein erhöhtes Sterberisiko besteht. Die Prognose mithilfe der Autoantikörper war unabhängig von allen etablierten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie beispielsweise Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck.

    Das Forschungsteam des UKSH, Campus Lübeck, und der Universität zu Lübeck um Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Direktorin der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, beschäftigt sich schon seit langem grundlagenwissenschaftlich mit Autoantikörpern bei Autoimmunerkrankungen. Die Forschenden hatten interessanterweise auch in gesunden Kontrollprobanden messbare Konzentrationen dieser Autoantikörper gefunden. Daraus entstand die Idee, in einer Zusammenarbeit mit den Mainzer Wissenschaftler:innen eine Bevölkerungsstichprobe durchzuführen, um die Relevanz der Autoantikörper für die Allgemeinbevölkerung zu untersuchen. Weitere experimentelle Daten aus dem Lübecker Institut für Kardiogenetik sowie der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie konnten die gefundenen Ergebnisse aus der GHS bestätigen.

    „In unserer Studie fanden wir deutliche Hinweise darauf, dass Antikörper gegen CXCR3 eine große Rolle bei der Bildung von atherosklerotischen Plaques, also entzündlich bedingten Gefäßveränderungen, in den Arterien spielen. Je mehr Autoantikörper nachweisbar waren, umso höher war das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Das konnten wir auch in einem Mausmodell für Atherosklerose, also einer Gefäßverkalkung, nachweisen. Diese Entdeckung ist bemerkenswert, denn sie zeigt, wie Autoimmunreaktionen die Herzgesundheit beeinflussen können", so Professorin Riemekasten.

    Im Rahmen der Studie haben die Wissenschaftler:innen mit der Firma CellTrend GmbH (Luckenwalde) zusammengearbeitet. CellTrend hat erstmalig ein Diagnostikum zum Nachweis von Antikörpern gegen CXCR3 entwickelt, stellte für die Untersuchungen ihren Test zur Verfügung und führte die Bestimmungen der CXCR3-Antikörper im Rahmen des Projektes durch. Das 1998 gegründete Unternehmen ist spezialisiert auf den Nachweis von Antikörpern gegen G-Protein-Gekoppelte-Rezeptoren (GPCR).

    Die im European Heart Journal publizierten Ergebnisse werden nun im Rahmen des BMBF-Zukunftsclusters „curATime“ weiter auf ihr Potenzial für die Entwicklung neuer Therapien untersucht. Das Ziel von curATime ist es, RNA-basierte Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln.

    Originalpublikation:
    F.S. Müller et al. Autoantibodies against the chemokine receptor 3 predict cardiovascular risk. European Heart Journal, 2023, S. ehad666.
    DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad666

    Mehr Informationen zur Gutenberg-Gesundheitsstudie:
    http://www.gutenberg-gesundheitsstudie.de/ghs/willkommen.html

    Kontakt:
    Univ.-Prof. Dr. Philipp Wild, Präventive Kardiologie und Medizinische Prävention; Klinische Epidemiologie und Systemmedizin, Universitätsmedizin Mainz,
    Telefon 06131 17-7163, E-Mail philipp.wild@unimedizin-mainz.de

    Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie Universi-tätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,
    Telefon 0451 500-45206, E-Mail: gabriela.riemekasten@uksh.de

    Pressekontakt:
    Dr. Natkritta Hüppe, Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Universitätsmedizin Mainz,
    Telefon 06131 17-7771, E-Mail pr@unimedizin-mainz.de

    Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 345.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 670 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter https://www.unimedizin-mainz.de.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Univ.-Prof. Dr. Philipp Wild, Präventive Kardiologie und Medizinische Prävention; Klinische Epidemiologie und Systemmedizin, Universitätsmedizin Mainz,
    Telefon 06131 17-7163, E-Mail philipp.wild@unimedizin-mainz.de

    Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie Universi-tätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck,
    Telefon 0451 500-45206, E-Mail: gabriela.riemekasten@uksh.de


    Originalpublikation:

    F.S. Müller et al. Autoantibodies against the chemokine receptor 3 predict cardiovascular risk. European Heart Journal, 2023, S. ehad666.
    DOI: https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad666


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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