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05.12.2023 10:21

Nebenwirkungen neuer Medikamente auf das Herz frühzeitig erkennen

Lena Bösch Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität

    Wissenschaftler*innen der Universitätsmedizin und der Universität Göttingen haben eine neue Methode entwickelt, mit der die Nebenwirkungen neuer Wirkstoffe und Therapieansätze auf das Herz besser vorhersagbar sind. Der Vorteil: Diese Methode greift bereits in einer sehr frühen Testphase, noch bevor es zur Testung im lebenden Organismus kommt. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Cardiovascular Research veröffentlicht.

    (umg/mbexc) Neu-entwickelte Medikamente und Therapieansätze haben häufig Nebenwirkungen auf das Herz. Vor der klinischen Erprobung und Anwendung steht daher die umfassende vorklinische Prüfung neuer Wirkstoffkandidaten, mit dem Ziel, potentielle Nebenwirkungen im Vorfeld bestmöglich auszuschließen. Derzeitige Verfahren erfassen jedoch meist nur einen Teil der möglichen Nebenwirkungen auf das Herz. Die Verbesserung der Testverfahren ist also essentiell, um das Risiko unerwünschter Begleiterscheinungen mit hoher Spezifität und Sensitivität vorherzusagen.

    Ein Team um Prof. Dr. Dr. Tobias Brügmann, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), in Kooperation mit Prof. Dr. Tim Salditt, Direktor des Instituts für Röntgenphysik der Universität Göttingen, beide Mitglieder im Exzellenz Cluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC), hat nun eine Möglichkeit entwickelt, frische Schnitte mit intaktem Herzgewebe über mehrere Tage in Kultur zu halten und dabei nachweislich die Vitalität und Funktionalität zu erhalten. Dies erlaubt es, die Effekte neuer potentieller Medikamente auf die elektrischen und kontraktilen Eigenschaften von Herzmuskelzellen und auf die allgemeine Gewebearchitektur zu erkennen, bevor die Wirkstoffe für Analysen im lebenden Organismus eingesetzt werden.

    Zur Methode

    Die Wissenschaftler*innen fertigen zunächst dünne (300 µm) Gewebeschnitte aus Schweineherzen an. Schweineherzen weisen eine sehr hohe Ähnlichkeit zu menschlichen Herzen auf, von denen es im Gegensatz zu anderen Organen kaum Möglichkeiten gibt, Proben für Wirkstoffstudien zu erhalten. Mit einem neu entwickelten Ansatz zur Kultivierung gelang es den Wissenschaftler*innen erstmals die Gewebeschnitte, die aus intaktem Herzmuskelgewebe bestehen, bis zu zwei Wochen lang in einem Brutschrank zu halten. Wie die Wissenschaftler*innen nachweisen konnten, bleibt über den gesamten Zeitraum nicht nur die äußere Form der Herzmuskelzellen erhalten, sondern auch ihre Vitalität und Funktionalität. Dies ist unbedingte Voraussetzung, um den Einfluss verschiedener Substanzen, wie beispielsweise neuer Wirkstoffe oder therapeutische Maßnahmen, zu erforschen. Die generelle Eignung des Testverfahrens wurde zunächst mit Medikamenten überprüft, deren Einfluss auf das Herz bereits bekannt und gut beschrieben ist. Im Anschluss testeten die Wissenschaftler*innen, ob sie unter mehreren Medikamenten diejenigen identifizieren können, die Nebenwirkungen auf das Herz haben, was in jeglicher Hinsicht gelang. „Die möglichst frühe und verlässliche Identifizierung unerwünschter Nebenwirkungen auf das Herz ist sehr wichtig, um später die Gesundheit der Patient*innen in klinischen Studien nicht zu gefährden. Außerdem trägt sie dazu bei, die Kosten in der Medikamentenentwicklung zu senken,“ erklärt Prof. Dr. Dr. Brügmann. „Wir sind nun in der Lage, Wirkstoffe und auch neue Therapieansätze vorab viel umfassender auf ihre Tauglichkeit für den späteren Einsatz in klinischen Studien zu testen“, so Brügmann.

    Der Göttinger Exzellenzcluster 2067 Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen (MBExC) wird seit Januar 2019 im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert. Mit einem einzigartigen interdisziplinären Forschungsansatz untersucht MBExC die krankheitsrelevanten Funktionseinheiten elektrisch aktiver Herz- und Nervenzellen, von der molekularen bis hin zur Organebene. Hierfür vereint MBExC zahlreiche universitäre und außeruniversitäre Partner am Göttingen Campus. Das übergeordnete Ziel ist: den Zusammenhang von Herz- und Hirnerkrankungen zu verstehen, Grundlagen- und klinische Forschung zu verknüpfen und damit neue Therapie- und Diagnostikansätze mit gesellschaftlicher Tragweite zu entwickeln.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
    Institut für Herz- und Kreislaufphysiologie
    Leiter Arbeitsgruppe Vegetative Optogenetik
    Prof. Dr. Dr. Tobias Brügmann
    Telefon 0551 / 39-65526
    tobias.bruegmann@med.uni-goettingen.de

    Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging (MBExC)
    Dr. Heike Conrad (Kontakt – Pressemitteilung)
    Telefon 0551 / 39-61305
    heike.conrad@med.uni-goettingen.de


    Originalpublikation:

    Shi R, Reichardt M, Fiegle DJ, Küpfer LK, Czajka T, Sun Z, Salditt T, Dendorfer A, Seidel T, Bruegmann T (2023) Contractility measurements for cardiotoxicity screening with ventricular myocar-dial slices of pigs. Cardiovascular Research, Volume 119, Issue 14, October 2023, Pages 2469–2481. DOI: 10.1093/cvr/cvad141


    Weitere Informationen:

    https://mbexc.de/ - zum MBExC
    https://hkp.umg.eu/forschung/vegetative-optogenetik/ - zum Brügmann-Lab


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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