idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.12.2023 10:59

Gottfried Wilhelm Leibniz-Preise 2024

Bendikt Bastong Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

    Wichtigster Forschungsförderpreis in Deutschland geht an drei Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftler / Je 2,5 Millionen Euro Preisgeld / Verleihung am 13. März 2024 in Berlin

    Die neuen Trägerinnen und Träger des wichtigsten Forschungsförderpreises in Deutschland stehen fest: Der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erkannte heute drei Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftlern den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2024 zu. Sie waren zuvor vom zuständigen Auswahlausschuss aus 150 Vorschlägen ausgewählt worden. Von den zehn Preisträgerinnen und Preisträgern kommen zwei aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, drei aus den Lebenswissenschaften, vier aus den Naturwissenschaften sowie einer aus den Ingenieurwissenschaften. Die Ausgezeichneten erhalten jeweils ein Preisgeld von 2,5 Millionen Euro. Diese Gelder können die Preisträgerinnen und Preisträger bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden. Die Leibniz-Preise werden am 13. März 2024 in Berlin verliehen.

    Den „Förderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm“ der DFG für das Jahr 2024 erhalten:

    • Professor Dr. Dmitri Efetov, Experimentelle Festkörperphysik, LMU München
    • Professor Dr. Tobias Erb, Synthetische Mikrobiologie, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg, und Universität Marburg
    • Professor Dr. Jonas Grethlein, Klassische Philologie, Universität Heidelberg
    • Professor Dr. Moritz Helmstaedter, Neurowissenschaften, Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main
    • Professorin Dr. Ulrike Herzschuh, Geoökologie, Alfred-Wegener-Institut, Potsdam, und Universität Potsdam
    • Professor Dr. Eike Kiltz, Kryptographie, Universität Bochum
    • Professorin Dr. Rohini Kuner, Neuropharmakologie, Universität Heidelberg
    • Professor Dr. Jörn Leonhard, Neuere und Neueste Geschichte, Universität Freiburg
    • Professor Dr. Peter Schreiner, Organische Molekülchemie, Universität Gießen
    • Professorin Dr. Eva Viehmann, Mathematik, Universität Münster

    Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2024 sind bislang insgesamt 418 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 133 in die Naturwissenschaften, 122 in die Lebenswissenschaften, 99 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 64 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 445 Nominierte den Preis erhalten, darunter 371 Wissenschaftler und 74 Wissenschaftlerinnen.

    Zwei Leibniz-Preisträgerinnen und zehn Leibniz-Preisträger haben nach der Auszeichnung mit dem wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland auch den Nobelpreis erhalten: 1988 Professor Dr. Hartmut Michel (Chemie), 1991 Professor Dr. Erwin Neher und Professor Dr. Bert Sakmann (beide Medizin), 1995 Professorin Dr. Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin), 2005 Professor Dr. Theodor W. Hänsch (Physik), 2007 Professor Dr. Gerhard Ertl (Chemie), 2014 Professor Dr. Stefan W. Hell (Chemie), 2020 Professorin Dr. Emmanuelle Charpentier (Chemie) und Professor Dr. Reinhard Genzel (Physik), 2021 Professor Dr. Benjamin List (Chemie), 2022 Professor Dr. Svante Pääbo (Medizin) sowie 2023 Professor Dr. Ferenc Krausz (Physik).

    Die Leibniz-Preisträgerinnen und -Preisträger 2024 im Kurzporträt:

    Professor Dr. Dmitri Efetov, Experimentelle Festkörperphysik, LMU München

    Dmitri Efetov erhält den Leibniz-Preis 2024 für seine Pionierarbeiten zur Herstellung von großflächig homogenem „magisch“ verschränktem Graphen, das sind dünne Kohlenstoffeinzelatomschichten. Wenn zwei solche Graphen-Schichten gegeneinander verdreht werden, entsteht ein sogenanntes Moiré-Muster mit einem periodischen Potenzial und einer neu aufgeprägten Bandstruktur der Energieniveaus. Bei einem Winkel von genau 1,1 Grad, der den verschränkten Graphen-Schichten den Beinamen „magisch“ eingebracht hat, treten neue physikalische Phänomene wie supraleitende, magnetische und isolierende Zustände ein. Efetov konnte mit diesen Arbeiten grundlegende neue Erkenntnisse über verschiedene Quanteneffekte gewinnen. Graphen ist dabei vor allem ein Modellsystem, mit dem komplexe Effekte untersucht und künftig verstanden werden können, beispielsweise die Hochtemperatur-Supraleitung: Materialien aus verschränktem Graphen können anders als die bisher verwendeten Kupferleitungen Strom ganz ohne Widerstand leiten. In Zukunft könnten sie daher herkömmliche Hochspannungskabel ersetzen.

    Nachdem Dmitri Efetov bis 2007 an der ETH Zürich Physik studiert hatte, wurde er 2014 an der Columbia University (USA) promoviert. In seiner darauffolgenden dreijährigen Postdoc-Phase am Massachusetts Institute of Technology (MIT) konnte er erstmals einen graphenbasierten Einzelphotonendetektor realisieren. Es folgte ein fünfjähriger Aufenthalt als Assistenzprofessor am Institute of Photonic Sciences (ICFO) in Barcelona. Dort gelang es ihm und seiner Gruppe als drittes Forschungsteam weltweit, Supraleitung in Graphen mit magischem Winkel nachzuweisen. Seit 2021 ist er W3-Professor für Experimentalphysik an der LMU München. Efetov erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zudem konnte er 2020 einen ERC Starting Grant einwerben.

    Professor Dr. Tobias Erb, Synthetische Mikrobiologie, Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie, Marburg, und Universität Marburg

    Der Leibniz-Preis für Tobias Erb würdigt seine herausragenden Arbeiten in der synthetischen Biologie, in denen er natürliche metabolische Prozesse analysiert und gezielt nutzt, um daraus neuartige Enzymfunktionen zu generieren. Sein besonderes Augenmerk gilt dabei der Kohlenstoffdioxid-Fixierung, einem Thema von größter gesellschaftlicher Relevanz. Durch photosynthetische CO2-Fixierung in Pflanzen, dem sogenannten Calvin-Zyklus, werden netto fast 70 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr gebunden und damit der Atmosphäre entzogen. Neben Pflanzen nutzen auch Algen und viele Bakterien den Calvin-Zyklus. Obwohl dieser und weitere natürlich entstandene Stoffwechselwege erhebliche Mengen an CO2 binden, könnten sie theoretisch sogar noch effizienter arbeiten. Erb sucht daher nach neuen CO2-bindenden Enzymen, um sie zur Kohlenstoff-Fixierung einzusetzen. Auf diese Weise will er mit seiner Arbeitsgruppe künstliche Fixierungswege entwerfen, die natürlichen Wegen überlegen sind. Erb gelang es beispielsweise schon jetzt, bestimmte Enzyme in Pflanzen einzubringen und damit einen CO2-Konzentrierungsmechanismus zu etablieren, der zu einer signifikanten Steigerung der Photosynthese führte.

    Nach seiner Promotion an der Universität Freiburg und der Ohio State University (USA) ging Erb zunächst mit einem DFG-Stipendium an die University of Illinois Urbana-Champaign (USA). Im Anschluss wechselte er an die ETH Zürich; hier war er zunächst Fellow, später Nachwuchsgruppenleiter. 2014 wurde er Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg, das er seit 2017 als geschäftsführender Direktor leitet. Zudem ist er seit 2018 Professor an der Universität Marburg. Seine wegweisenden Arbeiten wurden bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Future Insight Prize der Merck KGaA 2022 sowie dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis der DFG im Jahr 2016.

    Professor Dr. Jonas Grethlein, Klassische Philologie, Universität Heidelberg

    Mit seinen Arbeiten zur Narratologie antiker Erzählformen, zur antiken Ästhetik und zum Verhältnis von Geschichtsbild und Erfahrung in erzählenden und historiographischen Texten der Antike hat Jonas Grethlein die Entwicklung nicht nur der Klassischen Philologie, sondern auch der Literatur-, Kultur- und Geschichtswissenschaften wesentlich beeinflusst. Für diese Leistung wird er mit dem Leibniz-Preis 2024 ausgezeichnet. Den Ausgangspunkt und Kern aller Arbeiten Grethleins, einem der führenden Gräzisten weltweit, bilden eingehende Interpretationen von Texten aus nahezu allen Gattungen der antiken griechischen Literatur. Dabei interpretiert er die antiken Texte oftmals mithilfe von modernen literatur- und kulturtheoretischen Ansätzen auf eine noch nicht da gewesene Art. So etwa orientierte Grethlein sich schon bei der Interpretation griechischer Tragödien in seiner Dissertation (2003) an der Fragestellung, welche Rolle das Asyl in Athen für die Konstruktion kultureller Identität spielte. Insgesamt umfasst sein wissenschaftliches Œuvre bereits elf Monographien – die jüngste, „Ancient Greek Texts and Modern Narrative Theory. Towards a Critical Dialogue“, erschien im Mai 2023. Die Antike erscheint darin, wie in all seinen Publikationen, aktuell und nah, weil sie in kritischen Dialog mit der Gegenwart tritt.

    Jonas Grethlein wurde 2002 in Freiburg im Breisgau in Lateinischer Philologie, Griechischer Philologie und Alter Geschichte promoviert und habilitierte sich 2005 am selben Ort. Von 2003 bis 2009 war er Nachwuchsgruppenleiter im Emmy Noether-Programm der DFG. Ab 2007 war er Assistant Professor an der University of California, Santa Barbara, bevor er 2008 von der Universität Heidelberg auf den Lehrstuhl in Griechischer Literaturwissenschaft berufen wurde. Grethlein erhielt 2006 den Heinz Maier Leibnitz-Preis der DFG sowie 2013 einen ERC Starting Grant zum Thema „Experience and Teleology in Ancient Narrative“. Rufe der University of St. Andrews (Schottland, 2012) und der Cambridge University (England, 2021) zeigen Grethleins weit über Deutschland hinaus reichende wissenschaftliche Reputation; er blieb Heidelberg jedoch treu.

    Professor Dr. Moritz Helmstaedter, Neurowissenschaften, Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main

    Moritz Helmstaedter wird der Leibniz-Preis für seine Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Neurowissenschaften zuerkannt, die zu einem grundlegend neuen Verständnis der dreidimensionalen Organisation und Funktion von Schaltkreisen des Gehirns von Säugetieren geführt haben. Helmstaedter konnte Instrumente und Technologien entwickeln, die einen systematischen und zugleich hochauflösenden Zugang zu den dicht gepackten neuronalen Netzwerken im Gehirn erlauben. Er ist damit einer der Begründer des Gebiets der Konnektomik, das aus der Rekonstruktion von Tausenden von Neuronen und deren synaptischer Verschaltungen die Grundprinzipien der Hirnorganisation erkennen lässt. Seine Analysen eines dichten lokalen Konnektoms von mehr als 200 000 Synapsen widerlegten die über Jahrzehnte gültigen Annahmen von der Funktionsweise neuronaler Konnektivität; aufgrund seiner Arbeiten geht die Wissenschaft nun von hochpräzisen Verschaltungen der einzelnen Synapsen aus. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, musste Helmstaedter eine Reihe methodischer Probleme lösen, etwa, wie sich große Gewebeproben bis hin zu ganzen Gehirnen aufbereiten lassen, um darin die Neuronenpopulation präzise erfassen zu können. So konnte er auch Fragen nach den prinzipiellen Unterschieden zwischen dem Gehirn des Menschen und dem Gehirn anderer Säugetierspezies beantworten.

    Seit 2014 ist Moritz Helmstaedter Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main. Er bekleidet zudem seit 2016 das Extraordinariat für Neuronal Networks an der Radboud University Nijmegen in den Niederlanden. Zuvor hatte er Rufe an den Janelia Research Campus in Virginia (USA) sowie an die ETH Zürich abgelehnt. Promoviert wurde der studierte Physiker und approbierte Arzt am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg. Helmstaedter wurde 2009 mit der Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft geehrt und hat 2013 die Bernhard Katz-Lecture gehalten, die die Beziehungen zwischen israelischen und deutschen Neurowissenschaften fördert.

    Professorin Dr. Ulrike Herzschuh, Geoökologie, Alfred-Wegener-Institut, Potsdam, und Universität Potsdam

    Für ihre herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geoökologie, mit denen sie zahlreiche Beiträge zum Einfluss von Klimafluktuationen in der jüngeren Erdgeschichte auf die Biodiversität und Funktionsweise von Polargebieten geleistet hat, erhält Ulrike Herzschuh den Leibniz-Preis. Herzschuhs Forschung im Spannungsfeld zwischen Geoökologie und Paläoklima ist derzeit besonders relevant, weil Informationen aus der jüngeren Erdgeschichte wichtige Schlüsse auf heutige Klimaentwicklungen zulassen. Um der wichtigen Frage nach Langzeiteffekten und -konsequenzen von Klimaschwankungen nachzugehen, hat ihre Arbeitsgruppe zahlreiche innovative Forschungsmethoden angewendet und entwickelt. So hat sie zum Beispiel bei der Etablierung von Methoden zur Analyse fossiler DNA in See- und Meeressedimenten als Gradmesser für Biodiversitätsveränderungen eine federführende Rolle gespielt. Auch die Entwicklung neuer Vegetationsmodelle, basierend auf den Merkmalen einzelner Pflanzen, hat Herzschuh maßgeblich vorangetrieben. Im Rahmen aufwändiger Exkursionen zu einigen der entlegensten Orten der Erde konnte sie zudem Datensätze sammeln, die Zusammenhänge zwischen Klimaveränderungen und Biodiversitätsverteilung in der Erdgeschichte aufdecken.

    Ihre Promotion absolvierte Ulrike Herzschuh im Jahr 2004 an der FU Berlin und war danach zunächst an der University of Bergen in Norwegen tätig. 2005 wurde sie Juniorprofessorin an der Universität Potsdam. Seit 2012 leitet sie am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, die Sektion Polare Terrestrische Umweltsysteme und ist gleichzeitig Professorin der Universität Potsdam. Herzschuh wurde als deutsche Vertreterin in die internationalen Expertengremien „International Arctic Science Committee“ und „Conservation of Arctic Flora and Fauna“ gewählt. 2018 erhielt sie einen ERC Consolidator Grant.

    Professor Dr. Eike Kiltz, Kryptographie, Universität Bochum

    Eike Kiltz wird für seine grundlegenden und wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Public-Key-Kryptographie, die Theorie und Praxis nachhaltig geprägt haben, mit dem Leibniz-Preis 2024 ausgezeichnet. Public-Key-Kryptographie erlaubt es, Informationen sicher zu verschlüsseln und über öffentliche Kanäle zu kommunizieren, sichere Verbindungen aufzubauen oder Dokumente digital zu signieren. Die Verschlüsselungstechnik beruht dabei auf der Primfaktorzerlegung großer Zahlen, die sich von herkömmlichen Computern nicht einfach lösen lassen. Die Sicherheit der Public-Key-Verfahren kann nur gewährleistet werden, solange die Berechnung der zugrundliegenden mathematischen Probleme nicht effizient durchführbar ist. Mit der Weiterentwicklung der Quantencomputer steigt in Zukunft die Berechnungsleistung und dadurch das Risiko, dass die verwendeten Schlüssel berechnet werden können. Daher sucht die Wissenschaft intensiv nach neuen kryptographischen Methoden, die auch beim möglichen Einsatz von Quantencomputern sicher wären. Kiltz legt mit seiner Arbeit die Grundlagen für diese neuen Verfahren. Ein von ihm entworfener Beweis hat sich als Grundlage für den Nachweis der Sicherheit neuer Verfahren etabliert. Mit zwei von ihm geleiteten Teams hat Kiltz Vorschläge für gitterbasierte kryptographische Verfahren entwickelt, die vom US-amerikanischen National Institute of Standards and Technology als künftige Standards für die Post-Quantum-Kryptographie ausgewählt wurden.

    Im Jahr 2004 wurde Eike Kiltz an der Ruhr-Universität Bochum in Mathematik promoviert, danach trat er einen einjährigen Aufenthalt als Postdoktorand an der University of California, San Diego, an. Im Anschluss wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Centrum Wiskunde & Informatica in Amsterdam, bevor er 2010 einem Ruf zurück an die Universität Bochum folgte. Dort hat er den Lehrstuhl für Kryptographie inne und leitet heute als einer der Sprecher den Exzellenzcluster „Cyber-Sicherheit im Zeitalter großskaliger Angreifer (CASA)“. Seine Forschungen wurden unter anderem mit einem ERC Consolidator Grant (2013) und einem ERC Advanced Grant (2021) gefördert.

    Professorin Dr. Rohini Kuner, Neuropharmakologie, Universität Heidelberg

    Der Leibniz-Preis für Rohini Kuner würdigt ihre bahnbrechenden Arbeiten zu Mechanismen, die chronischen Schmerzen zugrunde liegen. Kuner hat sich dem Thema Schmerzforschung bereits während ihrer Promotion in den USA zugewandt und forscht bis heute daran, die Ursachen chronischer Schmerzen zu identifizieren und pharmakologisch adressieren zu können. Ihre Beiträge zu den Mechanismen der Schmerzsignalweiterleitung und Schmerzübertragung auf das zentrale Nervensystem bilden hierbei eine wichtige Grundlage. Während sich ein Großteil der Schmerzforschung weltweit auf einzelne Moleküle konzentriert, verfolgt Kuner umfassendere systemische Ansätze und zielt dabei vor allem auf die Neuroplastizität, also die Veränderbarkeit neuronaler Verbindungen im Nervensystem, die chronischen Schmerzen zugrunde liegt. Mithilfe experimenteller Ansätze wie neurogenetischer und optogenetischer Techniken oder Methoden wie In-vivo-Bildgebung und dreidimensionaler Elektronenmikroskopie konnte sie zentrale neurale Bahnen der Schmerzübertragung bestimmen. Zuletzt beschäftigte Kuner sich mit Mechanismen neuropathischer Schmerzen, die nach der Durchtrennung von Nerven entstehen, auch bekannt als „Phantomschmerz“.

    Rohini Kuner hat Pharmazeutische Biotechnologie an der University of Mumbai (Indien) studiert und wurde 1994 an der University of Iowa (USA) promoviert. Danach war sie bis 1998 Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung in Heidelberg, bevor sie für zwei Jahre bei BASF-Lynx (Axaron AG) in Heidelberg tätig war. Ab 2002 leitete sie eine DFG-geförderte Emmy Noether-Gruppe am Institut für Pharmazie der Universität Heidelberg, wo sie sich 2005 auch habilitierte. 2006 wurde sie am selben Ort Professorin für Pharmazie und Toxikologie. Kuner erhielt eine Reihe wichtiger Forschungspreise, darunter einen ERC Advanced Grant im Jahr 2011.

    Professor Dr. Jörn Leonhard, Neuere und Neueste Geschichte, Universität Freiburg

    Jörn Leonhard erhält den Leibniz-Preis für seine Arbeiten auf dem Gebiet der europäischen und transatlantischen Kultur- und Politikgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Seine Beiträge zur Sprach- und Begriffsgeschichte des europäischen Liberalismus, zum Zusammenhang von Empire und Nationalstaat sowie zur Geschichte und Nachgeschichte des Ersten Weltkriegs haben der Geschichtswissenschaft neue Wege erschlossen und werden weltweit rezipiert. Schon in seiner preisgekrönten Dissertationsschrift zum Liberalismus im Europa des 19. Jahrhunderts gelang es ihm, die von diesem Denkmuster ausgehenden Prägungen unserer Gegenwart herauszuarbeiten. In seiner Habilitationsschrift zum Zusammenhang zwischen Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten zwischen 1750 und 1914 konnte er Aspekte der Begriffs-, Kultur- und Politikgeschichte erneut sinnvoll verbinden. Mit den darauffolgenden Monografien „Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs“ sowie „Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918–1923“ stellte Leonhard die internationalen Forschungen zur Kriegs- und Nachkriegszeit zwischen 1914 und 1924 auf eine neue Grundlage. Seine Herangehensweise beruht dabei vor allem auf konzeptioneller Präzision, empirischer Dichte und einer methodischen Offenheit und Multiperspektivität.

    Dem Studium der Geschichte, Politischen Wissenschaft und Germanistik in Heidelberg und Oxford ließ Jörn Leonhard 1998 eine Promotion an der Universität Heidelberg folgen. Nach seiner Habilitation in Neuerer Geschichte, ebenfalls in Heidelberg, verbrachte er eine kurze Zeit an der Universität Jena, bevor er 2006 einem Ruf auf den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas der Universität Freiburg folgte. Trotz vieler Rufe blieb er der Universität Freiburg bis heute treu, wo er von 2007 bis 2012 auch als Gründungsdirektor des Freiburg Institute of Advanced Studies (FRIAS) wirkte. Seine Forschungen wurden vielfach ausgezeichnet, etwa mit der Werner-Heisenberg-Medaille der Alexander von Humboldt-Stiftung.

    Professor Dr. Peter Schreiner, Organische Molekülchemie, Universität Gießen

    Für seine herausragenden Arbeiten in der Physikalischen Organischen Chemie, mit denen er wegweisende Beiträge zur Reaktionskontrolle geleistet hat, wird Peter Schreiner der Leibniz-Preis 2024 zuerkannt. Schreiner hat durch seine Forschungen den Überschneidungsbereich der organischen, physikalischen und theoretischen Chemie nachhaltig geprägt und beeinflusst. Mit seinen Veröffentlichungen gelang es ihm, die „Tunnelkontrolle“ chemischer Reaktionen nachhaltig im Fachgebiet zu etablieren. Dabei handelt es sich um eine bis dahin unentdeckte Triebkraft, mit der sich chemische Reaktionen in eine Richtung lenken lassen, die weder durch das etablierte Prinzip der kinetischen Kontrolle (in Richtung der Reaktion mit der geringsten Barriere) noch durch das der thermodynamischen Kontrolle (in Richtung der energetisch günstigsten Reaktion) vorhergesagt worden wären. Darüber hinaus konnten Schreiner und seine Forschungsgruppe mithilfe synthetisierter Verbindungen und begleitender theoretischer Berechnungen nachweisen, dass chemische Reaktionen – darunter auch sehr fundamentale – maßgeblich durch die sogenannte Dispersions-Wechselwirkung beeinflusst werden. In Lehrbüchern war diese Wechselwirkung zuvor noch als „schwach“ in ihrer Relevanz für chemische Abläufe beschrieben worden. Diese Erkenntnisse haben weitreichende Bedeutung etwa bei der Synthese neuer Materialien.

    Peter Schreiner hat seit 2002 einen Lehrstuhl am Institut für Organische Chemie der Universität Gießen inne. Zuvor war er zwei Jahre Associate Professor an der University of Georgia (USA). Seine Promotion schloss er 1994 in Organischer Chemie an der Universität Erlangen-Nürnberg ab und erwarb ein Jahr später zusätzlich einen PhD in Computerchemie, auch dies bereits in Georgia. Seine Postdoc-Zeit verbrachte er zwischen 1996 und 2000 an der Universität Göttingen. Seine Forschungsarbeiten wurden vielfach gewürdigt und gefördert, etwa mit der Adolf-von-Baeyer-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2017) oder durch einen ERC Advanced Grant (2022).

    Professorin Dr. Eva Viehmann, Mathematik, Universität Münster

    Mit Eva Viehmann erhält eine herausragende Mathematikerin den Leibniz-Preis für ihre einflussreichen Arbeiten zur arithmetischen algebraischen Geometrie im Rahmen des Langlands-Programms. Das 1967 von Robert Langlands aufgestellte Programm besteht aus einer Reihe von weitreichenden Vermutungen, die die Zahlentheorie und die Darstellungstheorie miteinander verknüpfen. Das Programm gehört zu den faszinierendsten der theoretischen Mathematik und ist noch längst nicht vollständig erforscht. Es umfasst scheinbar geheimnisvolle Verbindungen zwischen Primzahlen, ganzzahligen Lösungen von Polynomgleichungen und „Arithmetik“ auf der einen Seite und der harmonischen Analysis von Schwingungen und Spektren auf der anderen Seite. Viehmann bringt dieses Forschungsfeld mit ihren Arbeiten erheblich voran. Dabei entwickelt sie ein reiches geometrisches Verständnis der auftretenden Parameterräume, beispielsweise zu deren Dimensionen in geeigneter Zerlegung („Stratifizierung”). Zudem ist Viehmann Urheberin der Theorie im Falle von Körpern gleicher Charakteristik; auch hier hat sie die Stratifizierung entschlüsselt. Eine ihrer Stärken ist dabei das Herausarbeiten von gruppentheoretischen Formulierungen hinter verschiedenen Strukturen, Phänomenen und Konstruktionen.

    Nachdem Eva Viehmann 2005 an der Universität Bonn promoviert wurde, hat sie sich nach Forschungsaufenthalten in Orsay bei Paris und Chicago auch in Bonn habilitiert (2010). Kurz war sie Stipendiatin im Heisenberg-Programm der DFG, bevor sie 2012 auf eine Professur an die TU München wechselte. Seit 2022 hat sie einen Lehrstuhl für Arithmetische Geometrie und Darstellungstheorie an der Universität Münster inne und forscht dort im Rahmen des Exzellenzclusters „Mathematics Münster: Dynamics – Geometry – Structure“. 2012 wurde sie mit dem von Kaven-Preis der DFG ausgezeichnet und zudem mit einem ERC Starting Grant (2011) und einem ERC Consolidator Grant (2018) gefördert.

    Weiterführende Informationen

    Terminhinweis:
    Die Verleihung der Leibniz-Preise findet am 13. März 2024 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt. Medienvertreterinnen und -vertreter erhalten eine gesonderte Einladung.

    Medienkontakt:
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109, presse@dfg.de

    Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
    Dr. Christina Elger, Wissenschaftliche Preise der DFG, Tel. +49 228 885-3117, christina.elger@dfg.de

    Weitere Informationen zum Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm sowie ab Anfang des neuen Jahres zu den Preisträgerinnen und Preisträgern 2024 finden sich unter:
    www.dfg.de/leibniz-preis


    Weitere Informationen:

    http://www.dfg.de/leibniz-preis


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).