Die Präferenzen der Bevölkerung in Deutschland bezüglich der Einwanderungspolitik sind nuancierter als bisher angenommen – und es ist möglich, gegensätzliche Parteien an einen Tisch zu bringen. Das belegen Soziologen und Politikwissenschaftler der Universität Mannheim und der New York University in einer aktuellen Untersuchung.
Das Thema Migration bestimmt immer stärker die Politik – und wird in der Bevölkerung mit zunehmender Vehemenz diskutiert. Befürworter*innen argumentieren, dass sich der Fachkräfte- und Personalmangel ohne Zugewanderte weiter verschärfen wird. Gegner*innen befürchten, dass zunehmende Einwanderung die Aufnahmekapazität des Landes sprengen wird. Eine neue Studie unter der Leitung des Mannheimer Soziologen Prof. Dr. Marc Helbling und des Mannheimer Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Richard Traunmüller belegt, dass die Präferenzen der Menschen bezüglich der Einwanderung – neben der schieren Anzahl der Zugewanderten – von zwei Faktoren abhängen: den Einreisekriterien sowie den Teilhaberechten, die eingereiste Migrant*innen in Deutschland bekommen. Die in der Fachzeitschrift Comparative Political Studies erschienene Studie wurde gemeinsam mit Prof. Rahsaan Maxwell, Ph.D. von der New York University verfasst.
„In der Bewertung der Migrationspolitik spielt gegenwärtig die schiere Anzahl der Personen, die ins Land einreisen dürfen, die größte Rolle“, erklärt Helbling. „Eine umfassende Einwanderungspolitik sollte jedoch auch berücksichtigen, wer ins Land einreisen darf und welche Rechte die Menschen genießen sollten.“ Trotz der engen Verbindung zwischen diesen beiden Aspekten der Einwanderungspolitik würden sie in der Forschung meist getrennt untersucht – ohne zu schauen, ob Präferenzen für die eine Dimension davon abhängen, wie die Politik in Bezug auf die andere Dimension aussieht. „Mit unserer Studie beschreiten wir neue Wege“, so Traunmüller.
Die Studie zeigt, dass Migrationskritiker*innen mit 40-prozentiger Wahrscheinlichkeit dazu bereit wären, eine größere Zahl an Menschen ins Land zu lassen, wenn die Einreisekriterien verschärft würden. Strengere Einreisekriterien würden beispielsweise bedeuten, dass Migrant*innen mit geeigneten Qualifikationen bei der Ausstellung von Aufenthaltsgenehmigungen priorisiert werden.
Unter den Befürworter*innen von Migration kann sich jeder Dritte eine restriktivere Migrationspolitik vorstellen, wenn dafür im Gegenzug Teilhaberechte, wie der Zugang zu Sozialleistungen und die Teilnahme am Arbeitsmarkt von Migrant*innen, großzügiger bemessen würden.
Wie dies konkret aussehen könnte, zeigt eine weitere Studie, welche die Autoren in Zusammenarbeit mit Felix Jäger in der Fachzeitschrift International Migration Review veröffentlicht haben. Dort wird deutlich, dass Personen, die Präferenzen für mehr oder weniger Einwanderung haben, ziemlich ähnliche Vorstellungen haben, wie Integration stattzufinden hat. So finden Befürworter*innen und Gegner*innen gleichermaßen, dass Migrant*innen möglichst gut die Sprache lernen, Integrationskurse besuchen und nicht vom Sozialstaat abhängig sein sollen. Gleichzeitig sollen sie dieselben Rechte wie Einheimische auf dem Arbeitsmarkt bekommen und die Möglichkeit haben, ihre Arbeitserlaubnis zu verlängern.
Für ihre aktuelle Studie haben die Autoren mehrere Umfrageexperimente ausgewertet, an denen fast 10 000 Personen aus Deutschland zwischen 2020 und 2023 teilgenommen haben. Dabei sollten sie bestimmte Politikvorschläge einschätzen.
„In der Migrationsdebatte entsteht häufig der Eindruck, dass die Positionen beider Lager unvereinbar sind. Unsere Studie zeigt jedoch, dass es durchaus möglich ist, Befürworter*innen und Gegner*innen an einen Tisch zu bringen“, so Helbling. Laut Studie sähe der von den meisten Menschen begrüßte Kompromiss vor, die Gesamtzahl der Zugewanderten zu reduzieren, die Einreisekriterien zu verschärfen und die Teilhaberechte von Migrant*innen in Deutschland zu erweitern.
Prof. Dr. Marc Helbling
Professur für Soziologie mit Schwerpunkt Migration und Integration
Universität Mannheim
E-Mail: helbling@uni-mannheim.de
Helbling, M., Traunmüller, R. & Maxwell, R. (2023). Numbers, Selectivity, and Rights: The Conditional Nature of Immigration Policy Preferences. Comparative Political Studies.
https://doi.org/10.1177/00104140231178737
Helbling, M., Jäger, F., Maxwell, R. & Traunmüller, R. (2023). Broad and Detailed Agreement: Public Preferences for German Immigration Policy. International Migration Review. https://doi.org/10.1177/01979183231216076
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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