idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
23.01.2024 10:16

One-Stop-Shop: Lotse für energetische Gebäudesanierung

Anna Riesenweber Kommunikation
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

    Damit die Europäische Union (EU) bis 2050 klimaneutral wird, hat sie sich im Zuge der Reform der Gebäuderichtlinie Ende 2023 auf strengere Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die überarbeitete Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten unter anderem auf, zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierungen zu schaffen. Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren im Rahmen des Projekts ProRetro im Vorfeld der Einigungen der EU schon mit der Frage beschäftigt, wie Sanierungen mithilfe von sogenannten One-Stop-Shops deutlich einfacher und zeitsparender werden.

    Der im Dezember 2023 gefundene Kompromiss zur Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) enthält hinsichtlich der Energieeffizienz verschiedene Maßnahmen, um die europaweit notwendige Renovierungswelle voranzubringen. Eine dieser Maßnahmen sind sogenannte One-Stop-Shops. Sie dienen als zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierung und übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben, die sich bei einer energetischen Sanierung ergeben. So werden Immobilien-Eigentümer*innen durch den gesamten Sanierungsprozess begleitet, wodurch sich der oftmals komplexe Prozess mit seinen vielen Einzelschritten und Wechselwirkungen zwischen diesen vereinfachen lässt. Eigentümer*innen werden so beispielsweise bei Energieberatung, Finanzierung und Fördermitteln, Beauftragung verschiedener Gewerke und bei der Koordination der Arbeitsschritte unterstützt. Aber auch Handwerksbetriebe oder Planer*innen können von One-Stop-Shops profitieren: Sie sparen Zeit für Beratung und Akquise, wenn sie bereits auf informierte und entschiedene Kund*innen treffen. 

    One-Stop-Shop-Konzept: Herausforderungen und Praxistest in Deutschland

    Felix Suerkemper, Senior Researcher im Forschungsbereich Energiepolitik am Wuppertal Institut, übernahm innerhalb des Projekts unter anderem die Koordination und wissenschaftliche Begleitung. Er erklärt: „In anderen europäischen Ländern gibt es bereits ambitionierte One-Stop-Shop-Angebote, die erfolgreich am Markt agieren.” Jedoch stellen sich bei einer Übertragung dieser Geschäftsmodelle auf deutsche Gegebenheiten einige Herausforderungen, weiß der Wissenschaftler: “Auf der Angebotsseite ist der Markt mit zahlreichen Handwerksunternehmen unterschiedlicher Gewerke, Architekt*innen und Energieberatenden sehr kleinteilig. Für viele dieser Akteur*innen ist ihre Unabhängigkeit zudem ein hohes Gut. Dank ProRetro konnten wir in den vergangenen Jahren erproben, wie und welche One-Stop-Shop-Angebote auch unter derartigen Rahmenbedingungen möglich sind.“

    Die Forschenden des Wuppertal Instituts unterstützten die Arbeit der Umsetzungspartner beispielsweise durch eine Online-Befragung potenzieller Kund*innen und kümmerten sich um die Durchführung von Fokusgruppen mit interessierten Gebäudeeigentümer*innen. Mit dieser Hilfe konnten alle deutschen Durchführungsorganisationen eigene Angebote für Gebäudeeigentümer*innen in den fünf Regionen entwickeln und erproben. Ziel von ProRetro war es, dass sie auf Basis ihrer bisherigen Erfahrungen und bestehenden Netzwerke neue Angebote schaffen.

    In den folgenden fünf Städten und Regionen Deutschlands wurden One-Stop-Shops umgesetzt und erprobt:

    – In Berlin konzentrierte sich das Angebot des One-Stop-Shops insbesondere auf Wohnungseigentümergemeinschaften. Zu den angebotenen Dienstleistungen zählte die Teilnahme an Eigentümer*innen-Versammlungen, um die Entscheidungsfindung hinsichtlich energetischer Sanierungsmaßnahmen und deren Umsetzung zu unterstützen.

    – Auch das One-Stop-Shop-Angebot der Energieagentur Kreis Böblingen wandte sich an Wohnungseigentümergemeinschaften im Landkreis. Sie wurden beim Sanierungsprozess begleitet und unterstützt; zudem wurde eine Datenbank von Handwerksunternehmen im Landkreis aufgebaut, in der sich schneller geeignete Unternehmen für die Umsetzung der gewünschten Maßnahmen finden lassen.

    – In Bottrop wurde eine erweiterte Beratung angeboten, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Sanierungsprozess in Anspruch genommen werden kann.

    – In der Region Hannover entstand der One-Stop-Shop in Kooperation mit dem Netzwerk Modernisierungspartner, in dem sich zahlreiche Anbietende aus dem Feld der energetischen Gebäudesanierung zusammengeschlossen haben und dadurch umfassende energetische Sanierungen umsetzen können.

    – Die Raumfabrik aus Wuppertal vereint Handwerksunternehmen verschiedener Gewerke. Dank ProRetro können nun energetische Aspekte in allen ihren Sanierungsvorhaben stärker berücksichtigt werden – auch die Energieberatung ist inzwischen Bestandteil vieler Ersttermine.

    Ergebnisse bildeten Grundlage für Politikempfehlungen

    Die Projekterfahrungen diskutierten Vertreter*innen aus der Praxis im Rahmen eines Workshops in verschiedenen Arbeitsgruppen. Die erarbeiteten Ergebnisse haben die Forschenden des Wuppertal Instituts in einer ausführlichen Dokumentation zusammengefasst, die auf der Website des Projekts ProRetro zu finden ist. Sie bilden auch die Grundlage für Politikempfehlungen, die zum Abschluss des Projekts veröffentlicht wurden. 
    
„Das Projekt hat bestätigt: One-Stop-Shops sind entscheidend dafür, die vielfältigen praktischen Hemmnisse zu überwinden, denen Gebäude-Eigentümer*innen und andere Akteursgruppen bei der energetischen Renovierung gegenüberstehen. Daher empfehlen wir der Bundesregierung dringend, die Einrichtung derartiger One-Stop-Shops in Deutschland zu fördern”, sagt Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut.

    Zu den Empfehlungen an die Politik aus ProRetro zählt unter anderem die Entwicklung eines bundesweit einheitlichen digitalen Tools zu unterstützen, welches die Arbeit von One-Stop-Shops erleichtert. Ein solches digitale Tool könnte beispielsweise die Sammlung von Daten zu den zu sanierenden Gebäude unterstützen, als Online-Marktplatz für Sanierungsvorhaben dienen oder erfolgreich umgesetzte Sanierungen in einer Art Bibliothek von Beispielen guter Praxis präsentieren. Außerdem sollte die Politik ermutigt werden, One-Stop-Shops als geeignetes Instrument zu nutzen, um Förderangebote effektiver zu machen. So können One-Stop-Shops die Antragstellung für die Bürger*innen übernehmen, zugleich aber über ihre Aktivitäten auch die Bekanntheit und Nutzung bestehender Förderangebote verbessern.

    Über ProRetro

    ProRetro wurde durch die Europäische Kommission im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont 2020 der Europäischen Union (Grant Agreement Nr. 894189) finanziert und von Juni 2020 bis November 2023 durch ein Konsortium von 13 Partnerorganisationen unter Leitung des Wuppertal Instituts umgesetzt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    https://wupperinst.org/c/wi/c/s/cd/1035 | Jan Kaselofsky, Senior Researcher im Forschungsbereich Stadtwandel am Wuppertal Institut

    https://wupperinst.org/c/wi/c/s/cd/807 | Felix Suerkemper, Senior Researcher im Forschungsbereich Energiepolitik am Wuppertal Institut


    Originalpublikation:

    Wie können #Sanierungen deutlich einfacher und zeitsparender umgesetzt werden? Das @Wupperinst hat sich über 3 Jahre mit dieser Frage beschäftigt und sogenannte One-Stop-Shops einem Praxistext unterzogen. Von dieser zentralen Anlaufstelle profitieren Kund*innen und Planer*innen und das Handwerk gleichermaßen


    Weitere Informationen:

    https://proretro.eu/de/ | Website ProRetro
    https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/887 | Projekt ProRetro
    https://proretro.eu/wp-content/uploads/20240119_ProRetro_policy_brief_D6.7.pdf | ProRetro-Politikempfehlungen
    https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7539 | Zukunftsimpuls “CO2-neutrale Gebäude bis spätestens 2045” enthält Politikempfehlungen zu Förderprogramm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Bauwesen / Architektur, Energie, Politik, Psychologie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).