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31.01.2024 12:07

Grenzen der Wettervorhersage: Wie weit können wir in die Zukunft schauen?

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Studie bestätigt intrinsische Grenze der Wettervorhersage und zeigt verantwortliche Prozesse auf – Prognosen für mittlere Breiten können jedoch noch deutlich verbessert werden

    Hochwasser und Überflutungen, aber auch Hitzewellen und Dürren: Unwetterkatastrophen und Klimaextreme fordern nicht nur Menschenleben, sondern verursachen Jahr für Jahr Sachschäden in Milliardenhöhe. Wettervorhersagen und Schutzvorkehrungen haben daher für die Gesellschaft eine enorme Bedeutung und werden in Zukunft noch wichtiger werden. Allerdings gelangt die Vorhersagbarkeit des Wetters an eine natürliche Grenze – die ist jedoch bisher nicht erreicht. „Wir haben noch großes Potenzial, um die Wetterprognosen für die mittleren Breiten weiter zu verbessern“, sagt Privatdozent Dr. Michael Riemer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Aber ab einem bestimmten Punkt sind die Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Riemer hat mit Kollegen untersucht, wie gut Wettervorhersagen im günstigsten Fall sein können. Den Berechnungen zufolge wäre ein Zugewinn von vier bis fünf Tagen bei der Prognose möglich.

    Wettervorhersagen sind zuverlässiger geworden

    In unseren mittleren Breiten kann die allgemeine Wetterlage derzeit für sieben bis zehn Tage im Voraus recht gut vorhergesagt werden. Das war nicht immer so. Die Qualität der Prognosen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich verbessert: Heute ist eine 7-Tages-Vorhersage in etwa genauso gut wie eine Vorhersage für vier Tage vor 30 Jahren. Höhere Computerleistungen und neue Beobachtungen haben in der Vergangenheit zu der verbesserten Vorhersage beigetragen, aber trotzdem sind die Prognosen in manchen Fällen noch ausgesprochen schlecht. Dies liegt nicht nur an Schwächen der Vorhersagemethoden, sondern weil in einer chaotischen Atmosphäre manche Wetterlagen per se schwer vorhersagbar sind. Großräumige Sturmtiefs lassen sich zum Beispiel etwa sieben Tage im Voraus feststellen, bei Gewittern ist der Zeitraum wesentlich kürzer. Und je weiter die Prognosen nach vorne blicken, desto größer sind die Vorhersagefehler.

    Welche Prozesse sind für die Grenzen der Vorhersagbarkeit entscheidend?

    Dass es eine Grenze der Vorhersagbarkeit gibt, wird bereits seit den 1960er Jahren erforscht. Denn im Gegensatz zu den Gezeiten oder der Bahn von Planeten wohnt dem System Atmosphäre ein intrinsisches Limit inne, eine natürliche, ultimative Grenze der Vorhersagbarkeit. „Die Forschung kam immer wieder zu den gleichen Ergebnissen: Die Vorhersagbarkeit beträgt im besten Fall rund zwei Wochen“, so Michael Riemer, Meteorologe am Institut für Physik der Atmosphäre der JGU.

    Zusammen mit seinen Kollegen Dr. Tobias Selz und Prof. Dr. George Craig von der Ludwig-Maximilians-Universität München konnte er bestätigen, dass ein solches intrinsisches Limit existiert. Des Weiteren hat das Forscherteam untersucht, welche Prozesse dafür verantwortlich sind. „Die Vorhersagen werden“, so Riemer, „zurzeit am stärksten durch Fehler bei den Anfangsbedingungen beeinträchtigt. Wenn wir diese Anfangsbedingungen, mit denen wir unsere Computermodelle füttern, verbessern, dann werden auch die Vorhersagen besser.“

    Schmetterlingseffekt spielt bisher für Wetterprognose keine Rolle

    Das Team konnte anhand quantitativer Schätzungen zeigen, dass dazu die großskaligen Faktoren besser erfasst werden müssten, also Wind, Winddruck, Temperatur und der Strahlstrom. „Wir erreichen das intrinsische Limit, also die systemimmanente Grenze, wenn wir die Anfangsfehler hier um 80 bis 90 Prozent reduzieren“, so Riemer. Dadurch könnte der Zeitraum, für den zuverlässige Vorhersagen möglich sind, um vier bis fünf Tage gestreckt werden. Ist dieser 90-Prozent-Rahmen ausgeschöpft, ändert sich der Mechanismus und es sind nicht mehr die großskaligen Faktoren maßgeblich. Ab diesem Punkt dominiert der Schmetterlingseffekt das Geschehen. „Erst jetzt kommen Gewitter als Hauptträger des Schmetterlingseffekts ins Spiel.“ Dieser Effekt ist jedoch so klein, dass selbst ein schweres Gewitter die Zuverlässigkeit einer Wettervorhersage für die nächsten Tage derzeit nicht beeinflussen würde.

    Potenzial ist nicht ausgeschöpft: Investitionen in die Beobachtung der Atmosphäre lohnenswert

    Der Schmetterlingseffekt geht auf den US-amerikanischen Meteorologen Edward Lorenz zurück, der vor rund 60 Jahren postuliert hat, dass die Vorhersagbarkeit eines komplexen Systems wie der Atmosphäre begrenzt ist. Störungen, die zu klein sind, um beobachtet zu werden, können wachsen und das Wetter nach einer gewissen Zeit komplett verändern. „Die einzelnen Gewitterzellen sind im Grunde die Schmetterlinge in unserer Studie“, so Riemer. „Aber für eine Verbesserung der Vorhersagen müssen wir zunächst die großen Einflussfaktoren ins Visier nehmen.“ Hier würde es sich lohnen, die Beobachtung und Vermessung der Atmosphäre zum Beispiel mithilfe von Satelliten zu verbessern. Das Potenzial der Wettervorhersage ist also noch nicht ausgereizt und könnte in den kommenden Jahrzehnten noch erheblich verbessert werden.

    Video:
    https://vimeo.com/689185387
    Meteorologie in Mainz
    Video/©: UPAS Mainz

    Weiterführende Links:
    https://www.staff.uni-mainz.de/mriemer/meineSeite/Welcome.html - Priv.-Doz. Dr. Michael Riemer
    https://dynmet.ipa.uni-mainz.de/ – Arbeitsgruppe Dynamic Meteorology
    https://www.ipa.uni-mainz.de/ - Institut für Physik der Atmosphäre

    Lesen Sie mehr:
    https://presse.uni-mainz.de/aendert-sich-der-jetstream/ - Pressemitteilung „Ändert sich der Jetstream?“ (25.10.2023)
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    https://presse.uni-mainz.de/dfg-sonderforschungsbereich-untersucht-chancen-und-g... – Pressemitteilung „DFG-Sonderforschungsbereich untersucht Chancen und Grenzen der Wettervorhersage“ (23.05.2019)
    https://www.magazin.uni-mainz.de/mit-messy-dem-klima-auf-der-spur/ – JGU-Magazin-Beitrag „Mit MESSy dem Klima auf der Spur“ (19. Dezember 2018)
    https://presse.uni-mainz.de/neue-stiftungsprofessur-der-carl-zeiss-stiftung-zur-... – Pressemitteilung „Neue Stiftungsprofessur der Carl-Zeiss-Stiftung zur Umweltmodellierung im Klimasystem bewilligt“ (04.01.2016)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Priv.-Doz. Dr. Michael Riemer
    Dynamische Meteorologie
    Institut für Physik der Atmosphäre
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-20027
    E-Mail: mriemer@uni-mainz.de
    https://www.staff.uni-mainz.de/mriemer/


    Originalpublikation:

    Tobias Selz, Michael Riemer, George C. Craig
    The Transition from Practical to Intrinsic Predictability of Midlatitude Weather
    Journal of the Atmospheric Sciences, 12. Juli 2022
    DOI: 10.1175/JAS-D-21-0271.1
    https://journals.ametsoc.org/view/journals/atsc/79/8/JAS-D-21-0271.1.xml


    Bilder

    Gewitterzelle in der Nähe von Passau – aufgenommen spätnachmittags am 24. Juni 2016 aus einem Flugzeug
    Gewitterzelle in der Nähe von Passau – aufgenommen spätnachmittags am 24. Juni 2016 aus einem Flugze ...
    Volkmar Wirth / JGU


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Gewitterzelle in der Nähe von Passau – aufgenommen spätnachmittags am 24. Juni 2016 aus einem Flugzeug


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