Wie kann man die Qualität von ambulanter Psychotherapie messen? Was ist von dem neuen Verfahren zur Qualitätssicherung zu halten? Sind die erhobenen Daten wirklich vergleichbar? Darüber haben Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker sowie tiefenpsychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten auf dem Berufspolitischen Seminar der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. am 24. Februar 2024 diskutiert – ergänzt um die Sicht der Psychotherapie-Forschung, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der gesetzlichen Krankenkassen. Auch die Qualität von Online-Therapien und digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) war Thema.
Die Qualität von Psychotherapien soll messbar sein, damit Patientinnen und Patienten die Praxen und Einrichtungen vergleichen können. So will es der Gesetzgeber. Deshalb hat das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) ein neues Verfahren zur Qualitätssicherung für die ambulante Psychotherapie entwickelt. Anders als bei anderen Qualitätssicherungsverfahren in der Medizin soll dieses Verfahren aber zunächst erprobt werden, bevor es flächendeckend eingeführt wird. „Die Testphase ist eine Chance, das System möglicherweise verbessern zu können. Denn die Mess-Instrumente müssen der Komplexität von psychotherapeutischen Behandlungen gerecht werden“, sagte Birgit Jänchen-van der Hoofd, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. auf dem Berufspolitischen Seminar am vergangenen Wochenende. Dort stand die Qualität der ambulanten Psychotherapie im Mittelpunkt der Diskussionen. Eingeladen waren Referentinnen und Referenten von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem BKK Dachverband und aus der Psychotherapie-Wissenschaft.
Das neue Verfahren stützt sich auf die Erhebung konkreter Daten und beinhaltet zum einen eine Dokumentation der Behandlerinnen und Behandler am Ende der Therapie, zum anderen eine Befragung der Patientinnen und Patienten. Ab 2025 wird es in der Modellregion Nordrhein-Westfalen für sechs Jahre erprobt. Ein Schwachpunkt scheint eine fehlende „Risikoadjustierung“ zu sein. „Das heißt, bei der Auswertung wird die Schwere der Erkrankung nicht genügend berücksichtigt, sodass Praxen, die kränkere Patientinnen und Patienten behandeln, im Vergleich mit anderen Einrichtungen schlechter wegkommen“, erläuterte Jänchen-van der Hoofd. Sie ist Chefärztin der Abteilung für Psychosomatische Medizin an den Kliniken im Theodor-Wenzel-Werk in Berlin. Das könne eine negative Lenkungswirkung haben: „Patientinnen und Patienten mit chronifizierten Erkrankungen, mit Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen werden von den Praxen möglicherweise abgewiesen, um ein gutes Abschneiden nicht zu gefährden.“ Psychotherapien seien komplex und individuell – beim Vergleich der Therapeutinnen und Therapeuten bestehe die Gefahr, „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen.
Qualitätssicherung ist für die Psychotherapeutinnen und -therapeuten unabdingbar und nicht neu. „Mit dem bisherigen Antrags- und Gutachterverfahren leisten wir bereits eine so umfängliche Qualitätssicherung wie kaum ein anderer Bereich der Medizin“, betonte Ingrid Moeslein-Teising, die ebenfalls dem Vorstand der DGPT angehört. Bisher müssen die Behandelnden das Therapiekonzept vor Therapiebeginn in einem Bericht ausführlich darstellen und begründen, das anschließend von einer unabhängigen Gutachterin bzw. einem unabhängigen Gutachter noch einmal geprüft wird. „Mit zusätzlichen Inter- und Supervisionen sowie vielen Fortbildungen wird unsere Behandlungsqualität jetzt schon kontinuierlich gewährleistet“, so Moeslein-Teising.
Auf dem Berufspolitischen Seminar haben die beiden Psychotherapie-Forscher Prof. Cord Beneke und Dr. Matthias Volz von der Universität Kassel eine Alternative zu dem IQTIG-Verfahren vorgestellt, das zurzeit an 24 psychodynamischen Ausbildungsambulanzen praktiziert und erforscht wird. Dabei kommen 30 etablierte und geprüfte Test-Instrumente zum Einsatz. Es werden nicht nur einmalig Daten nach der Therapie erhoben, sondern auch vor und während der Behandlung. So besteht die Chance, die laufende Therapie mit Hilfe der Rückmeldungen zu verbessern.
Um die Qualität von Online-Psychotherapien ging es in dem Vortrag von Prof. Christiane Eichenberg von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien. Ihr Tenor: Die Qualität der therapeutischen Beziehung kann bei entsprechend geschulten Therapeuten auch während eines Online-Kontaktes gut sein, wenn die Therapeuten-Patienten-Beziehung bereits in Präsenz etabliert wurde. Die Qualität von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) war Thema des Vortrags von Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbands. Er kritisierte, dass die DiGAs teilweise ungeprüft auf den Markt kommen. Diese Fasttrack-Praxis stehe im Widerspruch zur komplexen Überprüfung der Zulassungsvoraussetzungen der kassenärztlichen Versorgung. „Der Nutzen muss klar bewiesen und nicht nur von den Herstellern behauptet werden“, so Knieps.
Birgit Jänchen-van der Hoofd, Vorsitzende der DGPT, birgit.jaenchen-van-der-hoofd@dgpt.de
Ingrid Moeslein-Teising, Vorstandsmitglied der DGPT, ingrid.moeslein-teising@dgpt.de
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