12. + 13. März 2024: Glücksspiel-Symposium der Forschungsstelle Glücksspiel / Ort: Uni Hohenheim, Audimax, Garbenstraße 30, 70599 Stuttgart & Live-Stream
Das Einzahlungslimit von 1.000 Euro monatlich bei Online-Glücksspielen wird durch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder aufgeweicht – womöglich unter dem Druck der Industrie, die die Konkurrenz durch illegale Anbieter beklagt. Was eigentlich dem Schwarzmarkt das Wasser abgraben sollte, könnte bei Glücksspielstörungen zu verstärkten Problemen führen, warnt Dr. Steffen Otterbach, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel, im Vorfeld des Symposiums Glücksspiel. Und Glücksspielstörungen seien weit verbreitet – rund 2,4 Prozent der Deutschen im Alter von 18-70 Jahren sind betroffen, so die Ergebnisse des aktuellen Glücksspiel-Surveys. Um dem zu begegnen, braucht es auch künftig gute Glücksspielforschung. Das Symposium findet am 12. und 13. März 2024 an der Universität Hohenheim in Stuttgart statt. Ein Live-Stream der Veranstaltung ist verfügbar. Infos: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/symposium
Die Zahl der Menschen, die von einer Glücksspielstörung betroffen sind, bleibt auf konstant hohem Niveau. Das zeigte der heute Morgen in Berlin vorgestellte Glücksspiel-Survey, der alle zwei Jahre durchgeführt wird. 2021 wurde er erstmals nicht mehr von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sondern vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) in Hamburg erstellt.
„Der Glücksspiel-Survey stellt für uns eine wichtige Grundlage in Bezug auf das Ausmaß von Glücksspielproblemen in Deutschland dar“, sagt Dr. Steffen Otterbach, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim. „Die Kritik, die der Survey in der jüngeren Vergangenheit erfahren hat, ist für uns als Forschende in diesem Ausmaß nicht nachvollziehbar.“
Kritisiert wurde durch ein von vier Verbänden in Auftrag gegebenes Gutachten unter anderem fehlende Transparenz, speziell das Fehlen eines Peer-Review-Verfahrens. „Hier wird ein Maßstab angelegt, der für wissenschaftliche Veröffentlichungen in Fachpublikationen gilt, bei Studien dieser Art aber nicht üblich ist.“
Glücksspiel-Survey des ISD Hamburg sorgt für bessere internationale Vergleichbarkeit
Selbstverständlich gebe es, wie bei jeder wissenschaftlichen Erhebung, auch beim Glücksspiel-Survey Verbesserungsmöglichkeiten, räumt Dr. Otterbach ein. „Eine Längsschnittstudie, also eine wiederholte Befragung derselben Personen – wie im Gegengutachten gefordert – ist beispielsweise absolut wünschenswert. Machbar ist dies jedoch erst mit einer entsprechenden Ressourcenausstattung.“
Die im Glücksspiel-Survey gewählte neue Methodik brachte Veränderungen hinsichtlich der Befragten und des Messinstruments, weshalb die Ergebnisse sich nur bedingt mit früheren Studien vergleichen lassen. „Bei dem neu eingesetzten Messinstrument, dem sogenannten DSM-5, handelt es sich um ein international anerkanntes Instrument zur Diagnose von psychischen Störungen – einschließlich problematischem Glücksspiel“, erläutert Dr. Otterbach. „Das ermöglicht eine bessere internationale Vergleichbarkeit, führt jedoch zu anderen Ergebnissen. Ein direkter Vergleich der Zahlen von 2021 mit 2019 ist daher nicht zweckmäßig. Erst der Vergleich mit den aktuellen Ergebnissen zu 2023 macht Sinn.“
Aufweichung des Einzahlungslimits könnte Probleme verschärfen
Deutlich werde unter dem Strich auf jeden Fall, dass die Zahl der Menschen mit Glücksspielstörungen besorgniserregend sei, so Dr. Otterbach. Ein Problem, das den Spielerschutz tangiert, besteht darin, dass sich einige Anbieter der Glücksspielbranche durch illegale Angebote unter Druck gesetzt fühlen. „Wie groß der Schwarzmarkt tatsächlich ist, kann man jedoch nur schwer beurteilen. Studien kommen hier zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen“, berichtet Dr. Otterbach.
„Um dem illegalen Spiel entgegenzuwirken, soll ausgerechnet die Aufweichung des anbieterübergreifenden Einzahlungslimits von 1.000 Euro dafür sorgen, den legalen Markt attraktiver zu machen“, so Dr. Otterbach. Bereits im vergangenen Jahr hat die Gemeinsame Glücksspielaufsichtsbehörde der Länder (GGL) bindende Rahmenregelungen herausgegeben, nach denen Spieler:innen künftig bis zu 10.000 Euro pro Monat einzahlen dürfen, sofern ihre „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ nachgewiesen ist. Unter bestimmten Auflagen können sogar Limits von bis zu 30.000 Euro gesetzt werden.
„Das könnte das Problem künftig verschärfen“, warnt Dr. Otterbach. „Für die meisten Menschen dürfte bereits das Limit von 1.000 Euro monatlich zu wirtschaftlichen Problemen führen.“ Um dem entgegenzuwirken, sei es von großer Bedeutung, problematisches Spielverhalten zu erkennen.
Gefährdungsmerkmale sind bekannt – zur sinnvollen Umsetzung fehlt noch Forschung
„Aus der Wissenschaft sind Gefährdungsmerkmale – sogenannte markers of harm – bekannt, die Hinweise auf ein potenziell problematisches Spielverhalten liefern können“, erklärt der Wissenschaftler. „Solche Merkmale wären zum Beispiel, dass Spieler:innen mehrere Zahlungsmittel verwenden, vorwiegend nachts spielen, ihre Limits ständig ändern oder beantragte Auszahlungen oft wieder stornieren.“
Welche konkreten Vorgaben und Schwellenwerte Anbieter laut der Regulierungsbehörde einhalten müssten, um Spieler:innen zu schützen, sei nicht transparent nachvollziehbar. „Das zeigt, dass wir auch weiterhin gute und solide Glücksspielforschung brauchen. Sie ist die Voraussetzung für eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende politische und gesellschaftliche Debatte und eine evidenzbasierte Regulierung“, so Dr. Otterbach.
Dabei sieht der Glücksspielstaatsvertrag 2021 für wissenschaftliche Forschung und deren Finanzierung durch die Bundesländer eine zentrale Rolle vor. „Leider steht auch die Vergabe der Mittel in der Kritik, die von den Ländern bereitgestellt werden“, berichtet Dr. Otterbach. „Diese Mittel sind ohnehin knapp bemessenen. Sie werden unter anderem durch die Gemeinsame Glücksspielaufsichtsbehörde der Länder (GGL) verteilt, die für die Überwachung und Regulierung des Online-Glücksspielmarkts zuständig ist.“ Die Vergabepraxis sei für viele universitäre Wissenschaftseinrichtungen unter anderem aufgrund der knappen Einreichungsfrist nicht geeignet.
Was gute Forschung künftig braucht und wie sie dazu beitragen kann, Spieler:innen besser zu schützen, wird auch ein Thema auf dem diesjährigen Symposium Glücksspiel sein.
Glücksspiel-Symposium am Di 12. und Mi 13. März 2024
Die Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen und blickt auf zwei Jahrzehnte erfolgreicher Glücksspielforschung zurück. Am 12. und 13. März 2024 beleuchtet ihre jährlich stattfindende Fachtagung den aktuellen Stand der Forschung und aktuelle Themen im Bereich Glücksspiel. Auf dem Programm stehen Fachvorträge zur Regulierung des Glücksspielmarkts, zum Spielerschutz und weitere aktuelle Themen der Glücksspielforschung.
Teilnehmen kann man sowohl vor Ort als auch digital per Live-Stream (ohne Interaktionsmöglichkeit). Programm, Anmeldung (für Pressevertreter:innen kostenfrei) und weitere Informationen unter https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/symposium
HINTERGRUND: Forschungsstelle Glücksspiel
Die 2004 gegründete Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim ist Pionierin der interdisziplinären Glücksspielforschung in Deutschland. Ziel ist es, durch originäre wissenschaftliche Forschung sowie durch Zusammenführung der Forschung aus verschiedenen Fachbereichen fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse für Entscheidungsträger:innen aus Politik, dem Hilfesystem und der Wirtschaft zu schaffen. Das Vernetzen unterschiedlicher Akteur:innen und der Wissenstransfer sind dabei zentrale Merkmale.
Ebenso spiegelt die fachübergreifende Zusammensetzung des Teams den multidisziplinären Charakter des Glücksspiels wider. Aktuelle Themenschwerpunkte reichen von algorithmenbasierten Systemen zur Früherkennung von Glücksspielproblemen über die Bewerbung von Glücksspiel in den sozialen Medien bis hin zu gesellschaftspolitischen Anliegen wie der Stigmatisierung von Glücksspieler:innen.
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
https://www.uni-hohenheim.de/presse
Text: Elsner
Dr. Steffen Otterbach, Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim,
T +49 (0)711 459 23425, E steffen.otterbach@uni-hohenheim.de
http://Forschungsstelle Glücksspiel: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/
http://Glücksspielsymposium: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/symposium
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Gesellschaft, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).