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14.03.2024 16:15

Nächster Meilenstein in der Behandlung von Lebertumoren sowie akuten und chronischen Lebererkrankungen

Bianca Hermle Kommunikation und Medien
Universitätsklinikum Tübingen

    Die Ergebnisse einer unter Tübinger Leitung durchgeführten Studie geben Anlass zur Hoffnung, dass ein neu entwickeltes Medikament eine neue Ära in der onkologischen Leberchirurgie und in der Lebertransplantation einläuten könnte. Der Wirkstoff könnte auch das Potenzial haben, die Behandlung akuter und chronischer Lebererkrankungen deutlich zu verbessern. Der Wirkstoffkandidat „HRX-215“ ist ein sogenannter MKK4-Inhibitor, der das in Leberzellen vorkommende Protein MKK4 hemmt und die Regeneration von Leberzellen steigert.Die Studienergebnisse wurden jetzt im renommierten Wissenschaftsjournal CELL publiziert.

    So konnten präklinische Studien in Maus- und Schweinemodellen zeigen, dass die durch den Inhibitor HRX-215 gesteigerte Leberregeneration bisher nicht mögliche Leberoperationen erlaubt. Bislang kann etwa bei fortgeschrittenen Lebertumoren nicht das gesamte betroffene Gewebe operativ entfernt werden, da es sonst in der restlichen Leber zu einem Leberversagen kommt. Die durch HRX-215 ermöglichte erweiterte Leberteilentfernung könnte dazu führen, dass auch Lebertumore in fortgeschrittenem Stadium vollständig entfernt werden könnten. Zudem könnte der Wirkstoff in der Lage sein, mehr Menschen mit einer lebensrettenden Lebertransplantation zu versorgen. Eine Phase I Studie in 48 gesunden Probanden zeigte eine ausgezeichnete Verträglichkeit des Medikamentes.

    Lebererkrankungen als wachsendes gesundheitliches Problem

    Lebererkrankungen stellen ein weltweites Gesundheitsproblem dar und sind für mehr als zwei Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Die Zahl der Todesfälle ist in den letzten Jahrzehnten um 50 Prozent gestiegen und wird sich in den kommenden 20 Jahren voraussichtlich verdoppeln. Obwohl die Leber eines der wenigen Organe ist, das sich selbst regenerieren kann, hat diese Eigenschaft Grenzen. Besonders bei chronischen und akuten Lebererkrankungen oder nach der operativen Entfernung eines Großteiles des Organs, können sich die Leberzellen nicht mehr ausreichend regenerieren. Die Konsequenz ist oftmals ein tödliches Leberversagen. Letzter Ausweg bei Lebererkrankungen im Endstadium ist auch heutzutage noch die Lebertransplantation.
    Aufgrund des Mangels an Spenderorganen können allerdings gerade einmal zehn Prozent aller betroffenen Patientinnen und Patienten eine lebensrettende Lebertransplantation erhalten.

    Klinische Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung

    Da es bislang keine Medikamente gab, welche die Regeneration einer geschädigten Leber steigern konnten, sind die publizierten Ergebnisse mit dem neuen Wirkstoff HRX-215 ein Meilenstein: „Die positiven Ergebnisse in Sachen Verträglichkeit bestätigen uns in unserem Vorhaben, in Zukunft ein Medikament anbieten zu können, welches das Potenzial hat, die Behandlung von akuten Lebererkrankungen zu revolutionieren“, betont Dr. Wolfgang Albrecht, Geschäftsführer des Tübinger Start-Up Unternehmens HepaRegeniX. Die aktuellen Ergebnisse und die Ausgründung von HepaRegeniX wurden maßgeblich durch Prof. Zenders wegweisende Entdeckung im Jahr 2013 ermöglicht. „Durch die Hemmung der Kinase MKK4 kann die Selbstheilungsfunktion einer geschädigten Leber angestoßen werden“, bringt Erstautor Stefan Zwirner die Erkenntnis auf den Punkt.

    Mögliche Lösung für Organspende-Mangel?

    „HRX-215 wäre nicht nur im Einsatz bei der chirurgischen Entfernung von Lebertumoren eine dringend benötigte Behandlungsoption, sondern würde auch dazu beitragen können, das große Problem des Organmangels im Bereich der Lebertransplantation zu überwinden“, zeigt Prof. Zender die Anwendungsmöglichkeiten auf. Lebendtransplantationen vom kleineren linken Teil der Leber eines gesunden Spenders wären eine Lösung, da die Entnahme für gesunde Spender nur ein geringes gesundheitliches Risiko birgt. Dieser Teil der Leber ist jedoch oftmals zu klein, um die Funktion der beim Empfänger entfernten Leber zu übernehmen. „Aufgrund der durch HRX-215 vermittelten schnellen Verstärkung der Leberregeneration gehen wir davon aus, dass die HRX-215-Behandlung eine sichere Transplantation kleiner linker Leberlappen in Erwachsenen ermöglichen würde“, führt Prof. Zender weiter aus. Dies müssen jedoch weitere klinische Studien zeigen.

    Akademisches Zentrum zur Wirkstoffentwicklung

    „Als wir 2017 mit der Wirkstoffentwicklung eines MKK4 Inhibitors starteten, ahnte keiner von uns, dass wir bereits vier Jahre später mit einer ersten klinischen Studie beginnen können und drei Jahre darauf die ersten Ergebnisse der Phase-I Studie präsentieren werden“, ergänzt Prof. Stefan Laufer, in dessen Arbeitsgruppe die medizinisch-chemischen Arbeiten zum ersten MKK4-Hemmer durchgeführt wurden. Die Entwicklung der MKK4 Inhibitoren ist eine Erfolgsgeschichte und unterstreicht die national und international führende Rolle des Standortes Tübingen im Bereich der Wirkstoffentwicklung und Optimierung. Mit dem Exzellenzcluster iFIT (Image Guided and Functionally Instructed Tumor Therapies) und dem Tübingen Center for Academic Drug Discovery & Development (TüCAD2), dessen Gründer und Sprecher Prof. Laufer ist, verfügt die Universität über eine einzigartige Plattform zur Identifizierung, Validierung und Entwicklung innovativer Arzneistoffkandidaten, die bereits mehrere Kandidaten zur Erstanwendung am Menschen gebracht hat.

    Deutsch-Amerikanische Kooperation

    Bevor der Wirkstoff innerhalb der Phase-I Studie and gesunden Probanden getestet wurde, kam dieser in Tiermodellen (Mäusen und Schweinen) zum Einsatz. Für die Studien in Schweinen wurde mit der Mayo Clinic (USA) mit Prof. Dr. Scott. L. Nyberg zusammengearbeitet, einem international renommierten Experten im Bereich der Transplantations- und Regenerativen Medizin. Sein Team konnte zeigen, dass durch den Einsatz von HRX-215 die Leberregeneration in den Tieren gesteigert und ein Leberversagen verhindert wurde, selbst nach Entnahme von 85 Prozent des Organs.


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.02.023


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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