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15.03.2024 09:30

Mit der nuklearen Uhr zu neuen Antworten

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Eine neue und genauere Art der Zeitmessung ist Ziel eines internationalen Forschungsprojekts, an dem die Würzburger Physikerin Adriana Palffy-Buß beteiligt ist. Das Ergebnis könnte auch bei der Suche nach Dunkler Materie helfen.

    Das globale Navigationssystem GPS, der digitale Datenverkehr im Telefonnetz, die Vermessung der Erde von Satelliten aus: All diese Techniken würden ohne exakte Zeitmesser nicht funktionieren. Hier kommt es auf wenige milliardstel Sekunden an, damit die Ergebnisse stimmen. Auch die Wissenschaft – speziell die Physik – ist auf extrem präzise Uhren angewiesen, wenn sie beispielsweise klären will, woraus dunkle Materie besteht oder ob Naturkonstanten tatsächlich konstant sind.

    Eine grundlegend neue Basis für solch einen hochpräzisen Zeitmesser steht im Mittelpunkt eines jetzt bewilligten internationalen Forschungsprojekts. Der Österreichische Wissenschaftsfonds FWF hat dafür Ende 2023 einen sogenannten Spezialforschungsbereich eingerichtet, vergleichbar mit einem Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

    Ausgestattet mit 3,1 Millionen Euro arbeiten dort in den kommenden vier Jahren Teams der Universität und der Technischen Universität Wien, des Institute of Science and Technology Austria und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zusammen. Von Würzburger Seite daran beteiligt ist Adriana Pálffy-Buß. Die Expertin für Röntgen-Quantenoptik hat Anfang 2022 an der JMU die Professur für Theoretische Quanteninformation und Quantenoptik übernommen. Mit ihrer Arbeitsgruppe forscht sie auch im Würzburg-Dresdener Exzellenzcluster ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien.

    Die Messgenauigkeit physikalischer Methoden steigern

    „Forschende um Oliver Heckl von der Universität Wien wollen im Spezialforschungsbereich ‚Kohärente Metrologie jenseits elektrischer Dipolübergänge‘ die Messgenauigkeit physikalischer Methoden steigern. Zum Einsatz kommt dabei eine innovative Methode, die Licht mit Orbitaldrehimpuls einsetzt“, heißt es in der Pressemitteilung des FWF. Was darunter zu verstehen ist?

    „Die präzisesten Zeitmesser sind heute Atomuhren, die die Zeit anhand der Frequenz der Übergänge messen, die Elektronen zwischen den verschiedenen Energieniveaus eines Atoms machen. In unserem Projekt wollen wir mithilfe eines neuentwickelten schmalbandigen Lasers einen Atomkern dazu bringen, zwischen Energieniveaus zu springen und dabei Photonen, also Lichtteilchen, zu emittieren. Eine solche Kernuhr könnte die Messgenauigkeit um den Faktor 3 steigern“, erklärt Adriana Pálffy-Buß.

    Forschung an einem Isotop des Elements Thorium

    Das Forschungsteam setzt dabei auf ein Isotop des Elements Thorium. Der fragliche Thoriumkern besitzt 229 Kernbausteine – Protonen und Neutronen – und kann in einen angeregten Zustand übergehen, der nur etwa acht Elektronenvolt energiereicher ist als sein niedrigster Energiezustand. „Dieser Unterschied ist nach kernphysikalischen Maßstäben so winzig, dass die beiden Zustände kaum zu unterscheiden waren, als sie zum ersten Mal beobachtet wurden“, sagt Pálffy-Buß. Gleichzeitig sei es dieser Unterschied, der eine „nukleare Zeitmessung“ möglich machen könnte. Der experimentelle Nachweis dieses Sprungs vom angeregten in den Grundzustand eines Thoriumkerns mit Emission eines Photons ist 2023 gelungen.

    Mit einem Laser auf Thoriumatome schießen und die gesuchten Photonen einfangen: So einfach funktioniert die „nukleare Uhr“ leider nicht. Einer der Gründe dafür: „Man benötigt ungefähr acht Elektronenvolt, um den Kern anzuregen. Sechs Elektronvolt reichen allerdings, um das äußerste Elektron aus seiner Bahn zu entfernen. In diesem Fall bevorzugt der Kern, seine Anregungsenergie dem Elektron zu übergeben, statt ein Photon zu emittieren. Das muss man jedoch vermeiden“, erklärt die Physikerin. Die Lösung für dieses Problem könnte sein, Thoriumatome in speziellen transparenten Kristallen einzubauen. „In den entsprechenden Experimenten zeigte sich, dass Thorium seinen Platz im Kristallgitter in einem ionischen Zustand einnimmt – sein äußeres Elektron also abgibt“, erklärt Pálffy-Buß. Auch kann der Kristall viele Thorium-Kerne auf einmal aufnehmen, was es leichter macht, das gesuchte Photon zu entdecken.

    Rotierende Korkenzieher als Problemlöser

    Ein weiteres Problem: Bislang existiert kein Laser, der die nötige Präzision besitzt, um den gewünschten Effekt in Gang zu setzen. Das österreichisch-deutsche Forschungsteam setzt deshalb auf die bereits erwähnte „innovative Methode, die Licht mit Orbitaldrehimpuls einsetzt“. Im Englischen ist dabei von twisted light oder vortex beams die Rede.

    Stark vereinfacht dargestellt, treffen bei dieser Methode Laserpulse nicht wie eine „Energiewand“ auf die Thoriumatome. Sie gleichen vielmehr einer Art rotierendem Korkenzieher und sollen auf diese Weise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die Atomkerne in den gewünschten Anregungszustand versetzen.

    Das ideale Szenario berechnen

    Als Expertin für theoretische Physik wird Adriana Pálffy-Buß das Forschungsprojekt in erster Linie mit ihren Berechnungen unterstützen. „Ich entwerfe und simuliere, was in verschiedenen Experiment-Aufbauten passieren würde, und mache Vorschläge, was sinnvoll sein könnte“, erklärt sie ihren Beitrag. Unter den zahlreichen Ansätzen sucht sie nach dem Szenario, das den größten Erfolg verspricht. Dafür erhält sie aus dem Finanztopf des Spezialforschungsbereichs rund 375.000 Euro – genug, um zwei Doktorandenstellen zu finanzieren.

    Für Physiker sei dieses Forschungsprojekt superspannend, sagt die Physikerin: „Eine Kernuhr würde die Untersuchung von Konzepten ermöglichen, die normalerweise als selbstverständlich angesehen werden, wie beispielsweise die Frage, ob grundlegende physikalische Konstanten wirklich konstant sind.“ Darüber hinaus könne sie dazu beitragen, die Frage zu beantworten, woraus dunkle Materie besteht. „Aufgrund der fundamentalen Wechselwirkungen, die bei Kernübergängen eine Rolle spielen, ist die Kernuhr in einer einzigartigen Position, solche Fragen zu beantworten“, so Pálffy-Buß.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Adriana Pálffy-Buß, Professur für Theoretische Quanteninformation und Quantenoptik, T: +49 931 31-80049, adriana.palffy-buss@uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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