EU-Projekt Aquacombine widmet sich unter Beteiligung der Leibniz Universität Hannover dem Potenzial von Halophyten
Gourmets schätzen die Spitzen der Pflanze, sie schmecken nach Meer. Doch bislang fristete Queller – auch Meeresspargel genannt – eher ein Nischendasein. Für die industrielle Massenproduktion von Lebensmitteln wird die Pflanze, die auf Salzwiesen oder im Watt wächst, bislang nicht genutzt. Dabei haben Pflanzen wie der Europäische Queller (lat. Salicornia europaea) viele Qualitäten – das ist das Ergebnis des europaweiten Forschungsprojekts Aquacombine, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als vier Jahre lang mit dem Potenzial von Halophyten, das heißt von weitgehend salztoleranten Pflanzen, befasst haben. So dient Queller nicht nur als Nahrung, sondern verfügt über wertvolle Polyphenole, kann als Filter in salzhaltigem Wasser eingesetzt werden und trägt darüber hinaus durch sein Wurzelwerk maßgeblich zum Küstenschutz bei.
Die Europäische Union hat das Forschungsvorhaben innerhalb des Programms Horizon 2020 mit zwölf Millionen Euro gefördert. Das Institut für Botanik an der Leibniz Universität Hannover (LUH) war unter Leitung von Prof. Dr. Jutta Papenbrock als einer von 17 Projektpartnern dabei. Die Gesamtleitung lag bei der Aalborg University, Dänemark. Das Ziel: herauszufinden, ob und inwiefern sich die Eigenschaften der Pflanze nutzen lassen, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken, und ob es möglich ist, eine Nutzungskette mit hoher Wertschöpfung aufzubauen.
Eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist die Deckung des weltweiten Bedarfs an nachhaltig erzeugter Biomasse, sowohl für die Ernährung von Mensch und Tier als auch für den immer wichtiger werdenden Sektor der Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Unmittelbar damit verbunden sind ein steigender Süßwasserbedarf für die Landwirtschaft und der Verlust von Ackerland aufgrund von Versalzung.
Salicornia europaea und verwandte Arten werden in der EU wegen ihrer frischen Spitzen, die als Gemüse gegessen werden, bislang nur in einigen wenigen Regionen in kleinem Maßstab kommerziell angebaut. Sie zählt – genau wie die ebenfalls untersuchten Pflanzenarten Strandaster (Tripolium pannonicum) und Meeresfenchel (Crithmum maritimum) – zu den sogenannten Halophyten, das bedeutet, diese Pflanzen sind tolerant gegenüber Salzwasser. Aufgrund dieser besonderen physiologischen Eigenschaften und biochemischen Zusammensetzung sind Halophyten eine für verschiedene Studien und biologische Anwendungen interessante Pflanzengruppe.
Das Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der LUH galt zunächst dem Potenzial der Pflanzen als Kulturpflanze. Der Vorteil gegenüber nicht salztoleranten Arten liegt dabei auf der Hand: Halophyten brauchen kein Süßwasser und wachsen an Küsten oder in Salzwüsten, also auch dort, wo andere Pflanzen nicht gedeihen. Dabei benötigt die Pflanze wenig Platz. Versuche am Institut für Botanik der LUH mit einer eigens aufgebauten Pilotanlage zeigten, dass die Aufzucht auch in einem Gewächshaus mit Kunstlicht möglich ist und dass sich der Ertrag unter günstigen Bedingungen, wie einer optimalen Salzkonzentration in der Nährlösung, erheblich steigern lässt, was langfristig für die Produktion von Queller in großem Umfang wichtig wäre. Hinzu kommt, dass gerade Salicornia nicht nur schmackhaft ist, sondern auch gesund: Die Pflanze ist reich an Polyphenolen, diese wirken antioxidativ und entzündungshemmend.
Aber Halophyten können noch mehr. Im Institut für Botanik hat Andre Fussy, Doktorand im Team von Prof. Dr. Papenbrock, mithilfe molekularbiologischer Techniken das Geheimnis der außergewöhnlichen Salztoleranz des Europäischen Quellers näher untersucht. Wie so oft liegt die Antwort in den Genen der Pflanze. Einerseits könnten sie es in Zukunft ermöglichen, andere Pflanzen wie Tomaten so zu verändern, dass sie besser mit salzigen Böden zurechtkommen. Andererseits können die Untersuchungen auf molekularer Ebene dazu beitragen, Queller schneller als Nutzpflanze zu etablieren.
Daneben untersuchten andere an Aquacombine beteiligte Partner, ob es machbar ist, die Bewässerung an eine Fischkultur zu koppeln, da die Pflanzen auf diese Weise die Nährstoffe aus der Fischkultur filtern und wiederverwenden können. Auch die Phytoremediation – das heißt ein möglicher Einsatz zur Regeneration salzhaltiger Böden – war Thema des Projekts. Insgesamt hat Aquacombine dazu beigetragen, neue stresstolerante Pflanzen im Sinne der Bioökonomie nutzbar zu machen.
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Dr. Jutta Papenbrock, Institut für Botanik an der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 3788 oder per E-Mail unter jutta.papenbrock@botanik.uni-hannover.de gern zur Verfügung.
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