idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.04.2024 09:00

Forschungsergebnisse zu Herzklappeninterventionen: Zeit ist der wichtigste Faktor

Michael Böhm Pressesprecher
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.

    Zur 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim wurden verschiedene Langzeitstudien zu Herzklappen vorgestellt. Forschende fanden heraus, dass die schonenden Verfahren nicht erst als letztes Mittel in Betracht gezogen werden sollten. Denn je früher die Eingriffe erfolgen, desto besser lassen sich schwere Folgeerkrankungen eindämmen.

    Düsseldorf/Mannheim 10. April 2024 – Mit dem Alter kommt der Materialverschleiß – das ist überall so, leider auch bei uns Menschen. Insbesondere das Risiko für Probleme mit den Herzklappen nimmt dann zu. Diese können verkalken und nicht mehr vollständig schließen. Wenn das passiert, kann sauerstoffreiches Blut nicht mehr stark genug durch den Körper gepumpt werden – es kann bereits bei geringer körperlicher Anstrengung zu Luftnot und zu gefährlichen Wassereinlagerungen in der Lunge kommen. Im schlimmsten Fall kann das tödlich enden.

    Ersatzteile für dieses Problem gibt es seit den 1960ern: Seitdem können künstliche Herzklappen chirurgisch eingesetzt werden. Bei älteren Patientinnen und Patienten ist das Risiko für eine solche Operation aber oft zu groß. Seit rund 20 Jahren können Kardiologinnen und Kardiologen künstliche Herzklappen (und mittlerweile auch spezielle Reparatur-Clips) mittels Katheter durch die Leistenvene zum Herzen führen und dort einsetzen. Diese Verfahren gelten als vergleichsweise schonend und werden deshalb in den Leitlinien besonders für ältere Personen empfohlen. Obwohl die Behandlung heute zum Standard gehört, gab es bisher kaum Langzeitdaten, um die Methode weiter zu untersuchen und zu verbessern. Auf der 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) stellten verschiedene medizinisch-wissenschaftliche Teams vom Universitären Herzzentrum Ulm nun ihre Forschungsergebnisse zu dem Thema vor.

    Mitralklappenreparatur: Nicht erst, wenn Medikamente nicht mehr helfen

    Das Team um Dr. Nicoleta Nita und Prof. Wolfgang Rottbauer beschäftigte sich mit der Frage, welche Faktoren die Überlebensrate nach einer Reparatur der Mitralklappe begünstigen. Hierfür erhoben sie Langzeitdaten (im Durchschnitt für eine Dauer von 3,3 Jahren) von 667 Personen im eigens angelegten MitraUlm-Register. Verglichen wurden 340 Patientinnen und Patienten, die vor Januar 2016 einer kathetergetützten Mitralklappenreparatur (M-TEER) unterzogen wurden, und 337, die ihren Eingriff danach erhielten. Der Grund dafür ist, dass Betroffene seit 2016 früher im Krankheitsverlauf behandelt werden. Diese Patienten-Kohorte hatte vor dem Eingriff seltener Krankheitsfolgen wie eine erweiterte linke Herzkammer oder einen erhöhten Blutdruck in der Pulmonalarterie. Gleichzeitig war die Mitralklappe bei ihnen aber wesentlich häufiger degenerativ verändert. Dennoch zeigte sich bei der späteren Patientengruppe, dass sie eine bedeutend höhere Überlebenswahrscheinlichkeit innerhalb der ersten drei Jahre nach Eingriff hatten (sog. „3-Jahres-Mortalität“ nach 2016: 29,4 % vs. vor 2016: 43,8 %). Außerdem kam es im Nachgang weniger häufig zu schweren Komplikationen am Herzen und den Blutgefäßen des Gehirns (sog. „MACCE“ nach 2016: 38,6 % vs. vor 2016: 54,1 %). Das Fazit der Forschenden ist deshalb: Zwar empfehlen die Leitlinien das Verfahren derzeit nur für Patientinnen und Patienten, bei denen eine optimale medikamentöse Behandlung nicht anschlägt. Die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass eine M-TEER dann am wirkungsvollsten ist, wenn irreversible Veränderungen im Herz-Kreislauf-Trakt noch nicht eingetreten sind.

    Ein rechtzeitiger Eingriff verhindert eine langfristige Herzschwäche

    Ist der Eingriff einmal geplant, sollte er möglichst bald erfolgen, wie das Team von Dr. Stefanie Andreß, Prof. Wolfgang Rottbauer und Dr. Tilman Stephan zeigen konnte. Zeit ist nämlich ein wichtiger Faktor für die Betroffenen, um einer Herzschwäche vorzubeugen. Da während der Covid-Pandemie als Notfallmaßnahme vermehrt Betten an Kliniken freigehalten werden mussten, mussten viele Eingriffe für einen Klappenersatz verschoben werden. Von 178 Patientinnen und Patienten, bei denen dies der Fall war, zeigten sich bei knapp zwei Dritteln bereits nach durchschnittlich drei Wochen eine akute Herzschwäche. Damit ging unmittelbar sowie langfristig eine Verschlechterung der Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen einher. Das Forscherteam rechnete aus, dass das Risiko für eine Herzschwäche zwölfmal höher ist, wenn ein kathethergestützter Eingriff nicht wie geplant stattfinden kann. Dies galt insbesondere für Patientinnen und Patienten, die einen Eingriff an einer der Segelklappen erhalten sollten (Edge-to-Edge-Reparatur der Mitral- oder Trikuspidalklappe, „M-TEER“). Aufgrund der Schwere der gesundheitlichen Konsequenzen, die eine Herzschwäche mit sich bringt, folgert das Team, dass insbesondere kathetergestützte Herzklappeninterventionen als dringlich eingestuft werden müssen. Das Verschieben solcher Eingriffe sollte deshalb von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten immer kritisch hinterfragt werden.

    Fazit aus den Langzeitstudien: Je früher, desto besser

    Ein Eingriff bei einer beschädigten Herzklappe kann entscheidend dazu beitragen, schwerwiegenden Folgeerkrankungen am Herz-Kreislauf-System vorzubeugen. Dadurch kann sich nicht nur das Leben der Betroffenen verbessern, sondern auch ihre Lebensqualität. Die Langzeitdaten der Forschungs-Teams deuten nun darauf hin, dass der Erfolg dieser Maßnahmen umso besser ist, je früher sie ab dem Beginn der Erkrankung stattfinden können.

    Die vollständigen wissenschaftlichen Meldungen zu den Studien finden Sie hier:

    Dr. Nicoleta Nita und Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer:
    https://herzmedizin.de/meta/presse/dgk-jahrestagung-2024/Die-Langzeitsterblichke...

    Dr. Stefanie Andreß und Dr. Tilman Stephan:
    https://herzmedizin.de/meta/presse/dgk-jahrestagung-2024/Der-Aufschub-geplanter-...


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer
    wolfgang.rottbauer@uniklinik-ulm.de


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Pressemeldung als PDF

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).