Der Ökosystemmodellierer Dr. Thorsten Wiegand vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) hat vom Europäischen Forschungsrat (ERC) rund 2,5 Millionen Euro für Forschung im Bereich der theoretischen Ökologie erhalten. In den nächsten fünf Jahren wird er gemeinsam mit seinem UFZ-Kollegen Prof. Andreas Huth eine Theorie zum Verständnis der räumlichen Dynamik und Stabilität von artenreichen Wäldern entwickeln. Dies ist schon der zweite ERC Advanced Grant für die Wissenschaftler.
Der ERC Advanced Grant ist die höchstdotierte Fördermaßnahme der EU für einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und wird vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) vergeben. Der ERC unterstützt damit quer durch die Disziplinen exzellente Forschende, die bereits über einen längeren Zeitraum international bedeutende Forschungsergebnisse erbracht haben. Die einzigen Kriterien, die bei der Vergabe von ERC-Advanced Grants berücksichtigt werden, sind die akademische Exzellenz der Forschenden und die außergewöhnliche Qualität des Forschungsprojekts, das einen besonderen Fortschritt zum Stand des Wissens erwarten lässt. Für die Ausschreibung im Jahr 2023 gingen 517 Anträge im Bereich der Biowissenschaften ein, von denen 75 (rund 15 Prozent) gefördert werden.
In den kommenden Jahren wird das Leipziger ERC-Team Theorien zur Dynamik von Wäldern entwickeln, zum Beispiel für gemäßigte und tropische Wälder. Ziel des Projekts „SpatioCoexistence“ ('Towards a Spatial Theory for Species-Rich Communities') ist, die Mechanismen besser zu verstehen, die die Koexistenz vieler Baumarten ermöglichen. Die UFZ-Forschenden integrieren dabei mathematische Modelle und individuenbasierte Simulationen mit Methoden der Physik sowie der räumlichen Statistik. Sie verwenden dafür Daten aus Waldinventuren auf Flächen mit einer Größe bis zu 50 Hektar. Für diese Waldflächen werden alle 5 Jahre Positionen, Größe und Artenidentität von mehr als 100.000 Bäumen bestimmt. Solche Waldinventuren werden z.B. weltweit vom US-amerikanischen Smithsonian Institute erhoben (ForestGEO-Netzwerk). „Wenn es uns gelingt, Fortschritte im Verständnis der Dynamik und der räumlichen Struktur artenreicher Gemeinschaften zu machen, hilft das beim Schutz der Artenvielfalt in Landökosystemen vor den Auswirkungen der Klima- und Landnutzungsänderungen“, sagt der UFZ-Modellierer Dr. Thorsten Wiegand. Das ERC-Team erforscht deshalb zum Beispiel, welchen Einfluss die Samenverbreitung durch Tiere wie etwa Affen und Vögel oder stochastische Ereignisse wie Trockenzeiten und umstürzende Bäume auf die räumliche Struktur und Dynamik der Wälder haben.
„Ökologen haben lange versucht, die Koexistenz vieler konkurrierender Arten in ökologischen Artengemeinschaften wie tropischen Wäldern zu verstehen. Aber diese Schlüsselfrage der ökologischen Theorie blieb weitgehend ungelöst“, sagt Thorsten Wiegand. Diese Lücke sei auf ein Skalierungsproblem zurückzuführen. „Obwohl Bäume mit ihren nächsten Nachbarn konkurrieren, berücksichtigen die üblichen nicht-räumlichen Modelle nicht, wie die Dynamik und die Muster auf größeren Skalen aus dem Verhalten der Individuen und ihrer Interaktionen mit benachbarten Bäumen entstehen“, ergänzt Prof. Andreas Huth. Dies bedeute, dass man clevere Wege finden müsse, um Informationen über räumliche Muster der Bäume in mathematische Theorien zu integrieren. Während die beiden UFZ-Forscher im ersten ERC Advanced Grant hauptsächlich räumliche Strukturen auf der Ebene individueller Baumarten analysierten, um herauszufinden, ob diese wichtige ökologische Informationen enthalten, wollen sie jetzt diese Information in eine mathematische Koexistenztheorie integrieren. „Das ist analog zur statistischen Physik, die die makroskopischen Größen der Thermodynamik durch das mikroskopische Verhalten einzelner Gasmoleküle beschreibt“, sagt Andreas Huth.
Da das Projekt weitgehend bestehende Daten analysieren wird, werden die Projektmittel hauptsächlich für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und zum Austausch mit internationalen Expertinnen und Experten verwendet. Dies ist nötig, um die diversen Aspekte abzudecken, die für die Entwicklung einer neuen, umfassenden, räumlichen Koexistenztheorie relevant sind. So werden neben Workshops auch Freilanduntersuchungen, etwa in Sri Lanka und Thailand finanziert, um zum Beispiel die Ausbreitungsmuster von Samen zu erforschen.
Enge Kooperationspartner des Projekts sind Prof. Xugao Wang (Institut für angewandte Ökologie, Chinesische Akademie der Wissenschaften, China), Prof. Wirong Chanthorn (Kasetsart University, Thailand), Prof. Sisira Ediriweera (Uva Wellassa University, Sri Lanka), Prof. Nathan J.B. Kraft (University of California, Los Angeles, USA) und Dr. David Alonso Giménez (Blanes Center for Advanced Studies, Spanien).
Thorsten Wiegand studierte Physik in Marburg, wo er 1992 in Theoretischer Ökologie promovierte. Seitdem forscht er am UFZ. Dort befasst er sich mit räumlicher Ökologie und der Untersuchung der Rolle von Arteninteraktionen, räumlichen Mustern und räumlichen Prozessen für die Biodiversität und die Dynamik von Populationen und Artengemeinschaften.
Andreas Huth studierte Physik und Biophysik in Berlin und Marburg. Er promovierte im Jahr 1990 und forscht seit 2001 am UFZ. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökologische Modellierung, Walddynamik, Vegetationsökologie, Kohlenstoffbilanzen, Fernerkundung und komplexe Systeme.
Dr. Thorsten Wiegand
Department Ökologische Systemanalyse
thorsten.wiegand@ufz.de
https://www.ufz.de/index.php?en=41103
Prof. Dr. Andreas Huth
Department Ökologische Systemanalyse
andreas.huth@ufz.de
https://www.ufz.de/index.php?en=36559
https://www.ufz.de/index.php?en=51314
Dr. Thorsten Wiegand
Sebastian Wiedling
UFZ
Tropische Wälder sind nicht nur außerordentlich artenreich, die Verteilung der Baumarten ergibt auch ...
UFZ
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Personalia, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
Dr. Thorsten Wiegand
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Tropische Wälder sind nicht nur außerordentlich artenreich, die Verteilung der Baumarten ergibt auch ...
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