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15.04.2024 15:00

„Jede Gesellschaft muss einen Umgang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch finden“

Martyna Wasserfurth Kommunikation und Marketing
Hochschule Hannover

    • Für eine Gesetzesnovellierung des Schwangerschaftsabbruchs: Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin legt am 15. April 2024 ihre Empfehlungen vor.
    • Kommissionsmitglied Prof. Dr. Maria Wersig, Hochschule Hannover, kommentiert die Ergebnisse.

    Bisher ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, auch wenn er unter definierten Bedingungen straffrei bleibt. Die rechtliche Regelung nach Paragraph 218a des Strafgesetzbuches wird kontrovers diskutiert. Um Möglichkeiten einer Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches zu prüfen, hat die Bundesregierung im März 2023 die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einberufen. Nach einjähriger Arbeit legt die Kommission nun ihre Ergebnisse vor: Sie zeigt darin gesetzgeberische Gestaltungsspielräume auf und gibt Empfehlungen.

    Die Kommission war interdisziplinär zusammengesetzt und vereinte Expertise aus Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften, Psychologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Medizin.

    Prof. Dr. Maria Wersig, Professorin an der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales der Hochschule Hannover ist Mitglied der Kommission und erklärt zu den Empfehlungen:
    „Unsere Arbeitsgruppe hat nach intensiver und fachübergreifender Analyse klare Empfehlungen für die Gesetzgebung zum Thema Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs erarbeitet. Diese Empfehlungen spiegeln einen Konsens wider, der auf ernsthafter, sachlicher Diskussion basiert und der die Komplexität dieses gesellschaftspolitisch bedeutenden Themas berücksichtigt. Es ist unser Ziel, durch diese Vorschläge einen Weg aufzuzeigen, der alle berührten Rechte und Interessen berücksichtigt und für Transparenz und Rechtssicherheit sorgt. Die Entscheidung liegt aber nicht bei der Kommission, sondern beim demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Wir sind überzeugt, dass diese fundierten Empfehlungen eine wichtige Grundlage für die zukünftige Debatte darstellen und drängen auf ihre zügige Überprüfung und eine sachliche und respektvolle gesellschaftliche Diskussion über dieses wichtige Thema.“ Wersig weiter: „Jede Gesellschaft muss einen Umgang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch finden. Gerade bei schwierigen Themen ist es wichtig, eine sachorientierte und respektvolle Debatte zu führen. Der Bericht mit seiner Interdisziplinarität und Evidenzbasierung bietet dafür nach meiner Überzeugung eine gute Basis und viele Argumente.“

    Maria Wersig hat an der Hochschule Hannover eine Professur zum Thema Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte zu den Themen Sozialrecht, Familienrecht, Antidiskriminierungsrecht und interdisziplinäre Rechtswirkungsforschung konnte sie in die Kommissionsarbeit einbringen.

    Empfehlungen der Kommission
    Die Kommission hatte die Aufgabe, ausgehend von den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch und unter Berücksichtigung gewandelter rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse sowie gesellschaftlicher Diskurse die Frage zu beantworten, ob und ggf. wie eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs erfolgen kann. Die Kommission hat bei ihrer Arbeit ebenfalls die Themen Rechtssicherheit und Transparenz für die Schwangere sowie für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte in den Blick genommen.

    Kernpunkte des Berichts der Kommission sind folgende Empfehlungen an die Gesetzgebung:
    • In der frühen Schwangerschaftsphase (bis zur zwölften Schwangerschaftswoche) sollte ein Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos sein.
    • In der späten Schwangerschaftsphase, ab eigenständiger Lebensfähigkeit des Fetus, sollte ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig sein. Ausnahmen sind dann vorzusehen, wenn der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist. Das ist insbesondere bei medizinisch anerkannter Indikation der Fall.
    • In der mittleren Schwangerschaftsphase sieht die Kommission einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Sie empfiehlt Ausnahmeregelungen, insbesondere eine Verlängerung der Frist von zwölf Wochen seit der Empfängnis bei Schwangerschaften in Folge eines Sexualverbrechens.
    • Zur Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften empfiehlt die Kommission verstärkte Aufklärungs- und Präventionsarbeit, insbesondere einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln auch nach dem 22. Lebensjahr.
    • Beratung (mit oder ohne Wartefrist, verpflichtend oder freiwillig) muss ergebnisoffen erfolgen und darf nicht dem Ziel dienen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu bewegen oder ihr bewusst zu machen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommt.

    Faktenübersicht:

    • Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin wurde zum 31. März 2023 gemeinsam von Bundesfamilienministerin Lisa Paus, Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach und Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann einberufen.

    • Die Kommission umfasst 18 Expert*innen aus Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften.

    • Die Kommission arbeitet zu zwei Themenbereichen:
    o Arbeitsgruppe 1: Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches
    o Arbeitsgruppe 2: Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der Leihmutterschaft

    • Prof. Dr. Maria Wersig ist Professorin für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales der Hochschule Hannover. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe 1 der Kommission.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Recht
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Kooperationen
    Deutsch


     

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