Ein internationales Team am weltgrößten Röntgenlaser European XFEL in Schenefeld bei Hamburg hat die Eigenschaften eines wichtigen Nanogels untersucht, das in der Medizin häufig eingesetzt wird, um Medikamente gezielt und kontrolliert an der gewünschten Stelle im Körper eines Patienten freizusetzen. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team jetzt in der Zeitschrift Science Advances.
-- Sperrfrist bis Freitag, 19. April 2024, 14:00 Uhr (2:00 pm) U.S. Eastern Time! --
Ein internationales Team unter der Leitung von Felix Lehmkühler vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg hat am European XFEL in Schenefeld bei Hamburg das temperaturbedingte Quellen und Kollabieren des Polymers Poly-N-isopropylacrylamid (PNIPAm) untersucht. PNIPAm wird aufgrund seiner dynamischen Veränderungen häufig in der Medizin eingesetzt, z. B. für die Verabreichung von Medikamenten, aber auch für die Züchtung von Geweben, das Tissue Engineering, oder der Sensorik.
PNIPAm ist in der Regel in Wasser gelöst. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, der sogenannten unteren kritischen Lösungstemperatur (LCST), die bei etwa 32 °C liegt, geht es von einem hydrophilen, wasserliebenden Zustand in einen hydrophoben, wasserabweisenden Zustand über. Infolgedessen ändern die Nanogel-Partikel oberhalb dieser Temperatur schnell ihre Größe, indem sie Wasser abstoßen.
Diese Eigenschaft ist für eine Vielzahl von Anwendungen nützlich, darunter für die kontrollierte Freisetzung von Medikamenten im Körper eines Patienten, als Modellsystem für Proteine, im Tissue Engineering, der Kultivierung von organischem Gewebe für medizinische Anwendungen, oder als biokompatible Temperatursensoren. Bislang war es jedoch sehr schwierig, diese schnellen Phasenübergänge experimentell zu beobachten und somit für verschiedene Anwendungen zu optimieren. Deswegen ist die genaue Charakterisierung der Kinetik der Veränderungen des PNIPAm-Polymers mit der Temperatur noch immer ein lebhaftes Forschungsthema.
Die schnelle Folge von Röntgenpulsen des European XFEL ermöglicht es den Forschenden nun, die raschen, temperaturabhängigen Veränderungen im PNIPAm-Nanogel mit einer Technik namens Röntgen-Photonen-Korrelationsspektroskopie (XPCS) zu untersuchen. „Dank der hohen Wiederholrate des European XFEL können wir diese Messungen mit ausreichend hoher Zeitauflösung durchführen, um die Struktur und Bewegung der Nanogels zu verfolgen“, sagt Johannes Möller, Wissenschaftler am Instrument Materials Imaging and Dynamics (MID) des European XFEL. Die Forscher untersuchten Partikel mit einer Größe von etwa 100 Nanometern, das ist ein Zehntausendstel eines Millimeters. Die Röntgenpulse wurden sowohl zur Erwärmung der Nanopartikel als auch zur Messung ihrer strukturellen Veränderungen genutzt.
„Mit Hilfe der am European XFEL gewonnenen Daten konnten wir nun das Quellen und Kollabieren des Polymers besser verstehen“, sagt Felix Lehmkühler, einer der Leiter des Teams. „Im Gegensatz zu früheren Studien, die sich auf indirekte Messungen der Kinetik des Quellens oder Kollabierens beschränkten, haben wir herausgefunden, dass das Nanogel mit rund 100 Nanosekunden deutlich schneller schrumpft, aber zwei bis drei Größenordnungen länger zum Quellen braucht“, erklärt Lehmkühler. Die Ergebnisse könnten den Forschenden helfen, die Eigenschaften des Polymers besser zu verstehen und für verschiedene Anwendungen zu optimieren, z. B. für die Entwicklung effizienterer Arzneimittelabgabesysteme.
Über European XFEL
European XFEL ist eine internationale Forschungsanlage der Superlative in der Metropolregion Hamburg: 27°000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde und eine Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als die besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art, eröffnen völlig neue Forschungsmöglichkeiten. Forschende aus aller Welt können an dem europäischen Röntgenlaser atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen im Nanokosmos machen, chemische Reaktionen filmen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen.
European XFEL ist eine gemeinnützige Forschungsorganisation, die eng mit dem Forschungszentrum DESY und weiteren internationalen Institutionen zusammenarbeitet. Sie beschäftigt mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im September 2017 hat die Anlage den Nutzerbetrieb aufgenommen. Derzeit beteiligen sich zwölf Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Deutschland (Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein) trägt als Gastland 58 Prozent der Kosten für die neue Einrichtung. Mehr Informationen unter www.xfel.eu/de.
Das Team aus Forschenden bestand aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY), der Universität Padua (Italien), des Hamburger Zentrums für ultraschnelle Bildgebung sowie des European XFEL.
Weitere Informationen, einschließlich einer Kopie des Artikels, finden Sie online im Science-Advances-Pressepaket unter https://www.eurekalert.org/press/vancepak
Dr. Felix Lehmkühler
Deutsches Elektronen-Synchrotron (Photon Science)
Ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft
Notkestr. 85
22607 Hamburg
Telefon: 040-8998-5671
E-Mail: felix.lehmkuehler@desy.de
http://desy.de/cxs
Real-time swelling-collapse kinetics of nanogels driven by XFEL pulses
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adm7876
DOI: 10.1126/sciadv.adm7876
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adm7876 (zur Originalarbeit; der Link wird erst nach der Sperrfrist freigeschaltet)
Felix Lehmkühler am Instrument MID (Materials Imaging & Dynamics) des European XFEL, an dem die Expe ...
© European XFEL
Oberhalb von 32 °C wechselt PNIPAm von einem hydrophilen zu einem hydrophoben Zustand. Infolgedessen ...
© Felix Lehmkühler
Merkmale dieser Pressemitteilung:
jedermann
Biologie, Chemie, Medizin, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).