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17.04.2024 14:45

Eine Million US-Dollar für die Kartierung der „Quellen des Nervenwassers“

Dr. Marcus Neitzert Stabsstelle Kommunikation
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)

    Ein Forschungsteam des DZNE erhält rund eine Million US-Dollar für die Entwicklung eines innovativen, KI-gestützten Verfahrens, mit dem sich – ausgehend von Scans des menschlichen Gehirns – die „Plexus choroidei“ dreidimensional vermessen lassen. Diese fein verästelten Hirnstrukturen sind die Hauptquellen des „Nervenwassers“ und daher für die Funktion von Gehirn und Rückenmark von großer Bedeutung. Es wird zudem angenommen, dass sie bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, einschließlich Alzheimer, eine Rolle spielen. Das Forschungsvorhaben wird von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) gefördert.

    Der sogenannte Liquor, auch „Nervenwasser“ genannt, ist eine wässrige Flüssigkeit, die im Gehirn und Rückenmark zirkuliert. Sie enthält Nährstoffe und Stoffwechselprodukte, federt Stöße ab und entstammt größtenteils Hohlräumen, die tief im Inneren des Gehirns liegen. Die eigentlichen „Quellen“ sind komplex geformte Ausstülpungen des Hirngewebes, die in diese Hohlräume und den darin enthaltenen Liquor hineinragen. „Plexus choroidei“ lautet der Fachbegriff für die länglichen, stark verzweigten Strukturen, die das Nervenwasser produzieren. Jeder Mensch hat vier davon, teils sind sie miteinander verbunden. Zugleich sind diese Strukturen relativ klein, bei Erwachsenen haben sie ein Gesamtvolumen ähnlich dem eines Würfelzuckers. „Beim lebenden Menschen sind derlei filigrane Hirnstrukturen schwer zu erfassen. Deshalb möchten wir eine KI-gestützte Methode entwickeln, die die Plexus choroidei in Hirnscans automatisch erkennt, so dass sich Form und Abmessungen präzise bestimmen lassen“, erläutert Prof. Martin Reuter, Experte für KI in der Bildanalyse und Forschungsgruppenleiter am DZNE. „Eine automatische und präzise Messung solcher Gehirnstrukturen wird dazu beitragen, Krankheitsprozesse und auch normale Veränderungen des Gehirns im Laufe des Lebens besser zu verstehen.“

    Digitale „Zerlegung“ des Gehirns

    Für dieses Vorhaben werden der Bonner Wissenschaftler und sein Team auf dreidimensionale Gehirndaten zurückgreifen, die unter anderem aus dem „Human Connectome Project“ der NIH stammen und mittels Magnetresonanztomographie (MRT) erstellt wurden. Einfließen werden Daten von rund 700 Personen. Für die beabsichtigte Unterteilung der Hirnbilder in Areale – Fachleute sprechen von „Segmentierung“ – gibt es zwar prinzipiell Computer-Algorithmen, doch sie sind für die Plexus choroide zu ungenau. „Für diese komplizierten Hirnstrukturen benötigt man ein darauf spezialisiertes, vollautomatisches Tool. Das gibt es bisher nicht in guter Qualität. Und eine Segmentierung per Hand, bei der man die Konturen des relevanten Gewebes per Mausklick auf dem Bildschirm markiert, ist mühsam und fehleranfällig“, sagt Reuter. „Deswegen möchten wir ein Verfahren entwickeln, mit dem sich große Datensätze mit MRT-Aufnahmen des Gehirns effizient und zuverlässig auswerten lassen. So wie es für Untersuchungen mit großer Teilnehmerzahl erforderlich ist. Das können zum Beispiel Medikamentenstudien sein oder auch Studien zu Alterungsprozessen, wie zum Beispiel die Rheinland Studie des DZNE hier in Bonn.“

    Fünfjährige Laufzeit

    Das DZNE wird in diesem Projekt eng mit amerikanischen Institutionen kooperieren, insbesondere mit dem „Beth Israel Deaconess Medical Center“ in Boston, das der Harvard Medical School angehört. Am Ende soll eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software zur Verfügung stehen, die durch Beispiele – sogenannte Trainingsdaten – „gelernt“ hat, in MRT-Bildern die „Quellen des Nervenwassers“ zu erkennen. Die Entwicklung der dafür notwendigen Algorithmen und deren „Anlernen“ und Validierung sind arbeitsintensiv. Schon die Auswahl und Erstellung geeigneter Trainingsdaten im Vorfeld sind aufwändig. Für das Forschungsvorhaben sind daher fünf Jahre vorgesehen. Reuter erhofft sich ein digitales Werkzeug, das in der Forschung breite Anwendung findet: „Wir werden unser Tool so konzipieren, dass es mit Daten unterschiedlicher Auflösung und von verschiedenen Hirnscanner-Typen funktioniert. Außerdem wollen wir die Software im Rahmen unseres FastSurfer-Projekts frei verfügbar machen. FastSurfer ist eine Open-Source-Initiative des DZNE, die sich mit der MRT-Analyse des Gehirns befasst.“

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    Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
    Das DZNE ist ein Forschungsinstitut für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen. Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankungen, die eine enorme Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das Gesundheitssystem bedeuten. Das DZNE hat zum Ziel, neuartige Strategien der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung zu entwickeln und in die Praxis zu überführen. Es hat bundesweit zehn Standorte und kooperiert mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen im In- und Ausland. Das DZNE wird staatlich gefördert, es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. https://www.dzne.de


    Weitere Informationen:

    https://www.dzne.de/en/news/press-releases/press/one-million-us-dollars-for-mapp... Englische Fassung dieser Pressemitteilung


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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