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18.04.2024 10:52

Seismometer-Netzwerk mit Tiefenschärfe

Josef Zens Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

    Die Vorstellung, dass es bei Erdbeben eine Bruchfläche gibt, muss womöglich korrigiert werden. Darauf weist eine aktuelle Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) unter Beteiligung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und internationaler Partnerinstitutionen hin. Demnach wäre es treffender, von einer Bruchschicht mit zahlreichen, zum Teil parallel liegenden Bruchflächen zu sprechen. Die Ergebnisse der Arbeit können nach Ansicht der Autor:innen dazu beitragen, realistischere Modelle für Erdbeben und Erdbebengefährdung in Subduktionszonen zu erstellen. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

    Die Vorstellung, dass es bei Erdbeben eine Bruchfläche gibt, muss womöglich korrigiert werden. Darauf weist eine aktuelle Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) unter Beteiligung des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ und internationaler Partnerinstitutionen hin. Demnach wäre es treffender, von einer Bruchschicht mit zahlreichen, zum Teil parallel liegenden Bruchflächen zu sprechen. Die Ergebnisse der Arbeit können nach Ansicht der Autor:innen dazu beitragen, realistischere Modelle für Erdbeben und Erdbebengefährdung in Subduktionszonen zu erstellen. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

    Das internationale Team um Erstautorin Caroline Chalumeau vom KIT untersuchte eine Serie von Beben in Ecuador an der Westküste Südamerikas. Dort taucht die Pazifische Platte unter die kontinentale Südamerikanische Platte ab. Ein solches Abtauchen, in der Fachsprache Subduktion, führt immer wieder zu sehr schweren Erdbeben. So ist auch die jüngste Bebenserie in Taiwan, deren Hauptbeben Anfang April an der Ostküste neun Menschen tötete und große Schäden verursachte, auf Subduktion zurückzuführen.

    Die von dem Team analysierte Erdbebenserie in Ecuador begann am 12. März 2022 und endete am 26. Mai. Das schwerste Beben (Magnitude 5,8) hatte sich am 27. März ereignet und über einen kurzen Zeitraum sehr viele kleinere Nachbeben ausgelöst. Just zu dieser Zeit befand sich dichtes Netz von 100 Seismometern in der Region. Es war für das Offshore-Experiment „Hochauflösende Abbildung der Subduktionsverwerfung in der Pedernales-Erdbebenbruchzone Zone“ (auf Englisch „High-resolution imaging of the subduction fault in the Pedernales Earthquake Rupture zone“, kurz HIPER) aufgebaut worden.

    Mit den außerordentlich detaillierten Daten aus dem HIPER-Experiment und unter Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz gelang es den Forschenden, mehr als 1.500 Beben und deren jeweilige Bruchflächen in einer Tiefe von 15 bis 20 Kilometern sehr hoch aufgelöst abzubilden. „Wir haben beobachtet, dass die Seismizität bei Erdbeben in einer primären Region – quasi dem Hauptbeben – und in einer sekundären Region, also den Nachbeben, auftrat“, sagt Erstautorin Dr. Caroline Chalumeau vom Geophysikalischen Institut (GPI) des KIT. „Innerhalb der primären Region konnten wir beobachten, dass die Seismizität auf mehreren verschiedenen, oft übereinander liegenden Verwerfungsebenen auftrat. An einigen Stellen traten parallele seismisch aktive Ebenen auf, an anderen Stellen nur einzelne.“

    Die Parallelität der Beben sei dabei nicht an eine spezifische Tiefe gebunden gewesen. „Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass die bisherige Vorstellung, die Spannung löse sich bei einem einzigen starken Beben entlang einer einzelnen Bruchfläche, der Vergangenheit angehören könnte“, sagt Professor Andreas Rietbrock vom GPI. „Stattdessen sollten wir eher von einem Verwerfungsnetzwerk sprechen, in dem sich eine Serie von Brüchen innerhalb eines einzelnen Erdbebens entlädt.“

    Die Analyse der ecuadorianischen Bebenserie liefert auch neue Erkenntnisse über Nachbeben. Diese träten zuerst in der Nähe des Epizentrums des Hauptbebens auf und breiteten sich dann allmählich in andere Richtungen aus, sagt Chalumeau. Sie folgert daraus, dass die Ausbreitung von Nachbeben in der Region hauptsächlich durch Nachrutschen der Platten gesteuert wird. Prof. Onno Oncken vom GFZ sagt: „Mit der Arbeit hat das Team um Caroline Chalumeau das erste scharfe seismologische Abbild einer seismogenen Plattengrenze vorgelegt. Es bestätigt einerseits bestehende geologische Beobachtungen und erklärt andererseits mit einem neuen Ansatz erfolgreich die Ausbreitung von Nachbeben. Bisherige Annahmen, dass etwa die Ausbreitung einer Druckwelle in Porenflüssigkeit Nachbeben hervorruft, sind damit widerlegt.“

    Die Ergebnisse sind auch für die Einschätzung des Erdbebenrisikos in Subduktionszonen von Bedeutung. „Die Studie wird die zukünftige Modellierung von Erdbeben, aber auch von aseismischen Rutschungen, also den Plattenbewegungen ohne Erdbeben, beeinflussen“, sagt Andreas Rietbrock.

    Wissenschaftlicher Kontakt:
    Prof. Onno Oncken (bitte beachten Sie, dass er derzeit im Gelände unterwegs und schwer erreichbar ist, die Erstautorin erreichen Sie über die Pressestelle des KIT)

    onno.oncken@gfz-potsdam.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Onno Oncken (onno.oncken@gfz-potsdam.de, derzeit aber unterwegs im Feld!)


    Originalpublikation:

    Dr. Caroline Chalumeau, Dr. Hans Argurto-Detzel, Prof. Andreas Rietbrock, Dr. Michael Frietsch. Prof. Onno Oncken, Dr. Monica Segovia, Dr. Audrey Galve: Seismological evidence for a multifault network at the subduction interface. Nature, 2024. DOI: 10.1038/s41586-024-07245-y
    https://www.nature.com/articles/s41586-024-07245-y


    Weitere Informationen:

    https://www.kit.edu/kit/presseinformationen.php (Link zur Pressestelle des KIT, die Kontakt zur Erstautorin und weiteren Autoren vermitteln können)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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