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19.04.2024 10:01

Behandlungen mit eigenhergestellten CAR-T-Zellen zeigen Erfolg bei Krebs und Autoimmunerkrankungen

Bianca Hermle Kommunikation und Medien
Universitätsklinikum Tübingen

    Immuntherapien haben sich als neue Pfeiler der Krebstherapie etabliert. Bei der CAR-T-Zelltherapie werden T-Zellen als körpereigene Immunwaffe durch genetische Veränderung darauf programmiert, Krebszellen oder Immunzellen, die eine Autoimmunerkrankung auslösen, zu erkennen und zu zerstören. An der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen ist es nun gelungen, zwei Patienten mit besonders therapieresistenten Leukämie-Erkrankungen mit einer neuen Form von CAR-T-Zellen erfolgreich zu behandeln. Die CAR-T-Zellen sind vermutlich besonders wirksam, weil sie sich gleichzeitig gegen zwei Zielstrukturen auf den Tumorzellen richten.

    Die beiden Leukämie-Patienten hatten bereits verschiedene klassische Chemotherapien, Antikörpertherapien sowie Stammzelltransplantationen erhalten, ohne damit die Leukämie dauerhaft kontrollieren zu können. Im Rahmen von Heilversuchen ist es Tübinger Forschenden mit eigenhergestellten neuartigen CAR-T-Zellen gelungen, rasch und effektiv auf den Rückfall der Erkrankung zu reagieren. Mehr als ein Jahr nach Abschluss der Therapie sind bei den behandelten Patienten weiterhin keine Tumorzellen nachweisbar. Die Ergebnisse der Heilversuche sind nun im Wissenschaftsjournal JAMA Oncology veröffentlicht worden.

    Einsatz auch für Autoimmunerkrankungen

    CAR-T-Zellen eignen sich ebenfalls für die Therapie lebensbedrohlicher Autoimmunerkrankungen. Bisher wurden in Tübingen Patientinnen und Patienten mit der Bindegewebserkrankung Systemische Sklerose (Sklerodermie) und Myositis, einer entzündlichen Erkrankung der Muskulatur, behandelt. Auch im Fall einer Patientin, die an einer schweren rheumatischen Arthritis sowie Multipler Sklerose erkrankt ist, war die Behandlung mit eigenhergestellten CAR-T-Zellen vielversprechend. „Gerade bei Patientinnen und Patienten, die unter fortgeschrittenen Erkrankungen mit verschiedenen Organeinschränkungen leiden, stehen zugelassene Therapien oft nicht zur Verfügung“, erklärt Prof. Dr. Claudia Lengerke, Ärztliche Direktorin der Abteilung für Hämatologie, Onkologie, klinische Immunologie und Rheumatologie. Heilversuche mit eigenhergestellten CAR-T-Zellen können ermöglichen, die Therapie auf die Patientin oder den Patienten individuell abzustimmen.

    Noch in diesem Jahr sollen diese Erkenntnisse in mehrere klinische Studien überführt werden, um die Wirksamkeit der Therapie bei Kindern und Erwachsenen weiter zu erforschen. „Unsere bisherigen Erfahrungen machen Hoffnung, dass diese CAR-T-Zellen auch bei Patientinnen und Patienten mit lebens- oder organbedrohlichen Autoimmunerkrankungen helfen können, die auf keine anderen Behandlungen ansprechen“, sagt Prof. Dr. Jörg Henes, Leiter des Bereichs Rheumatologie. Bis zum Beginn der Studien können einzelne Betroffene über Heilversuche behandelt werden.
    Zellen werden vor Ort hergestellt

    Das Besondere des Therapieansatzes am Uniklinikum: Die CAR-T-Zellen werden vor Ort in besonderen Reinräumen durch die Teams der Medizinischen Klinik und der Kinderklinik hergestellt. Die Zellen stehen so innerhalb weniger Tage zur Verfügung, aufwändige Transport- und Einfrierprozesse entfallen. Gegenüber den bereits zugelassenen CAR-T-Zellprodukten werden in Tübingen neuartige Zielantigene und CAR-T-Zellkonstrukte entwickelt. Eine enge Kooperation mit dem Biotechnologie- und Biomedizin-Unternehmen Miltenyi Biotec, weltweit führend in der Entwicklung von Technologien im Bereich Stammzelltransplantation und Zelltherapie, macht dies möglich. Miltenyi Biotec entwickelt die Prozesse und Geräte, mit denen die Zellen nach der Sammlung aus dem Patienten weiterbearbeitet und genetisch modifiziert werden.

    Wie funktioniert die CAR-T-Zelltherapie?

    „Eine CAR-T-Zelltherapie wird an den Patienten oder die Patientin individuell angepasst. Die körpereigenen T-Zellen werden durch eine Prozedur, die einer Blutwäsche ähnelt, innerhalb weniger Stunden entnommen“, erklärt Lengerke. Die Zellen werden dann in einem speziell ausgerüsteten Labor genetisch verändert, sodass sie auf ihrer Oberfläche sogenannte „Chimäre Antigen-Rezeptoren“ tragen, die bestimmte Zielstrukturen auf Krebszellen erkennen können. Im Falle der Leukämiebehandlung kamen in Tübingen CAR-T-Zellen zum Einsatz, die über zwei verschiedene Zielantigene (CD19 und CD22) Krebszellen zerstören können. Nach einer kurzen Chemotherapie werden der Patientin oder dem Patienten die veränderten CAR-T-Zellen wie in einer Bluttransfusion zurückgegeben. Sie vermehren sich im Körper und bekämpfen die Krebszellen oder fehlgeleiteten Abwehrzellen, die eine Autoimmunkrankheit auslösen. Da Nebenwirkungen ausgelöst werden können, bleiben die Patientinnen und Patienten mehrere Tage in der Betreuung spezialisierter Teams. CAR-T-Zellen können als „lebende Waffe“ langfristig im Körper verbleiben, aber je nach Zielmolekül auch Veränderungen im Immunsystem hervorrufen, die eine langfristige ambulante Nachsorge notwendig machen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Claudia Lengerke
    Ärztliche Direktorin
    Medizinische Klinik, Abt. Innere Medizin II ‒ Hämatologie, Onkologie, klinische Immunologie und Rheumatologie


    Originalpublikation:

    Phely L, Hensen L, Faul C, Ruff C A, Schneider D, Bethge W A, Lengerke C
    Allogeneic CD19/CD22 CAR T-Cell Therapy for B-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia
    Link: https://jamanetwork.com/journals/jamaoncology/fullarticle/2817659
    DOI: 10.1001/jamaoncol.2024.0473


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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