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09.07.2004 13:29

Nektar für die Schutztruppe - Wie sich eine Pflanzen-Tier-Kooperation entwickelte

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Bis zu 13.000 Leibwächter kann sich eine Horntragende Akazie leisten. Dafür stellt der Baum Futter und Unterkunft für die Schutztruppe zur Verfügung, die aus bestimmten Ameisenarten rekrutiert wird. Je eine Kolonie besiedelt einen Baum und verteidigt dieses Revier aggressiv gegen Pflanzenfresser und konkurrierende Vegetation. Nahe verwandte Akazienarten dagegen produzieren so genannten Blattnektar, der die Ameisen als Futterquelle anlockt, nur bei Bedarf. Diese Fähigkeit stand am Anfang der Pflanzen-Tier-Kooperation, später erst gingen manche Akazienarten eine dauerhafte Symbiose mit den Ameisen ein. Dies konnten Professor Dr. Günther Heubl und Dr. Harald Meimberg, beide vom Bereich Biodiversitätsforschung des Departments Biologie I der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Ökologische Chemie in Jena zeigen, wie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature berichtet. Die Münchner Wissenschaftler konzentrierten sich dabei auf die Frage, wie sich dieser von den Forschern aus Jena entdeckte Mechanismus bei den Akazien im Lauf der Evolution entwickelt hat.

    Pflanzen sind erfinderisch - vor allem wenn es um die Abwehr von Fraßfeinden geht. Stacheln, Dornen und Bitterstoffe, die in beschädigten Pflanzenteilen produziert werden, sind nur ein paar Beispiele aus ihrem Arsenal. Eine lebende Ameisen-Schutztruppe ist aber besonders effektiv. Rund ein Viertel der Arbeiterameisen patrouilliert unablässig "ihren" Baum und vertreibt jeden Eindringling von Insekten bis zu Säugern. Die Tiere sind außerordentlich aggressiv: Sie stechen und beißen, verjagen und töten. Schon der Geruch eines Menschen löst eine Abwehrreaktion aus. Die Ameisen vernichten auch Vegetation, die auf der Akazie wächst oder in der Nähe der Pflanze um Boden und Licht konkurriert.

    Die Akazie liefert ihrer Ameisenkolonie dafür eine Rundumversorgung. Die Tiere leben in den stark vergrößerten Nebenblattdornen der Pflanze. Ameisenköniginnen, die ein neues Nest gründen wollen, suchen zunächst eine unbesiedelte Akazie. Dort schneiden sie ein Loch in einen Dorn und beginnen, Eier zu legen. Erreicht diese Gemeinschaft eine gewisse Größe, wandern Tiere zu anderen Dornen auf derselben Pflanze und siedeln dort. Die wichtigste Zuckerquelle der Ameisen ist der reichhaltige Blattnektar, den die Akazie produziert. So genannte Futterkörperchen an den Blattenden liefern Protein und Fett für die Tiere. Eine andere Funktion ist nicht bekannt. So gut haben sich Ameisen und Akazien angepasst, dass keiner ohne den anderen mehr überleben kann. Die Tiere sind auf das Leben in und an der Akazie spezialisiert, während die Pflanze ohne ihre Leibwächter verkümmert und letztlich - zerfressen und überwuchert - eingeht, da diesen Akazienarten andere Verteidigungsmechanismen fehlen.

    Andere, nahe verwandte Akazienarten begnügen sich mit nur gelegentlichen Kooperationen mit Ameisen, wie die Forscher an mittelamerikanischen Akazien im Vergleich zeigen konnten. Diese Bäume produzieren Blattnektar nur bei Bedarf, etwa bei Beschädigung ihrer Blätter. Das genügt, um Ameisen anzulocken, die wiederum Fraßfeinde vertreiben. Dabei handelt es sich aber nicht um spezialisierte Ameisenarten. Die dauerhaft symbiotisch lebenden Akazien hingegen reagieren im Vergleich dazu nicht auf eine Beschädigung ihrer Blätter. Möglicherweise ist dies aber auch nicht nötig, weil sie ohnehin dauerhaft mehr Nektar produzieren als ihre Verwandten bei Bedarf.

    Die Frage nach der Entwicklungsgeschichte dieser interessanten Fähigkeit von Akazien ist besonders spannend, weil unterschiedliche Theorien vorlagen. Bei anderen Tier-Pflanzen-Symbiosen konnte gezeigt werden, dass die dauerhafte Kooperation zuerst entstand, und die Bedarfszusammenarbeit erst später. Bei den Ameisenakazien gab es die Vermutung nach früheren Studien, dass die Nektarproduktion im Bedarfsfall mehrmals entwickelt worden sein könnte. Tatsächlich aber, wie Heubl und Meimberg zeigen konnten, gab es zuerst Akazienarten, die im Notfall mit Ameisen kooperierten. Dauerhafte Symbiosen zwischen diesen Arten entstanden entwicklungsgeschichtlich erst später. (suwe)

    Ansprechpartner:

    Dr. Harald Meimberg
    Department Biologie I, Bereich Biodiversitätsforschung
    Tel.: 089 / 17861205
    Mobil: 0179/ 1487333
    Fax: 089 / 172638
    E-Mail: meimberg@lrz.uni-muenchen.de oder meimberg@hotmail.com


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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