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22.04.2024 11:56

Stellungnahme der unterzeichnenden Fachgesellschaften zur geplanten Novelle des WissZeitVG

Dr. Anke Lischeid Pressestelle
Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e.V.

    Siebzehn Fachgesellschaften, die zusammen mehr als 55.000 Mitglieder in den Natur- und Lebenswissenschaften sowie in der Biomedizin vertreten, äußern sich mit einer Stellungnahme zur geplanten Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

    Eine Anpassung der Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Karrierewege junger Wissenschaftler:innen innerhalb und außerhalb akademischer Einrichtungen, ist aus Sicht der Natur- und Lebenswissenschaften sehr zu begrüßen. Dazu zählt neben einer notwendigen Anpassung der Finanzierungs- und Personalstrukturen der wissenschaftlichen Einrichtungen auch die intensiv diskutierte Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Das Bundeskabinett hat dazu in Anlehnung an den Referentenentwurf des BMBF vom 6. Juni 2023 kürzlich einen Gesetzesentwurf beschlossen, der jetzt in die parlamentarische Beratung geht. Der Entwurf sieht eine maximal 6-jährige Promotionsphase sowie eine darauffolgende maximal 4-jährige Postdoc-Phase vor. Darüber hinaus sollen zwei weitere Jahre der befristeten Anstellung mit verbindlichen Zielvereinbarungen für den Übergang auf eine Dauerstelle ermöglicht werden.

    Die unterzeichnenden natur- und lebenswissenschaftlichen Fachgesellschaften begrüßen prinzipiell die Bestrebung eine bessere Planbarkeit und Verlässlichkeit wissenschaftlicher Karrieren zu ermöglichen, weisen jedoch auf folgende kritische Punkte hin:

    1. Im Bereich der Natur- und Lebenswissenschaften sowie in der Biomedizin würde die geplante zeitliche Ausgestaltung der beiden Qualifizierungsphasen (max. 6 Jahre bis zur Promotion, [4+2] Jahre als Postdoc) grundsätzlich in einigen– aber nicht in allen -Fachgebieten nur sehr knapp - ausreichen, um die für eine Professur erforderlichen Projekterfolge in Form von umfangreichen Datensätzen, eigenverantwortlichen Publikationen, Lehrerfahrungen und eigenständig eingeworbenen Forschungsmitteln zu erarbeiten oder ein Experten-Profil für Karriereziele neben der Professur zu entwickeln und zu verfestigen. Da die angestrebte Novellierung des WissZeitVG keine zusätzlichen unbefristeten Stellen schaffen wird, ist in den meisten Fällen eine Begrenzung der Postdoc Qualifizierungsphase auf 4 Jahre zu erwarten. Gerade in experimentellen Fächern ist diese Zeit jedoch oftmals unzureichend und wird zu einer Abwanderung von Wissenschaftler:innen ins Ausland und zu einem dramatischen Verlust der Qualität der Forschung in den Natur- und Lebenswissenschaften und in der Biomedizin in Deutschland führen.

    2. Eine weitere Öffnung der Tarifklausel, d.h. die Überlassung wichtiger Elemente der Befristungsregelungen zur Regelung durch das Tarifrecht, halten die unterzeichnenden Fachgesellschaften weder für sachgerecht noch für geboten. Befristungsregelungen in Flächentarifverträgen würden weder den unterschiedlichen wissenschaftlichen Einrichtungen noch den Karrierewegen junger Wissenschaftler:innen gerecht und würden zu einer Zersplitterung der rechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen führen. Eine nach Bundesländern differenzierte Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Karriereoptionen wäre kontraproduktiv und würde für ein Ungleichgewicht in der Forschung in den Bundesländern führen. Würde die gesamte Qualifizierungsbefristung in die Dispositionsfreiheit der Tarifpartner gelegt, wären die Folgen für den Wissenschaftsstandort Deutschland und für die Karrierewege junger Wissenschaftler:innen in den Naturwissenschaften und der Biomedizin schwerwiegend.

    3. Für die wissenschaftliche Arbeit in den Natur- und Lebenswissenschaften ist die Möglichkeit, weiterhin im Kontext von Drittmittelprojekten befristen zu dürfen - ohne zeitliche Obergrenzen oder eine Limitierung der Anzahl drittmittelbasierter Verträge - essentiell.

    4. Die geplante Mindestvertragslaufzeit von 3 Jahren für den Erstvertrag von Doktoranden:innen ist generell sehr zu begrüßen. Wir weisen darauf hin, dass eine flächendeckende Umsetzung einer solchen Mindestvertragslaufzeit die wissenschaftlichen Einrichtungen vor zusätzliche Herausforderungen stellt. So müssten finanzielle Resourcen aus den Haushalten der Einrichtungen bereitgestellt werden, um zu gewährleisten, dass verfügbare Drittmittel mit Restlaufzeiten von weniger als 3 Jahren sachgerecht eingesetzt werden können.

    5. Die vorgesehene Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr für studienbegleitende Beschäftigungen ist aufgrund der inhärenten Organisation universitärer Praktika und Kurse in den Naturwissenschaften und in der Biomedizin in vielen Fällen nicht durchführbar, so dass eine Beeinträchtigung der universitären Lehre zu befürchten ist. Wir empfehlen daher, begründete Ausnahmen von der Mindestvertragslaufzeit zuzulassen.

    Um die mit der Novellierung des WissZeitVG angestrebte verbesserte Planbarkeit wissenschaftlicher Karrierewege zu erreichen, ist aus Sicht der unterzeichnenden Fachgesellschaften im Bereich der Natur- und Lebenswissenschaften die Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen erforderlich. Dies ist nur durch eine deutliche Aufstockung der dauerhaften Mittel zur Grundfinanzierung der Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen zu erreichen. Die unterzeichnenden Fachgesellschaften regen daher an eine diesbezügliche Diskussion mit den Vertretern des Bundes und der Länder alsbald zu führen.

    Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM)
    Anatomische Gesellschaft (AG)
    Deutsche Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie (DGPT)
    Deutsche Gesellschaft für Extrazelluläre Vesikel (GSEV)
    Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
    Deutsche Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP)
    Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ)
    Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG)
    Deutsche Physiologische Gesellschaft (DPG)
    Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
    Gesellschaft für Entwicklungsbiologie (GfE)
    Gesellschaft für Genetik (GfG)
    Gesellschaft für Mikroskopie und Bildanalyse (GerBI-GMB)
    Gesellschaft für Virologie (GfV)
    Neurowissenschaftliche Gesellschaft (NWG)
    Signal Transduction Society (STS)
    Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM)

    Die unterzeichnenden Fachgesellschaften vertreten mehr als 55.000 Mitglieder in den Natur- und Lebenswissenschaften sowie in der Biomedizin.

    Medienkontakt:
    Prof. Dr. Volker Haucke
    Präsident der Gesellschaft für
    Biochemie und Molekularbiologie e.V.
    https://gbm-online.de/die-gbm.html
    haucke@fmp-berlin.de
    Tel. +49 (0) 30 947 93 100

    Information zur GBM
    Die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) ist die größte biowissenschaftliche Fachgesellschaft Deutschlands. Sie bietet ihren rund 5.000 Mitgliedern aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Industrie nach außen eine starke Interessenvertretung gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit, sowie Gelegenheiten zu internationaler Kooperation. Nach innen eröffnet die GBM zahlreiche Möglichkeiten der Vernetzung und der Förderung der wissenschaftlichen Karriere.


    Weitere Informationen:

    https://idw-online.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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