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09.07.2004 14:09

RUBIN 1/2004: Gerechtigkeit für behinderte Menschen

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Kassen sind leer - es wird gespart. Auch und vielleicht gerade an Gesundheit und Sozialem geht die Not der öffentlichen Hand nicht spurlos vorbei. Aber wie können Kürzungen im Sozialbereich möglichst gerecht gestaltet werden?, so eine der brennenden Frage unserer Zeit. Die Bochumer Wissenschaftler Dr. Johannes Eurich (Evangelisch-Theologische Fakultät) und Dr. Andreas Langer (Fakultät für Sozialwissenschaften) tasten sich in der neuen Ausgabe des RUB-Wissenschaftsmagazins RUBIN an das aktuelle Problem der Vermittlung zwischen Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit heran.

    Bochum, 09.07.2004
    Nr. 215

    Gerecht sparen?
    Vom Wert(-verlust) des Menschen
    RUBIN 1/2004: Gerechtigkeit für behinderte Menschen

    Die Kassen sind leer - es wird gespart. Auch und vielleicht gerade an Gesundheit und Sozialem geht die Not der öffentlichen Hand nicht spurlos vorbei. Aber wie können Kürzungen im Sozialbereich möglichst gerecht gestaltet werden?, so eine der brennenden Frage unserer Zeit. Die Bochumer Wissenschaftler Dr. Johannes Eurich (Evangelisch-Theologische Fakultät) und Dr. Andreas Langer (Fakultät für Sozialwissenschaften) tasten sich in der neuen Ausgabe des RUB-Wissenschaftsmagazins RUBIN an das aktuelle Problem der Vermittlung zwischen Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit heran: Während für den Theologen die Lösung darin liegt, den Nutzwert einer medizinischen Behandlung zu bestimmen, propagiert der Sozialpädagoge den Weg der Partizipation bzw. Organisationsentwicklung in Pflegeeinrichtungen.

    RUBIN mit Abbildungen im Internet

    RUBIN inklusive Fotos zum Herunterladen finden Sie im Internet unter http://www.rub.de/rubin/rbin1_04

    Gesellschaft und Gerechtigkeit

    Die heutige Gesellschaft steckt in einer scheinbar unlösbaren Zwickmühle: Auf der einen Seite fehlen der öffentlichen Hand die Mittel, auf der anderen Seite sollen chronisch Kranke und behinderte Menschen nicht aus dem sozialen Raster fallen. Die Gesellschaft fordert Gerechtigkeit und Chancengleichheit - denn eines ist unstrittig: Eine Abstufung der Menschenwürde nach Schwere einer Krankheit ist mit dem Grundgesetzt unvereinbar. Aber eine Gerechtigkeit, die es tatsächlich jedem Einzelnen 'recht' macht, ist nicht zu finanzieren.

    Welchen Wert hat eine Krankheit?

    Wie weit soll Gerechtigkeit also gehen? Wie kann ein Staat entscheiden zwischen dem Wohlstand der einen und der Chancengleichheit der anderen? Wäre es gerecht, jede Behinderung bis zum Äußersten zu fördern? Es muss ein Beurteilungssystem her, um das Verhältnis von Effizienz und Gerechtigkeit abzuwägen und so die Grundlage für eine gerechte Zuteilung von Ressourcen zu schaffen. Dazu bietet es sich an, Krankheitsgrad, Heilungs- und Verbesserungschancen und Gleichheit als Kriterien einzusetzen: Mit den 'qualitäts-adjustierbaren Lebensjahren' (QALYs) etwa ist ein Maßstab gegeben, um den Nutzwert zu ermitteln, der die Lebensqualität eines Patienten in einem spezifischen Gesundheitszustand mit der Zeit verrechnet, die er in diesem Gesundheitszustand verbringt. So können bei Kosten-Nutzen-Analysen auch die sozialen und medizinischen Effekte gemessen werden.

    Die Zwickmühle des Sozialarbeiters

    Effizienz und Gerechtigkeit spielen nicht nur im gesellschaftlichen Kontext eine Rolle. Es geht auch darum, den Arbeitseinsatz des Sozialpädagogen effizient und gerecht zu gestalten. Er sieht sich mit dem Problem konfrontiert, zugleich zwei 'Arbeitgebern' verpflichtet zu sein: Der Organisation, für die er als Angestellter arbeitet, und dem Behinderten oder Pflegebedürftigen, dem er ein stabiles Gefühl des Vertrauens geben soll. Der Sozialarbeiter muss sich in bestimmten Situationen entscheiden zwischen Wirtschaftlichkeit und Patientenautonomie wie auch zwischen Zeitdruck und Überforderung. Zusätzlich zu diesen paradoxen Handlungsaufforderungen prallen in seinem professionellen Handeln unterschiedliche Ansprüche aus Gesellschaft, Institution, Recht, Umfeld, Biografie oder Arbeitseinstellung aufeinander.

    Lösung: Der 'dritte Weg'

    Denkbare Lösungen für diese Probleme bieten also sowohl das QALY-System als auch Partizipation und Organisationsentwicklung im Pflegebereich. Bei der Partizipation geht es darum, Freunde und Verwandte in das 'pflegende Umfeld' kranker oder behinderter Menschen einzubeziehen. Organisationsentwicklung meint, dass Pflegeeinrichtungen flexibel auf neue Herausforderungen und Patientenbedürfnisse reagieren lernen - neue und innovative Hilfsangebote dürfen nicht an starren Organisationsstrukturen scheitern. Pointiert gesagt: Gerechtigkeit wird erst dann möglich, wenn Menschen trotz kontraproduktiver Anreize (Zeit, Geld, Richtlinien) nach der Leitidee der Gerechtigkeit handeln.

    Weitere Themen des Hefts

    Naturwissenschaften: Zeolithe erobern den Alltag - Das Spiel mit den Strukturen; Geisteswissenschaften: Das Zurückweichen des Himmels; Ingenieurwissenschaften: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser; Vakuumdämmung - Schlanke Wände, warme Zimmer; Medizin: Auch mit Darmkrebs gut leben; Viren für die Gentherapie - Ein Taxi zum Kern, bitte! Naturwissenschaften: Zeolithe erobern den Alltag: Das Spiel mit den Strukturen (Mineralogie-Kristallographie), Mit Bienen im Gespräch (Verhaltensbiologie), Geisteswissenschaften: Das Zurückweichen des Himmels (Neuere Geschichte I), Ingenieurwissenschaften: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser (Hydrologie, Wasserwirtschaft und Umwelttechnik), Vakuumdämmung: schlanke Wände - warme Zimmer (Baukonstruktion und Bauphysik), Medizin: Auch mit Darmkrebs gut leben (Medizinische Universitätsklinik I, St. Josef-Hospital), Viren für die Gentherapie: Ein Taxi zum Kern, bitte! (Molekulare und Medizinische Virologie)

    Weitere Informationen

    Dr. Johannes Eurich, Diakoniewissenschaftliches Institut, Ruprecht-Karls-Universität, Karlstr. 16, 69117 Heidelberg, Tel.: 06221/54333-9, johannes.eurich@dwi.uni-heidelberg.de
    Dr. Andreas Langer, jazzfog@netcologne.de


    Weitere Informationen:

    http://www.rub.de/rubin/rbin1_04


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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