Innovativer Werkstoff für eine energieeffiziente Architektur: Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) stellen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Communications ein polymerbasiertes Material mit besonderen Eigenschaften vor. Das Material lässt Sonnenlicht ins Innere, sorgt für ein angenehmeres Raumklima und reinigt sich wie ein Lotusblatt selbst. Die Neuentwicklung könnte in Zukunft Glaskomponenten in Wänden und Dächern ersetzen. In Außentests auf dem Campus des KIT hat das Forschungsteam das Material erfolgreich erprobt. (DOI: 10.1038/s41467-024-48150-2).
Möglichst viel natürliches Licht in Gebäuden ist beliebt und spart Energiekosten. Herkömmliche Glasdächer und -wände bringen jedoch auch Probleme mit sich, etwa Blendung, mangelnde Privatsphäre und Überhitzung. Alternative Lösungen wie Beschichtungen und lichtstreuende Materialien bieten bislang noch keine umfassende Abhilfe.
Neues Material vereint mehrere Funktionen
Forschende am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) und am Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT haben nun ein neuartiges polymerbasiertes Metamaterial entwickelt, das verschiedene Eigenschaften vereint und in Zukunft Glaskomponenten im Baubereich ersetzen könnte. Das sogenannte Polymer-based Micro-Photonic Multi-Functional Metamaterial (PMMM) besteht aus mikroskopisch kleinen Pyramiden aus Silikon. Diese Mikropyramiden messen rund zehn Mikrometer, das entspricht etwa einem Zehntel des Durchmessers eines Haars. Diese Beschaffenheit verleiht dem PMMM-Film mehrere Funktionen: Lichtstreuung, Selbstreinigung und Strahlungskühlung bei gleichzeitig hoher Transparenz. „Ein wesentliches Merkmal ist die Fähigkeit, effizient Wärme durch das langwellige Infrarot-Übertragungsfenster der Erdatmosphäre abzustrahlen und so Wärme in die kalte Weite des Universums abzugeben. Das ermöglicht eine passive Strahlungskühlung ohne Stromverbrauch”, erklärt Bryce S. Richards, Professor am IMT und LTI.
Kühlend, lichtdurchlässig und blendfrei
Im Labor und mit Experimenten unter freiem Himmel bei realen Außenbedingungen testeten die Forschenden die Eigenschaften des Materials und maßen mit moderner Spektrophotometrie Lichtdurchlässigkeit, Lichtstreuung, Reflexionseigenschaften, Selbstreinigungsfähigkeit und Kühlleistung. Das Ergebnis: In den Versuchen wurde eine Kühlung um sechs Grad Celsius gegenüber der Umgebungstemperatur erreicht. Zudem zeigte sich eine hohe spektrale Durchlässigkeit, also Transparenz von 95 Prozent. Glas hat im Vergleich üblicherweise eine Transparenz von 91 Prozent. Gleichzeitig werden durch die Mikropyramidenstruktur 73 Prozent des einfallenden Sonnenlichts gestreut. Das sorgt für eine verschwommene Optik. „Wenn das Material in Dächern und Wänden verwendet wird, ermöglicht es so helle und gleichzeitig blendfreie sowie sichtgeschützte Innenräume für Arbeiten und Wohnen. In Gewächshäusern könnte die hohe Lichtdurchlässigkeit die Erträge steigern, weil die Effizienz der Fotosynthese schätzungsweise neun Prozent höher ist als in Gewächshäusern mit Glasdächern”, sagt Dr. Gan Huang, Gruppenleiter am IMT. Die Mikropyramiden verleihen dem PMMM-Film zudem superhydrophobe Eigenschaften, ähnlich wie bei einem Lotusblatt: Wasser perlt in Form von Tropfen ab und entfernt dabei Schmutz und Staub von der Oberfläche. Diese Selbstreinigungsfunktion macht das Material pflegeleicht und langlebig.
Potenzial für Bau und Stadtentwicklung
„Unser neu entwickeltes Material hat das Potenzial, in verschiedenen Bereichen eingesetzt zu werden und leistet einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen und energieeffizienten Architektur“, erklärt Richards. „Das Material kann gleichzeitig für optimale Nutzung von Sonnenlicht in Innenräumen sorgen, passiv kühlen und die Abhängigkeit von Klimaanlagen reduzieren. Die Lösung lässt sich skalieren und nahtlos in Planungen für umweltfreundlichen Hausbau und Stadtentwicklung integrieren”, sagt Huang.
Für seine Arbeit hatte das Karlsruher Forschungsteam bereits im vergangenen Jahr den 1. Platz beim Public Choice Award des Helmholtz Best Scientific Image-Wettbewerbs gewonnen.
Originalpublikation
Gan Huang, Ashok R. Yengannagari, Kishin Matsumori, Prit Patel, Anurag Datla, Karina Trindade, Enkhlen Amarsanaa, Tonghan Zhao, Uwe Köhler, Dmitry Busko, Bryce S. Richards: Radiative cooling and indoor light management enabled by a transparent and self-cleaning polymer-based metamaterial, Nature Communications volume 15, Article number: 3798 (2024). DOI: 10.1038/s41467-024-48150-2
https://www.nature.com/articles/s41467-024-48150-2
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Dr. Sabine Fodi, Pressereferentin, Tel.: +49 721 608-41154, E-Mail: sabine.fodi@kit.edu
https://www.nature.com/articles/s41467-024-48150-2
https://www.nature.com/articles/s41467-024-48150-2
Kühlend, lichtdurchlässig und blendfrei: Das neue Material vereint mehrere besondere Eigenschaften. ...
Gan Huang, KIT
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Bauwesen / Architektur, Energie, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Kühlend, lichtdurchlässig und blendfrei: Das neue Material vereint mehrere besondere Eigenschaften. ...
Gan Huang, KIT
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).