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06.06.2024 13:36

Was ich als Orthopäde und Unfallchirurg nie machen würde

Susanne Herda, Swetlana Meier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V.

    Der Kieler Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. Andreas Seekamp kennt die Sommer-Unfallgefahren aus seiner täglichen Praxis. Wasser, Wind und Sonne können bei Leichtsinn und Übermut schnell zu gefährlichen Unfällen führen, sei es durch nächtliche Abenteuer in Freibädern, riskante Kopfsprünge, aufregende Wassersportarten wie Kitesurfen oder die unterschätzte Gefahr von Sonne und Wind am Strand. Schwere Knochenbrüche, chirurgische Notfälle und Hautverbrennungen sind die Folge.

    „Gute Laune, sportliche Aktivitäten und die Dynamik in der Gruppe lassen Vorsichtsregeln oft vergessen“, sagt Seekamp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Er erläutert die Unfallrisiken und -folgen. Die DGOU gibt wertvolle Tipps, wie man sich vor Verletzungen schützen kann.

    Sonnenschein und steigende Temperaturen locken Menschen jeden Alters ans Wasser: ins Freibad, an idyllische Binnenseen oder an die Küsten von Nord- und Ostsee. Seekamp ist ein erfahrener Arzt und arbeitet als Direktor der gemeinsamen Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Kiel. Er behandelt regelmäßig Verletzte – diese vier typischen saisonalen Verletzungen begegnen ihm dabei immer wieder:

    Ringfinger-Verletzung durch nächtliche Abenteuer mit Risiken

    Seekamp sagt: „Ein typisches Beispiel ist der nächtliche Besuch eines geschlossenen Freibads. Häufig alkoholisiert, klettern die Wagemutigen über einen 3- bis 4-Meter hohen Zaun, der am oberen Ende nicht selten mit Stacheldraht gesichert ist, um dann mit einem Sprung auf die Wiese des Freibads zu gelangen und ins Schwimmbecken zu springen. Mindestens einer aus der Gruppe bleibt bei diesem Manöver mit einem Ring an seinem Finger an dem Zaun hängen und reißt sich dabei komplett die Haut vom Finger. Dies ist ein chirurgischer Notfall: Die Haut ist wie bei einem Handschuh vom Finger gerissen. Der Finger ist verloren, wenn nicht rasch der Weichteilmantel des Fingers chirurgisch wiederhergestellt wird. Im besten Fall kann der abgeschobene Hautmantel nach entsprechender Säuberung über den Finger zurückgeschoben und vernäht werden, wenn er noch in Höhe des Fingernagels am Finger hängt. Trotz sofortiger chirurgischer Maßnahmen ist die Prognose dieser Verletzung jedoch schlecht. In den meisten Fällen sind die kleinen Gefäße und Nerven so stark beschädigt, dass die Verletzung nicht ausheilt und der Finger nach einigen Tagen amputiert werden muss. In unserer Klinik müssen jeden Sommer mehrere dieser Verletzungen versorgt werden.“

    Knochenbrüche und Kopfverletzungen durch Kopfsprünge ins Ungewisse

    Seekamp sagt: „Auch der Kopfsprung ins nicht bekannte oder zu tief eingeschätzte Wasser kommt weiterhin in den Sommermonaten regelmäßig vor. Je nachdem, welches Körperteil zuerst auf dem Grund des Gewässers aufschlägt, kommt es zu Verletzungen wie Frakturen der Hände und Arme oder zu Kopf- und Halswirbelsäulenverletzungen. Mehrmals pro Woche behandeln wir solche Patienten in unserer Notaufnahme. In den meisten Fällen treten Schürfverletzungen und Verstauchungen auf, die ambulant behandelt werden können. Schwerwiegender sind Frakturen der Hand-, Ellenbogen- oder Schultergelenke, hier sind in der Regel aufwändige Operationen erforderlich, gefolgt von einer mehrwöchigen Rehabilitation. Vier- bis fünfmal pro Sommer sehen wir in unserer Klinik aber auch die schwersten Verletzungen eines Kopfsprunges, wie schwere Schädelhirntraumata mit Einblutungen ins Gehirn oder Frakturen der Halswirbelsäule mit irreversibler Schädigung des Rückenmarks. Trotz sofortiger chirurgischer Behandlung, wie der Ausräumung eines Blutergusses im Schädel oder einer offenen Stabilisierung der Halswirbelsäule mit Entlastung des Rückenmarks, hinterlassen diese Verletzungen oft einen lebenslangen Dauerschaden. Im schlimmsten Fall führt dies zu einer hohen Querschnittslähmung, die selbst die Atemmuskulatur betreffen kann.“

    Verletzung des Gesichtsschädels durch hohe Windgeschwindigkeiten und Kontrollverlust auf dem Wasser

    Seekamp sagt: „Gefahren lauern aber auch bei Aktivitäten auf dem Wasser, wie dem Segeln und dem Surfen. Gerade beim Kitesurfen, dem „Flitzen übers Wasser“ mit einem kleinen Board und einem großen Lenkdrachen-Segel, passieren je nach Wetterlage mehrmals pro Woche schwere Unfälle, meist in Ufernähe. Wer sich im Kitesurfen versuchen möchte, sollte wissen, dass die Technik mehr erfordert als den Umgang mit einem Lenkdrachen an Land. Herausfordernd sind beim Kitesurfen das Starten und Anlanden am Ufer. Die Sportart lebt vom starken Wind. Erst ab Windstärke 6, wenn der normale Strandbesucher sich die Jacke zuzieht und die Arme verschränkt, beginnt das Kitsurfen Spaß zu machen. Schätzt man eine Situation falsch ein, wird man durch das voll aufgeblähte Drachensegel mit großer Wucht beispielsweise gegen eine Kaimauer oder Strandbuhne geschleudert. Oder man stürzt bei plötzlich nachlassendem Wind aus größerer Höhe auf den Strand oder ins flache Wasser. Das Verletzungsspektrum ist vielfältig und immer schwerwiegend. Je nachdem wie man aufschlägt, kommt es zu ausgeprägten Frakturen des Gesichtsschädels, der Lendenwirbelsäule sowie der Unterschenkel und der Füße. Nahezu ausnahmslos ist eine chirurgische Behandlung erforderlich. Aufgrund begleitender Weichteilverletzungen erfordern diese Verletzungen häufig eine mehrzeitige Versorgung. Nach einem längerfristigen stationären Aufenthalt folgt eine mehrwöchige Rehabilitation. Nicht selten bleibt dennoch eine dauerhafte Beeinträchtigung der verletzten Körperregion.“

    Verbrennungen durch Sonne und Wind am Strand – eine gefährliche Kombination

    Seekamp sagt: „Selbst derjenige, der sich einfach nur am Strand entspannen und in die Sonne legen möchte, sollte achtsam sein. Durch den stetigen Wind verspürt man selbst bei starker Sonneneinstrahlung kein Verlangen, sich in den Schatten zu setzen. Der kühle Luftzug täuscht darüber hinweg, welcher intensiven Bestrahlung die Haut ausgesetzt ist und dass sich dabei ein Sonnenbrand entwickeln kann. Da die Haut zudem durch den Wind ausgetrocknet wird, spricht man an der See auch von einem „Windbrand“. Patienten stellen sich häufig am Ende eines sonnigen Strandtages in der Notaufnahme vor und zeigen Bilder einer Hautverbrennung zweiten Grades mit geröteter Haut und Blasenbildung. Betroffen sind vor allem der Rücken, die Waden und die Füße. Die Therapie erfolgt in der Regel ambulant, die Blasen müssen eröffnet und steril verbunden werden, die Haut der Blasen wird dabei zum Schutz der Verbrennungswunde zunächst belassen. Auf die gerötete Haut wird lediglich eine Feuchtigkeit spendende Salbe aufgetragen und es ist eine mindestens dreitägige Sonnen- und Meerwasserkarenz empfohlen, zumindest der betroffenen Hautabschnitte.“

    Einfache Tipps für einen sicheren Sommer:

    1. Freibäder nur während der Öffnungszeiten besuchen: Das illegale Betreten ist nicht nur verboten, sondern auch sehr gefährlich.
    2. Keine Kopfsprünge in unbekannte, flache Gewässer: Erst prüfen, dann springen.
    3. Professionelle Kitesurf-Kurse besuchen: Lernen Sie die Technik von Experten und surfen Sie nur bei geeigneten Wetterbedingungen.
    4. Sonnenschutz: Verwenden Sie regelmäßig Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor – auch wenn es windig am Strand ist.
    5. Wetterwarnungen beachten: Achten Sie auf Hinweise der Wetterdienste, insbesondere bei Aktivitäten auf dem Wasser.

    Kontakt für Rückfragen:
    Susanne Herda, Swetlana Meier
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
    Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
    Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -16
    E-Mail: presse@dgou.de
    www.dgou.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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