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06.06.2024 16:48

Weiterbildung in Warteschleife? Nicht mit uns!

Dr. Anne Klostermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)

    Über 500 Teilnehmer*innen demonstrierten für Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung vor dem Deutschen Bundestag

    „Psychotherapie-Weiterbildung finanzieren – jetzt!“ forderte heute ein breites Bündnis aus Psychotherapie-Studierenden, Kammern, Verbänden, Ausbildungsstätten, Universitäten und weiteren Interessengruppen vor dem Deutschen Bundestag. Die Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), Dirk Heidenblut (SPD), Alexander Föhr (CDU), Kathrin Vogler (Die Linke) und Nezahat Baradari (SPD) unterstützten die Demonstration, die von der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo) und dem PtW-Forum Berlin organisiert wurde. Hintergrund war die fehlende Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung. Absolvent*innen der neuen Psychotherapie-Studiengänge brauchen die fünfjährige Weiterbildung, um Fachpsychotherapeut*innen zu werden.

    „Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, aber uns rennt die Zeit davon: Die ersten Jahrgänge im neuen System sind nun fertig und stehen vor einer ungewissen Zukunft. Schon ab nächstem Jahr werden es bis zu 2.500 Absolvent*innen jährlich sein. Herr Lauterbach, handeln Sie jetzt: Wir brauchen noch diesen Sommer eine Finanzierungsregelung im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“, warnte PsyFaKo-Mitglied Felix Kiunke.

    Studentin Sara Weber beschrieb die Situation der Studierenden: „Wir haben Angst, weil wir nicht wissen, wie es für uns weitergeht, sobald wir unser Studium abschließen. Frust, weil wir so viel geben, um gute Psychotherapeut*innen zu werden und Wut, weil niemand uns sagen kann, wann oder ob es überhaupt eine Finanzierung für unsere Weiterbildung geben wird. Wir sind motiviert und wollen arbeiten! Wir wollen Patient*innen versorgen! Wir fordern: Lasst uns!“

    „Viele Studierende verzögern ihre Abschlussprüfung – in der Hoffnung, dass es bald mehr Sicherheit gibt. Durch Gespräche weiß ich, wie psychisch belastet die Studierenden durch diese ungewisse Situation sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie auch das Studium Corona-bedingt unter schweren Bedingungen beginnen und durchführen mussten“, gab Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier zu bedenken, Lehrstuhlinhaberin der Klinischen Psychologie und Psychotherapie an der Universität Greifswald und Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. „Daher dürfen wir unsere Absolvent*innen nicht weiter im luftleeren Raum hängen lassen. Sie sind die Zukunft der psychotherapeutischen Versorgung und Forschung in Deutschland.“

    „Es kann nicht sein, dass die Gesundheitspolitik immer noch keine Maßnahmen ergreift, um die Finanzierung der Weiterbildung gesetzlich zu regeln. Seit der Anhörung im Petitionsausschuss vor knapp einem Jahr hat das Bundesgesundheitsministerium weiterhin keine zielführenden Lösungsvorschläge vorgestellt. Deswegen droht kurzfristig quasi ein Weiterbildungsstopp, langfristig ein Versorgungsmangel“, kritisierte Elodie Singer, Psychotherapeutin in Ausbildung (PiA) und Sprecherin der Bundeskonferenz PiA.
    „Die Weiterbildung gibt es nicht zum Nulltarif. Mit dem Kabinettsentwurf eines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) hat die Bundesregierung jetzt erstmals das Problem anerkannt: Die Zukunft des psychotherapeutischen Nachwuchses muss gesichert werden. Das ist gut, aber auch überfällig. Doch greift der Gesetzentwurf viel zu kurz“, bemängelte Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

    „Schon jetzt würden mehr als 2000 Praxen gerne Weiterbildung anbieten. Aber noch keine einzige hat eine*n Psychotherapeuten*in in Weiterbildung eingestellt. Warum nicht? Weil gesetzliche Regelungen fehlen. Wir brauchen eine Änderung der Zulassungsverordnung, damit die Weiterbildungs-Therapieleistungen überhaupt in Praxen erbracht werden können“, forderte Barbara Lubisch, Stv. Bundesvorsitzendes der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).

    „Die politisch Verantwortlichen haben in den letzten 30 Jahren das ehemals attraktive Berufsfeld sozialer Berufe dermaßen vernachlässigt, dass wir hier einen massiven Fachkräftemangel haben. Das hat Folgen, die Kinder und Jugendliche ausbaden müssen“, sagte Ariadne Sartorius, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin aus dem Bundesvorstand des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten (bvvp).

    Hintergrund:

    Seit September 2020 gibt es einen neuen Qualifizierungsweg für Psychotherapeut*innen. Dieser besteht aus einem Studium und einer anschließenden Weiterbildung. Die Struktur der neuen Weiterbildung ist angelehnt an die ärztliche Weiterbildung. Jedoch wurde die Finanzierung der Weiterbildung nicht ausreichend geregelt, und durch eine massive Unterfinanzierung der Weiterbildung wird es kein ausreichendes Angebot an Weiterbildungsplätzen geben. Auf den dringenden Handlungsbedarf wurde im letzten Jahr mit einer erfolgreichen Bundestagspetition aufmerksam gemacht, die durch ihre 72.000 Mitzeichnungen im Juli 2023 zur öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages führte. Der Petitionsausschuss
    hatte das Anliegen anerkannt und ans Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit verwiesen. In der Folge hat am 13. Dezember 2023 der Petitionsausschuss die Petition zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung mit dem höchstmöglichen Votum „zur Berücksichtigung“ an die Bundesregierung überwiesen. Dieser Beschluss wurde am 18. Januar durch den Bundestag bestätigt.
    Im Kabinettsbeschluss des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wurde eine Regelung zur Finanzierung der Weiterbildung zwar aufgenommen, diese beinhaltet aber lediglich eine Refinanzierung der abrechenbaren Versorgungsleistungen der angestellte Psychotherapeut*innen in Weiterbildung. Bei der Verhandlung der Ambulanzen mit den Krankenkassen über die Höhe der Vergütung für diese Versorgungsleistungen sollen notwendige Betriebskosten der Ambulanzen für die Durchführung der Weiterbildung aber ausdrücklich nicht berücksichtigt werden dürfen. Damit können in der ambulanten Weiterbildung keine angemessenen Gehälter bezahlt und zugleich die notwendigen Weiterbildungselemente wie Theorie, Selbsterfahrung und Supervision finanziert werden. Darüber hinaus kann der notwendige Bedarf an Weiterbildungsplätzen nur sichergestellt werden, wenn neben den Ambulanzen auch Praxen, Kliniken und institutionelle Einrichtungen zusammen entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stellen. Für letztere sieht der Kabinettsentwurf zum GVSG keinerlei Regelungen vor.
    Die Absolvent*innen des Masterstudiengangs in Psychotherapie stehen weitgehend ohne Weiterbildungsmöglichkeiten da; für 2025 wird mit einer massiven Zunahme entsprechender Absolvent*innenzahlen gerechnet. Ohne diese Weiterbildung können sie nicht die erforderliche Qualifikation für die psychotherapeutische Praxis erlangen. Diese Situation gefährdet die zukünftige Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung.

    Kontakt für Rückfragen:
    Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier
    DGPs-Vizepräsidentin
    Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie
    Universität Greifswald
    E-Mail: eva-lotta.brakemeier@uni-greifswald.de

    Pressekontakt:
    Dr. Anne Klostermann
    Pressestelle DGPs
    Tel.: 030 28047718
    E-Mail: pressestelle@dgps.de

    Über die DGPs:
    Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.) ist eine Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 5400 Mitglieder erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag. Die Pressestelle der DGPs informiert die Öffentlichkeit über Beiträge der Psychologie zu gesellschaftlich relevanten Themen. Darüber hinaus stellt die DGPs Journalistinnen*Journalisten eine Expertendatenbank für unterschiedliche Fachgebiete zur Verfügung, die Auskunft zu spezifischen Fragestellungen geben können. Wollen Sie mehr über uns erfahren? Besuchen Sie die DGPs im Internet: www.dgps.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Psychologie
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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