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15.07.2004 11:38

Landauer Erklärung zum Lebenslangen Lernen

Bernd Hegen Referat Kommunikation
Universität Koblenz-Landau

    Die Mitglieder der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchsprogramms Lebenslanges Lernen (LLL) der Bund-Länder-Kommission (BLK) haben bei ihrer 14. Sitzung im Zentrum für empirische pädagogische Forschung (zepf) der Universität in Landau die "Landauer Erklärung zum Lebenslangen Lernen" verabschiedet. Darin werden Handlungsleitlinien und Forderungen für Politik, Wissenschaft und Gesellschaft formuliert. Die Erklärung soll auch dazu dienen, eine breite Diskussion über das Lebenslange Lernen zu entfachen und Fortschritte über den aktuellen Stand hinaus zu erreichen.

    Die Wissenschaftler haben hierbei zunächst verdeutlicht:

    Die wissenschaftliche Begleitung betrachtet Lebenslanges Lernen als einen selbsttätigen menschlichen Wachstumsprozess, bei dem eine hohe Selbststeuerung aus Neugier, Interesse und freiem Willen erfolgt. In vielen Fällen benötigt dieser Prozess einen Anschub durch Fremdsteuerung.

    Sie erklären im Einzelnen:

    1. Lebenslanges Lernen betrifft den Einzelnen in einer sich ständig verändernden Gesellschaft und kann einen Beitrag zur Erfüllung der Forderung leisten, Eigeninitiative zu entwickeln, um den zukünftigen Anforderungen an jeden Einzelnen und an die Gesellschaft gerecht zu werden.

    2. Lebenslanges Lernen hat noch nicht das Bewusstsein der Öffentlichkeit erreicht. Dieses Faktum ist angesichts der großen finanziellen Bemühungen der Bundesländer und des Bundes weder förderlich für den einzelnen Bürger, noch für die Fortentwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

    3. Insbesondere diejenigen, die sich professionell für die Erziehung und Bildung in allen Bereichen der Aus-, Fort- und Weiterbildung einsetzen, nehmen noch nicht deutlich genug wahr, welcher Stellenwert ihnen in diesem Kontext als Initiatoren und Unterstützer von Lernprozessen zukommt und was sie leisten müssen, um das Lebenslange Lernen bei den ihnen Anvertrauten zu initiieren und aufrecht zu erhalten.

    4. Die wissenschaftliche Begleitung des BLK-Modellversuchsprogramms Lebenslanges Lernen fordert die Bildungspolitiker in allen Parteien auf, für die gesetzlichen Maßnahmen zu sorgen, die eine ständige Finanzierung des Lebenslangen Lernens ermöglichen. Nur dadurch werden die Betroffenen ermuntert, lebenslanges Lernen anzugehen.

    5. Zu den rechtlich zu regelnden Rahmenbedingungen gehören auch Zertifizierungs- und Unterstützungssysteme, die einerseits den Einzelnen die notwendige Anerkennung ihrer Lernleistungen sichern und andererseits den Anbietern von Aus-, Fort- und Weiterbildung Anreize bieten, geeignete Lerngelegenheiten zu schaffen.

    6. Notwendige Voraussetzung für die Anerkennung und gesellschaftliche Etablierung von Lebenslangem Lernen ist die gezielte Ausbildung aller in der Aus-, Fort- und Weiterbildung beschäftigten Personen mit Lehrfunktionen hinsichtlich der Bedingungen des Lebenslangen Lernens, der Motivierung von Lernenden, der Selbststeuerung des Lernens und der Bewertung des jeweils Erreichten.

    7. Begleitet werden muss das beschriebene Ensemble von Voraussetzungen durch eine Zertifizierung von Bildungseinrichtungen. Sie hat das vorrangige Ziel, eine faktische Überprüfung der Lernergebnisse jeder Einrichtung mit Blick auf das Lebenslange Lernen zu gewährleisten, die Ergebnisse transparent darzustellen und Vorschläge zu notwendigen Veränderung zu erarbeiten. Ob und inwieweit diese Veränderungen umgesetzt werden, muss geprüft werden; dies obliegt nachfolgenden Prozessen eines Qualitätsmanagements.

    8. Diese (Maßnahmen zur) Zertifizierung müssen koordiniert werden, sodass die resultierenden Zertifikate allgemein anerkannt und verbindlich sind und auch europäischen Ansprüchen genügen. Hier ist eine Auseinandersetzung mit bestehender diesbezüglicher Praxis in den Nachbarstaaten der BRD vonnöten.

    9. Zwar werden an vielen Stellen der Bundesrepublik Deutschland erhebliche finanzielle Investitionen getätigt, um Bildung zu verbessern und Lebenslanges Lernen zu etablieren. Ein Beispiel hierfür sind entsprechende Modellversuchsprogramme. Deren Projekte laufen jedoch ohne hinreichende Abstimmung nebeneinander her, so dass der Erfolg der einzelnen Programme von vornherein nur in beschränktem Umfang zur Geltung kommen kann. Die Bildungspolitik muss dafür Sorge tragen, dass Abstimmungen zwischen den Programmen erzielt werden, um zu verhindern, dass an unterschiedlichen Stellen das "Rad neu erfunden" wird, ohne bildungspolitisch und pädagogisch wirksame Fortschritte zu erzielen.

    10. Wenn derzeit Bemühungen fruchten, das Lebenslange Lernen zu etablieren, dann insbesondere in denjenigen Bereichen der Gesellschaft, die auch bisher schon den Nutzen von Bildungsmaßnahmen zu schätzen wissen und von ihnen profitieren. Mit Sorge weist die wissenschaftliche Begleitung darauf hin, dass Bildungsferne und insofern Hilfebedürftige kaum erreicht werden und dass hieraus langfristig Nachteile auch für die Fortentwicklung der Demokratie erwachsen. Investitionen in diese Gruppen stärken nicht nur deren Beschäftigungschancen, sondern sind zugleich eine Voraussetzung für die Verwirklichung von Chancengerechtigkeit in einer sich weiter entwickelnden demokratischen Gesellschaft.

    11. Die Verfasser der Erklärung sind sich darin einig, dass antizyklische Investitionen auf breiter Basis notwendig sind, um Bürgerinnen und Bürger für die gesellschaftliche Etablierung und die Vernetzung von Aktivitäten Lebenslangen Lernens zu gewinnen. Hierzu bedarf es einer konzertierten Aktion von Vertretern der Bildungspolitik, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Verbänden von Lehrenden sowie der Wissenschaft. Der Wissenschaft kommt dabei die besondere Funktion zu, zusammen mit der Praxis fundierte Konzepte zu entwickeln, diese zu bewerten und zu optimieren.

    12. Der Ertrag aller Bemühungen wird aber nur dann maximiert, wenn zugleich eine Entbürokratisierung erfolgt: Bestehende Reglementierungen sind für das Initiieren und Aufrechterhalten von Lebenslangem Lernen kontraproduktiv.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Reinhold S. Jäger
    Zentrum für empirische pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau
    Bürgerstr. 23, 76829 Landau

    Email: jaeger@zepf.uni-landau.de
    Tel. 06341-906175


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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