Zellbasierte Krebstherapien scheitern heute vielfach daran, dass die Immunzellen nicht effizient in den Tumor eindringen können. Der Einsatz bestimmter Fresszellen gilt als vielversprechende Alternative – doch die ließen sich bislang nicht in ausreichenden Mengen in der Kulturschale vermehren. Nun haben Forschende des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Klinikum der LMU München eine Lösung gefunden: Mit einen Transkriptionsfaktor, der über einen Aktivator in der Nährlösung der Zellen an- bzw. abgeschaltet werden kann.
Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.
Therapien mit patienteneigenen Immunzellen, die in der Kulturschale gegen den Krebs aufgerüstet wurden, haben sich bei einigen Leukämien und Lymphomen bereits als sehr wirksam erwiesen. Dazu werden T-Zellen des Patienten gentechnisch mit Rezeptormolekülen ausgestattet, die hochspezifisch bestimmte Merkmale der Tumorzellen erkennen.
Das Problem ist jedoch: Diese sogenannten CAR-T-Zellen schaffen es nicht, effizient in solide Tumoren einzudringen; die Therapien bleiben daher meist wirkungslos. Die Lösung könnte eine andere Gruppe von Immunzellen sein: bestimmte Fresszellen, so genannte Makrophagen, die zum angeborenen Immunsystem gehören.
Makrophagen haben die intrinsische Fähigkeit, in Tumoren einzudringen. Sie können Krankheitserreger oder erkrankte Zellen beseitigen, indem sie sie verschlingen, und sie aktivieren außerdem weitere Verteidigungslinien der Immunabwehr. Sie lassen sich ebenfalls mit zielgerichteten Rezeptorproteinen gegen Tumormerkmale ausstatten – aber: „Bislang war es unmöglich, Fresszellen in der erforderlichen Menge in der Kulturschale zu züchten“, erklärt Philipp Greif, Leiter einer DKTK Forschergruppe am Klinikum der LMU München.
Sobald die Blutstammzellen, aus denen letztendlich auch die Fresszellen hervorgehen, aus ihrer natürlichen Umgebung im Knochenmark isoliert werden, beginnen sie, sich in reife Blutzellen zu differenzieren. Auf diese Weise bleibt der „Ertrag“ an Fresszellen allerdings zu gering, um sie für medizinische Anwendungen zu nutzen.
Ein Team um Philipp Greif und Christian Wichmann, LMU Klinikum, hat nun eine Lösung dieses Problems gefunden: Die Forschenden statteten menschliche Blut-Vorläuferzellen genetisch mit dem Protein MLL-ENL aus. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die Fusion zweier Proteine, die gemeinsam einen krebstreibenden Transkriptionsfaktor formen, der bei vielen Leukämien die Zellteilung antreibt.
Der Trick der DKTK-Forscher: Sie statteten MLL-ENL mit einer regulierbaren Domäne aus, über die es mit einer chemischen Substanz aktiviert werden kann. Experten sprechen von einem „induzierbaren“ Transkriptionsfaktor. Wurden die Blutstammzellen in der Kulturschale in Anwesenheit der Substanz vermehrt, so gelang es, große Mengen an späten monozytären Blutvorläuferzellen, Vorläuferstadien des Makrophagen, zu züchten. Sobald die Substanz aus dem Nährmedium entfernt wurde, ließen sich die Zellen durch geeignete Stimuli und Immunbotenstoffe wie etwa Interferon-gamma zur endgültigen Differenzierung anregen – und entpuppten sich als funktionsfähige Makrophagen.
Analysen der Genexpression der so gewonnenen Zellen bewiesen, dass sie natürlichen Monozyten, den Vorläufern der Makrophagen, extrem ähnlich waren. Das bestätigten auch funktionelle Tests: Die laborinduzierten Zellen reagierten auf entsprechende Botenstoffe und beseitigten Bakterien sowie sterbende Zellen.
Makrophagen erkennen über ihre Fc-Rezeptoren Zellen, die vom Immunsystem mit Antikörpern als fremd markiert worden sind. Genau diese Eigenschaft zeigten die hergestellten Fresszellen aus der Kulturschale ebenfalls: Sie waren in der Lage, mit Antikörper-markierte Fremdzellen aufzunehmen und zu eliminieren.
„Unsere induzierten Zellen haben das Potenzial, in therapeutischen Anwendungen Krebszellen zu vernichten, indem sie sie auffressen. Hierbei sollen die Makrophagen mit einem zielgerichteten Rezeptorprotein ausgestattet werden, um sie spezifisch gegen Tumorzellen zu richten. Diese Möglichkeit werden wir nun in weiteren präklinischen Studien mit Hilfe eines Mausmodells testen,“ erklärt Roland Windisch, Erstautor der aktuellen Studie.
„Wir haben in dieser Arbeit erstmals induzierbare Transkriptionsfaktoren genutzt, um gezielt außerhalb des Körpers große Mengen eines bestimmten Zelltyps herzustellen. Unter Einsatz anderer Transkriptionsfaktoren lassen sich nach diesem Prinzip möglicherweise auch andere Arten von Blutzellen für therapeutische Anwendungen in der Kulturschale generieren,“ so Christian Wichmann, Transfusionsmediziner am LMU Klinikum und Leiter der Studie. So ließen sich unter Umständen auch verschiedene andere menschliche Blutzellen in großem Maßstab herstellen und in Zukunft eine Alternative zur Blutspende aufzeigen.
Das Projekt wird durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) gefördert.
Roland Windisch, Sarah Soliman, Adrian Hoffmann, Linping Chen-Wichmann, Anna Danese, Sebastian Vosberg, Jimena Bravo, Sebastian Lutz, Christian Kellner, Alexander Fischer, Claudia Gebhard, Enric Redondo Monte, Luise Hartmann, Stephanie Schneider, Fabian Beier, Carolin Dorothea Strobl, Oliver Weigert, Matthias Peipp, Michael Schündeln, Stefan H. Stricker, Michael Rehli, Jürgen Bernhagen, Andreas Humpe, Hannes Klump, Christian Brendel, Daniela S. Krause, Philipp A. Greif und Christian Wichmann
Engineering an inducible leukemia-associated transcription factor enables large scale ex vivo production of functional human phagocytes
Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), USA, 2024, DOI: 10.1073/pnas.2312499121
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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