Macht das Gehirn beim Verarbeiten von natürlichen Stimmen im Vergleich zu ihren Deepfake-Imitationen einen Unterschied? Ja, sagen Forschende der Universität Zürich. In einer Studie haben sie zwei Hirnareale identifiziert, die unterschiedlich auf die akustischen Signale reagieren.
Jeder Mensch hat ein einzigartiges Stimmprofil. Dies hilft, um die Person zu identifizieren. Neueste Algorithmen zur Stimmsynthese sind inzwischen so leistungsfähig, dass sie künstliche Stimmklone erstellen können, die den Identitätsmerkmalen natürlicher Sprecher qualitativ sehr nahekommen. Noch nie war es so leicht, mit Deepfake-Technologien natürliche Stimmen zu imitieren, entweder für Betrugsversuche am Telefon oder um dem Sprachassistenten die Stimme der Lieblingsschauspielerin zu geben.
Bisher war jedoch unklar, wie das menschliche Gehirn auf solche Deepfake-Stimmen reagiert. Akzeptiert es diese als echt oder erkennt es den Fake? Ein Forschungsteam an der Universität Zürich hat nun herausgefun-den, dass Menschen die geklaute Identität in einem Deepfake-Audio zwar häufig als natürlich akzeptieren, das Gehirn auf Deepfake-Stimmen jedoch anders reagiert als auf natürliche Stimmen.
Identität in Deepfake Stimmen fast zum Täuschen ähnlich
Die Forschenden testeten zunächst mit psychoakustischen Methoden, wie gut die menschliche Identität in den imitierten Stimmklonen erhalten bleibt. Die Forschenden nahmen die Stimmen vier männlicher Sprecher auf und generierten mit Hilfe von Computeralgorithmen Deepfake-Stimmen dieser Sprecher. Im Hauptexperi-ment hörten 25 Probandinnen und Probanden mehrere Stimmen und sollten entscheiden, ob die Identität zweier Stimmen identisch war oder nicht. Dabei gab es zwei Aufgaben: Entweder sollten sie die Identität von zwei natürlichen Stimmen oder einer natürlichen und einer Deepfake-Stimme abgleichen.
Dabei zeigte sich, dass die Deepfake-Identitäten in zwei Dritteln der Fälle korrekt zugeordnet wurden. «Dies verdeutlicht, dass aktuelle Deepfake-Stimmen zwar nicht perfekt die Identität imitieren, aber das Potential haben, die Wahrnehmung von Menschen zu täuschen», sagt Claudia Roswandowitz, Post-Doc am Institut für Computerlinguistik.
Belohnungssystem reagiert auf natürliche Stimmen, aber nicht auf Deepfakes
Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren untersuchten die Forschenden dann, welche Gehirnareale abwei-chend auf Deepfake-Stimmen im Vergleich zu natürlichen Stimmen reagieren. Dabei machten sie zwei zentrale Areale ausfindig, die den Fake erkennen: Zum einen reagiert ein Teil des mesolimbischen Systems, der Nu-cleus Accumbens, anders auf Deepfake-Stimmen. «Der Nucleus Accumbens ist ein wichtiger Bestandteil des Belohnungssystems im Gehirn. Er war weniger aktiv, als die Probandinnen und Probanden die Identität zwi-schen Deepfake und natürlichen Stimmen abgleichen sollten», erklärt Claudia Roswandowitz. Viel aktiver war hingegen der Nucleus Accumbens, wenn die Probandinnen und Probanden zwei natürliche Stimmen ver-gleichen mussten.
Auditorischer Cortex unterscheidet die akustische Qualität in Deepfake und natürlichen Stimmen
Das zweite Hirnareal, dass in dem Experiment bei den Versuchsteilnehmenden aktiv war, scheint auf die akus-tische Differenz zwischen natürlicher und Deepfake-Stimme zu reagieren: Der auditorische Cortex, zuständig für die Analyse von Geräuschen, war aktiver, als es die Identität zwischen Deepfake und natürlicher Stimme abzugleichen galt. «Wir vermuten, dass dieses Areal auf die noch nicht perfekte akustische Imitation der «Deepfake»-Stimmen reagiert und versucht, das fehlende akustische Signal auszugleichen», sagt die Erstauto-rin. Je weniger natürlich und sympathisch die gefälschte Stimme im Vergleich zu ihrem natürlichen Gegen-stück wahrgenommen wurde, desto grösser waren die Aktivitätsunterschiede im auditorischen Cortex.
Der Fake-Anteil in den Deepfake-Stimmen scheint zu weniger Vergnügen beim Hören zu führen, und das rela-tiv unabhängig von der Qualität des akustischen Signals. «Der Mensch kann also nur teilweise durch Deepfakes getäuscht werden. Besonders die neuronalen Mechanismen, die bei der Verarbeitung von Deepfakes identifiziert wurden, verdeutlichen die menschliche Widerstandsfähigkeit gegenüber gefälschten Informationen, die uns im Alltag immer häufiger begegnen», folgert Roswandowitz.
Kontakte:
Dr. Claudia Roswandowitz
Kognitive und affektive Neurowissenschaften (Psychologisches Institut)
Phonetik und Sprachsignalverarbeitung (Institut für Computerlinguistik)
Universität Zürich
+49 176 30124475
claudia.roswandowitz@uzh.ch
Literatur:
Claudia Roswandowitz, Thayabaran Kathiresan, Elisa Pellegrino, Volker Dellwo, Sascha Frühholz. Cortical-striatal brain network distinguishes deepfake from real speaker identity. Communications Biology, 11. June 2024, DOI: 10.1038/s42003-024-06372-6
https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2024/Deepfake-Stimme.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).