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12.06.2024 13:08

Hildesheimer Forscherinnen beraten tagesschau-Redaktion zu Einfacher Sprache

Viktoria Helene Ong Stabsstelle Kommunikation und Medien
Universität Hildesheim

    Die LEO-Studie des Jahres 2018 hat ergeben, dass 16,8 Millionen Erwachsene in Deutschland im Alter von 18 bis 64 Jahren nicht hinreichend lesen und schreiben können. Für diese Personen sind Informationsangebote oft schwierig zu verstehen. Eine Beratung der tagesschau-Redaktion durch die Wissenschaftlerin Dr. phil. Isabel Rink von der Universität Hildesheim soll nun einen Beitrag zur „Teilhabe an der Informationsgesellschaft“ leisten.

    In §26 des Medienstaatsvertrags vom 1. Januar 2024 steht: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben die Aufgabe, ein Gesamtangebot für alle zu unterbreiten. Bei der Angebotsgestaltung sollen sie dabei die Möglichkeiten nutzen, die ihnen aus der Beitragsfinanzierung erwachsen, und durch eigene Impulse und Perspektiven zur medialen Angebotsvielfalt beitragen. Allen Bevölkerungsgruppen soll die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht werden. Dabei erfolgt eine angemessene Berücksichtigung aller Altersgruppen, insbesondere von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, der Belange von Menschen mit Behinderungen und der Anliegen von Familien.“

    Demgegenüber steht, dass 16,8 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren in unserer Gesellschaft nicht hinreichend lesen und schreiben können. Dies hat die LEO-Studie des Jahres 2018, in der Forschende die Literarisierung der erwachsenen deutschen Bevölkerung untersuchten, ergeben. Sie fallen in die Kategorien Alpha 1-4, wobei Alpha 1 die Literarisierung auf Buchstabenebene beschreibt und Alpha 4 das nicht-Beherrschen grundsätzlicher Rechtschreibung, wie sie gemäß dem Standard bis Ende der Grundschulzeit vorhanden sein sollte. Im Vergleich zu den Ergebnissen der ersten LEO-Studie aus dem Jahr 2010 haben sich die Zahlen etwas verbessert, damals waren es 20,8 Millionen Erwachsene; häufige Gründe für die eingeschränkte Alphabetisierung können ein geringer sozioökonomischer Status, Flucht und Migration oder Behinderung sein.

    Die genannte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen ist bislang nicht vollumfänglich gegeben. Um diese künftig bei ihren Nachrichtenformaten zu erweitern, berät Isabel Rink gemeinsam mit ihrer Kollegin Rebecca Schulz – beide forschen zu Einfacher und Leichter Sprache – die Redaktion der tagesschau. Den generierten Mehrwert erläutert Isabel Rink wie folgt: „Gesellschaftliche Vielfalt zeigt sich nun auch in einem medialen Angebot: Die tagesschau in Einfacher Sprache ist ein zusätzliches und freiwilliges Angebot für alle, die die komplexen Nachrichten, die uns täglich umgeben, schlicht niedrigschwellig brauchen. Sprache ist Teilhabe und hier erfolgt eine Öffnung in die breite Gesellschaft hinein. Das Angebot ist ein wichtiger Beitrag, der Menschen dazu befähigt, an der Informationsgesellschaft teilhaben zu können.“ Es gilt, zu prüfen, inwiefern die theoretischen Annahmen in der Praxis anwendbar sind.

    Konkret bedeutet dies, dass die Redaktion der tagesschau ab dem 12. Juni 2024 erst einmal für eine Ausgabe pro Tag eine zweite Version der Sendung erstellt: Diese wird täglich um 19 Uhr über tagesschau24 ausgestrahlt und ist auch auf tagesschau.de verfügbar. Deren Kennzeichen ist einfachere Sprache bei gleichbleibender Qualität: Zentrale Fakten werden mehrfach wiederholt, Zusammenhänge mehr betont. Die Wissenschaftlerin Dr. phil. Isabel Rink hofft auf positive Stimmen zum neuen – zugänglicheren – Angebot: „In Zeiten der Informationsflut wird das auf Grundlage der Forschungsergebnisse angepasste Material für die Breite der Bevölkerung konsumierbarer und somit zielgruppenspezifischer. Das Angebot in Einfacher Sprache lebt von Freiwilligkeit: Es bietet jeder Privatperson die Chance, genau die Formate zu konsumieren, die für sie selbst die richtigen sind, sodass die individuelle Bildungssituation nicht mehr vertuscht werden muss. Auch wenn anfangs Potential für Kritik besteht, ist die Prognose, dass die neuen Formate mit der Zeit zugänglicher, akzeptierbarer und konsumierbarer werden.“

    Von Seiten der Forscherinnen ist dieses Projekt unabhängig vom Evaluationsergebnis ein Gewinn: Selbst dann, wenn die Umsetzung wenig angenommen werden sollte, bleibt das Projekt eine Möglichkeit, hinzuzulernen. Im Grundsatz hat sich jetzt bereits ein großes Interesse an Einfacher Sprache ergeben. Isabel Rink und Rebecca Schulz profitieren davon, dass wissenschaftliche Ergebnisse greifbarer werden.

    Joachim Knuth, Intendant des NDR, kommentiert das Vorhaben letztendlich wie folgt: „Wir haben den Auftrag, mit unseren Sendungen und Programmen allen Menschen in Deutschland ein Informationsangebot zu machen. Dazu gehören auch diejenigen mit geringer Lese- und Schreibkompetenz, die komplizierten Texten nicht immer folgen können oder die Deutsch nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschen. Mit der tagesschau in Einfacher Sprache vergrößern wir unser barrierefreies Angebot um tägliche Fernsehnachrichten. Es ist gut und wichtig, dass sich nun noch mehr Menschen bei der tagesschau fundiert über die Geschehnisse in Deutschland und der Welt informieren und somit auch am öffentlichen Diskurs teilhaben können.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. phil. Isabel Rink: rinkisa@uni-hildesheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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