idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
13.06.2024 11:28

Simulationsmethoden – komplexe Prozesse zeitsparend abbilden

Lisa Scherbaum Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Ob im Automotive-Bereich oder in der Produktion: Simulationen und Digitale Zwillinge sind für viele Unternehmen unverzichtbar. Weil hochdynamische Prozesse mit herkömmlicher Software oft nicht zufriedenstellend abgebildet werden können, haben Forschende am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM mit dem Tool MESHFREE eine Lösung entwickelt, die ohne starres Rechengitter arbeitet und in der Lage ist, komplexe Abläufe mit großer Zeitersparnis und damit kostengünstig zu simulieren. Dafür wurden sie mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024 ausgezeichnet.

    Starre Vorgaben passen selten zu agilen Prozessen – was für Organisationen zutrifft, gilt auch für Simulationsmethoden. Sollen komplexe Vorgänge wie zum Beispiel Aquaplaning oder die Zerspanung von Metall virtuell abgebildet werden, lassen sich vorab nicht alle Bewegungen der Komponenten vorhersehen und in einem passenden Rechengitter, wie es für Simulationen üblicherweise verwendet wird, anlegen.

    MESHFREE ersetzt den realen Versuch

    Vor dieser Herausforderung stand vor über 20 Jahren eine Forschungsgruppe am Fraunhofer ITWM. »Unsere allererste Aufgabe im Projektteam bestand darin, die Entfaltung eines Airbags während des Fahrzeug-Crashs zu simulieren«, berichtet Dr. Jörg Kuhnert, bereits damals Teil der Gruppe. »Bis auf real durchgeführte, kostenintensive Crashtests gab es damals keine Möglichkeit, die Sicherheit von Neuentwicklungen in diesem Bereich schnell zu überprüfen.« Denn: Je mehr Objekte sich in einer Situation bewegen und miteinander interagieren, desto schwieriger ist es, sie unter vertretbarem Aufwand mit klassischen Simulationsmethoden zuverlässig abzubilden.

    Basierend auf der Dissertation von Jörg Kuhnert entwickelte das Team – seit 2012 auch unter Mitarbeit von Dr. Isabel Michel im Schwerpunkt Freistrahlturbinen – daher den innovativen gitterfreien Ansatz. Dieser ermöglicht es teilweise erstmals, besonders komplexe und dynamische Situationen in der Simulation zu zeigen. Sämtliche seither erzielten Forschungsergebnisse flossen in das Software-Tool MESHFREE ein. Das Resultat ist ein Simulations-Tool mit einem echten Alleinstellungsmerkmal: Weltweit macht kein anderes Simulationswerkzeug die Generalisierte Finite-Differenzen-Methode (GFDM) industriell nutzbar.

    Flexible Methode für dynamische Prozesse

    Klassischerweise kommt bei Simulationen die Finite-Elemente-Methode zum Einsatz: Ingenieurinnen und Ingenieure konstruieren dafür ein Gitternetz passend für die jeweilige Geometrie und berechnen darauf aufbauend die Veränderungen in jedem einzelnen Element. Bereits das Aufsetzen der Gitterstruktur ist sehr zeitaufwändig; auch während der Simulation muss sie immer wieder angepasst werden. Die Software MESHFREE kombiniert dagegen die Generalisierte Finite-Differenzen-Methode zur Lösung der Erhaltungsgleichungen für Masse, Impuls und Energie mit effizienten Algorithmen zur Lösung linearer Gleichungssysteme, die vom Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI mitentwickelt wurden – ein gewaltiger Vorteil, denn die verwendete numerische Punktewolke ist dazu in der Lage, sich flexibel an bewegliche Geometrien anzupassen. Aufwändige Nachkorrekturen im Rechengitter entfallen. Für ihre Entwicklung, die reale Versuche ersetzen kann, erhielten Dr. Jörg Kuhnert und Dr. Isabel Michel den Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024.

    Von Automotive bis Verfahrenstechnik – und darüber hinaus

    Die ausgezeichnete Methodik lässt sich für eine große Bandbreite von Anwendungen einsetzen. Ein Schwerpunkt liegt aktuell im Automotive-Bereich: Neben der Airbag-Simulation konnten die Forschenden ihre Industriepartner bislang unter anderem mit Modellierungen von Wasserdurchfahrten oder des Verhaltens von Fahrzeugen auf Sand oder Kies unterstützen. In der Verfahrenstechnik half MESHFREE Unternehmen dabei, die Prozessparameter bei der Verarbeitung von Glasschmelze sowie der Herstellung von Kunststoffteilen zu optimieren.

    Grundsätzlich lässt sich die Methode überall dort nutzen, wo Messungen oder Versuche ersetzt werden sollen oder nur schlecht bis gar nicht funktionieren. Isabel Michel fasst zusammen: »Wir sind nicht fixiert auf die klassischen Anwendungsfälle der numerischen Strömungsmechanik. MESHFREE kann viel mehr: Das Tool ist bewusst generisch gehalten.« Die Software besitzt also großes Potenzial, in Zukunft noch in vielen weiteren Anwendungsfeldern Kosten, Zeit und Material zu sparen.

    Joseph-von-Fraunhofer-Preis

    Seit 1978 verleiht die Fraunhofer-Gesellschaft jährlich den Joseph-von-Fraunhofer-Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen zur Lösung anwendungsnaher Probleme an ihre Mitarbeitenden. In diesem Jahr wurden drei Preise mit jeweils 50 000 Euro an Gruppen mit Forschenden aus unterschiedlichen Instituten vergeben.


    Weitere Informationen:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2024/juni-2024/simulatio...


    Bilder

    Ausgezeichnet mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024: Dr. Jörg Kuhnert und Dr. Isabel Michel vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM entwickelten das Simulationstool MESHFREE.
    Ausgezeichnet mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024: Dr. Jörg Kuhnert und Dr. Isabel Michel vom F ...
    Piotr Banczerowski
    Piotr Banczerowski

    Die verwendete numerische Punktewolke ist dazu in der Lage, sich flexibel an bewegliche Geometrien anzupassen. So können komplexe Abläufe wie z. B. Wasserdurchfahrten zeitsparend simuliert werden.
    Die verwendete numerische Punktewolke ist dazu in der Lage, sich flexibel an bewegliche Geometrien a ...

    Fraunhofer ITWM / iStock


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Maschinenbau, Mathematik, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Ausgezeichnet mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024: Dr. Jörg Kuhnert und Dr. Isabel Michel vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM entwickelten das Simulationstool MESHFREE.


    Zum Download

    x

    Die verwendete numerische Punktewolke ist dazu in der Lage, sich flexibel an bewegliche Geometrien anzupassen. So können komplexe Abläufe wie z. B. Wasserdurchfahrten zeitsparend simuliert werden.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).