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20.06.2024 14:37

DGNI warnt: Bundes-Klinik-Atlas gefährdet potentiell neuroIntensiv- und notfallmedizinische Patientinnen und Patienten

Kerstin Aldenhoff Pressestelle
Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin

    Der Bundes-Klinik-Atlas, der jetzt veröffentlicht wurde, bietet in der aktuellen, unfertigen Version aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) keinerlei Mehrwert für die Patientinnen und Patienten in der Bundesrepublik Deutschland, sondern führt zu Fehlinformationen. Die DGNI unterstützt seit jeher alle Initiativen zur Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie deren Behandlungsqualität. Hier die Stellungnahme der DGNI, verfasst von Prof. Dr. med. Patrick Czorlich, Hamburg, im Namen des Präsidiums.

    Am 17. Mai 2024 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Bundes-Klinik-Atlas online in Betrieb genommen, mit dem Versprechen, dass "Patientinnen und Patienten verständlich und transparent über den Umfang und die Qualität der Versorgung sowie die Personalausstattung in den Krankenhäusern informiert werden". Der Bundes-Klinik-Atlas bietet in der aktuellen, unfertigen Version jedoch aus Sicht der DGNI keinerlei Mehrwert für die Patientinnen und Patienten in der Bundesrepublik Deutschland, sondern führt zu Fehlinformationen, beruht dieser aktuell doch ausschließlich auf Abrechnungsdaten des InEK sowie Daten aus der Qualitätssicherung, welche lediglich einen sehr begrenzten Rückschluss auf tatsächlich erbrachte medizinische Leistungen erlauben. Bzgl. der Anzahl zu Größen (z.B. Krankenhäuser, Patientenzahlen) und Verhältnissen (z.B. Pflegepersonal) enthält der Bundes-Klinik-Atlas aufgrund unangemessener Bezugsgrößen außerdem erhebliche Fehler.

    Es scheinen offensichtlich auch grundsätzliche Programmierfehler vorzuliegen. So werden Kliniken bei demselben Krankheitsbild mehrfach aufgelistet, mit unterschiedlichen Zahlen. Darüber hinaus erachtet die DGNI für den durch sie vertretenen Medizin-Bereich es als fahrlässig, im Bundes-Klinik-Atlas extrem zeitkritische Erkrankungen, wie z.B. den ischämischen Schlaganfall, die aneurysmatische Subarachnoidalblutung oder das Schädel-Hirn-Trauma bzw. OPS-Codes für hochspezielle intensivmedizinische Maßnahmen aufzuführen, um damit den Patientinnen und Patienten zu suggerieren, dass diese so "eine fundierte Entscheidung darüber treffen (können), welches Krankenhaus für ihren individuellen Fall geeignet ist".

    Die Krankheitsbilder sind im Bundes-Klinik-Atlas nach reiner ICD Kodierung gelistet; dass einzelne Krankheitsbilder mitunter unterschiedlich kodiert werden, wird nicht weiter berücksichtigt. Zwar schlägt der Bundes-Klinik-Atlas in der Stichwortsuche verschiedene ICDs vor - für die Patientinnen und Patienten ist das Finden den jeweils „richtigen“ ICD nicht intuitiv und birgt ein sehr hohes Risiko keine umfassenden und korrekten Informationen zu erhalten, so dass die Entscheidung für oder gegen ein Krankenhaus mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf fehlerhaften Informationen beruht.

    Gleiches gilt für die Verwendung von OPS-Codes, welche ebenfalls im Bundes-Klinik-Atlas hinterlegt sind. Für sehr seltene Erkrankungen oder Krankheiten, die in der Regel ambulant erbracht werden, ist der Bundes-Klinik-Atlas in seiner aktuellen Version schlichtweg unbrauchbar. Durch die bekanntermaßen heterogene ICD- und OPS Kodierung besteht somit die begründete Sorge, dass Patientinnen und Patienten bzw. deren Angehörige mit Vorurteilen und Verunsicherung den behandelnden Kliniken gegenübertreten. Diese Gefahr wird durch die fehlerhafte Anwendung der Bezugsgrößen von Behandlungshäufigkeiten im Bundes-Klinik-Atlas weiter vergrößert.

    Bei einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung, wie einem Schlaganfall, entscheiden der Rettungsdienst bzw. die notärztlichen Kolleginnen und Kollegen, welches Krankenhaus geeignet ist, den betroffenen Patientinnen und Patienten eine zeitnahe und fachgerechte Behandlung anzubieten. An dieser Stelle sei ebenso angemerkt, dass die Wahl des Krankenhauses oftmals auch von vorhandenen freien intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten abhängig ist. Die DGNI fordert daher nachdrücklich das Bundesministerium für Gesundheit auf, im Bundes-Klinik-Atlas, lediglich Krankheitsbilder zu berücksichtigen, die es den Patientinnen und Patienten erlauben, in Ruhe und mit ausreichender Bedenkzeit sowie ohne Gefährdung der eigenen Gesundheit, sich über einzelne Krankenhäuser und deren Kennzahlen zu informieren.

    Der Bundes-Klinik-Atlas ist grundsätzlich ein sehr gutes und unterstützungswürdiges Projekt, sollte in seiner jetzigen Version aber vom Netz genommen werden, bis echte Qualitätskriterien definiert sind, die homogene Einspeisung von Daten gewährleistet ist und Plausibilitätsprüfungen durch Fachexpertinnen und Fachexperten vorgenommen worden sind. Die DGNI empfiehlt daher bei akuten Erkrankungen allen Patientinnen und Patienten weiterhin den Notruf "112" oder die „116 117“ zu wählen bzw. das nächstgelegene Krankenhaus aufzusuchen. Gerade bei akuten Erkrankungen wie einem Schlaganfall sind in den letzten Jahren deutschlandweit effiziente Versorgungsstrukturen aufgebaut worden, die eine zeit- und leitliniengerechte Behandlung sicherstellen. Eine Aushebelung dieser bewährten Strukturen durch eine Anwendung des Bundes-Klinik-Atlas wäre patientengefährdend!


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. med. Patrick Czorlich, Hamburg, Präsidium der DGNI
    Email: p.czorlich@uke.de


    Weitere Informationen:

    https://www.dgni.de/913-bundes-klinik-atlas-gefaehrdet-potentiell-patientinnen-u... Weitere Informationen zu diesem Thema auf der Homepage der DGNI
    http://www.dgni.de


    Bilder

    Prof. Dr. med. Patrick Czorlich, Hamburg, fordert im Namen des Präsidiums der DGNI das Bundesministerium für Gesundheit auf, den Bundes-Klinik-Atlas in seiner jetzigen, unfertigen Version vom Netz zu nehmen.
    Prof. Dr. med. Patrick Czorlich, Hamburg, fordert im Namen des Präsidiums der DGNI das Bundesministe ...

    UKE


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Prof. Dr. med. Patrick Czorlich, Hamburg, fordert im Namen des Präsidiums der DGNI das Bundesministerium für Gesundheit auf, den Bundes-Klinik-Atlas in seiner jetzigen, unfertigen Version vom Netz zu nehmen.


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