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25.06.2024 12:43

DIVI nimmt Stellung zum Reformvorhaben der Notfallversorgung: „Gesetzentwurf dringend optimierungsbedürftig“

Nina Meckel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.

    Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine umfassende Stellungnahme zur geplanten Reform der Notfallversorgung abgegeben. Der Gesetzentwurf vom 3. Juni 2024 (NotfallGesetz – NotfallG) ist aus Sicht der Fachgesellschaft, die mehr als 4.500 Mitglieder aus dem Bereich Intensiv- und Notfallmedizin vertritt, noch dringend optimierungsbedürftig. Es sei der Versuch unternommen worden, wesentliche Punkte der vierten und der neunten Stellungnahme der Regierungskommission für eine bedarfsgerechte und moderne Gesundheitsversorgung zu berücksichtigen, heißt es.

    „Aber es zeigt sich deutlich“, kommentiert DIVI-Präsident Professor Felix Walcher, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg, „dass die für die Notfallmedizin zuständigen Fachgesellschaften, wie zum Beispiel wir als die DIVI, bei der Überarbeitung dieses Entwurfs mit unserer Fachexpertise unbedingt einzubinden sind!“ Fünf wesentliche Punkte hat die DIVI identifiziert, beginnend bei der Annahme des Notrufs bis hin zur digitalen Datenerfassung der Patienten in der Notaufnahme, die es zu überarbeiten gelte.

    „Mit der geplanten Einrichtung von sog. Akutleitstellen in der Trägerschaft der KV sollten unnötige Parallelstrukturen zu den vorhandenen Rettungsleitstellen dringend vermieden werden“, erklärt der Sprecher der DIVI-Sektion Strukturen in der Klinischen Akut- und Notfallmedizin, Dr. Torben Brod. Der Ärztliche Leiter der Zentralen Notaufnahme der Medizinischen Hochschule Hannover erläutert weiter: „Im Sinne einer sehr engen Kooperation zwischen der Akutleitstelle und Rettungsleitstelle wäre die Struktur einer Gemeinsamen Notfallleitstelle, wie dies in der neunten Stellungnahme der Regierungskommission vorgeschlagen wurde, deutlich sinnvoller“, so Brod. Die DIVI fordert ebenfalls, dort für eine standardisierte Ersteinschätzung durch notfallmedizinisch qualifiziertes Personal zu sorgen.

    Ersteinschätzungsinstrument erst nach Validierung in multizentrischen klinischen Studien festlegen

    Auch das neu zu etablierende Ersteinschätzungsinstrument sieht die DIVI derzeit kritisch. Dieses müsse im Vorfeld in multizentrischen klinischen Studien evaluiert worden sein und den wissenschaftlichen Gütekriterien der Validität, Reliabilität sowie der Patientensicherheit genügen. Dies sei derzeit nicht der Fall! „Das System muss offen verfügbar und frei in Klinikinformationssysteme implementierbar sein“, sagt Prof. Sabine Blaschke, Sprecherin der Sektion Notfalldokumentation und ärztliche Leitung der Zentralen Notaufnahme der Universitätsmedizin Göttingen.

    So schlägt die DIVI vor, hier unbedingt die zuständigen notfallmedizinischen Fachgesellschaften DGINA und DIVI mit ihrer Fachexpertise einzubinden. „Nur so können wir zukünftig der Patientensicherheit im Kontext der Notfallversorgung in allen Sektoren Rechnung tragen“, ist Blaschke überzeugt. „Gegebenenfalls könnte hier die AWMF als übergeordnete wissenschaftliche Institution moderieren.“

    DIVI fordert, Rettungsdienst in Sozialgesetzbuch aufzunehmen

    Als weiteren wichtigen Punkt fordert die DIVI, die notwendige Reform des Rettungsdienstes im Referentenentwurf zu berücksichtigen, insbesondere dessen Aufnahme in das Sozialgesetzbuch (SGB V). „Die Krankenhausreform wird Auswirkungen auf die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes haben“, ergänzt Dr. Janina Bathe, Sprecherin der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin und Anästhesistin am Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. „Daher wurde völlig zu Recht von der Regierungskommission die Überführung des Rettungsdienstes als eigenes Leistungssegment in das SGB V gefordert.“

    „Damit einhergehen müssen Veränderungen der Kompetenzzuweisungen beim nichtärztlichen Rettungsdienstpersonal, wie die Möglichkeit der abschließenden Vor-Ort-Versorgung durch die Rettungsdienste, eine Modifikation der Leistungen durch den Gemeinde-Notfallsanitäter und andere Komponenten, aber auch eine adaptierte strategisch, medizinisch und ökonomisch sinnvolle Anpassung der vorhandenen boden- und luftgebundenen Rettungsmittel“, ergänzt der stellvertretende Sektionssprecher Bernhard Gliwitzky, selbst Notfallsanitäter am Boden und in der Luft.

    Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZ) wird sehr begrüßt

    Außerordentlich begrüßt wird durch die DIVI hingegen der Plan zur Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZ) unter Leitung der Krankenhäuser, wie DIVI-Präsident Felix Walcher betont. „Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es müssen die Finanzierung der Ersteinschätzung gesichert und gleichermaßen werktags sowie an Wochenenden und Feiertagen einheitliche Öffnungszeiten der Notdienstpraxen festgelegt werden “, betont Walcher.

    Zur Sicherstellung der Qualität sei es jedoch dringend erforderlich, dass für die Strukturen in den Notdienstpraxen Mindestvoraussetzungen und Vorgaben insbesondere für die ärztliche und nichtärztliche Personalbesetzung und -qualifikation sowie die Ausstattung definiert werden, so der DIVI-Präsident. „Auch sollte bei der Standortbestimmung durch die neu einzurichtenden erweiterten Landesausschüsse die Zukunftsfestigkeit eines Krankenhausstandortes berücksichtigt werden, um bei der momentan zu beobachtenden Insolvenzwelle nicht auf einmal ohne Leitung dazustehen“, ergänzt Professorin Blaschke.

    Rad nicht neu erfinden: standardisierte, interoperable und einheitliche Datenerfassung existiert bereits

    Zuletzt: Eine tragfähige Reform der Notfallversorgung kann nach Auffassung der DIVI nur gelingen, wenn eine standardisierte, interoperable und einheitliche Datenerfassung aller am Prozess Beteiligter in Deutschland etabliert wird. „Das ist eine große Chance“, wirbt DIVI-Präsident Felix Walcher für die Digitalisierung in der Notfallversorgung. „Ein langjährig in der Praxis der Notaufnahmen bewährtes und auf alle Bereichen skalierbares, digitales, systemunabhängiges Konzept liegt schließlich vor.“

    „Die sektorenübergreifende, digitale Erfassung patienten-/fallbezogener Daten entlang der gesamten Rettungskette von der präklinischen Notfallversorgung bis in die INZ impliziert einen erheblichen Mehrwert für die ressourcenschonende, effektive Nutzung von Daten aus der Notfallversorgung für die effektive Qualitätssicherung und die nachhaltige Verbesserung der Versorgungsqualität, für die Erhöhung der Patientensicherheit sowie für die Ermöglichung personalisierter Medizin“, betont auch Sektionssprecherin Sabine Blaschke. Die Erstellung eines digitalen, interoperablen Protokolls für die Leitstellen auf Basis des vorhandenen Notaufnahmeprotokolls sowie auch ein einheitlicher Datensatz der Notfallbehandlung der KVen ist in Planung.

    Entwurf der Notfallreform muss noch deutlich nachgebessert werden!

    Zusammenfassend wird in der Stellungnahme der DIVI deutlich: Am Entwurf der Notfallreform muss noch deutlich nachgebessert werden! „Die Experten der Fachgesellschaft stehen deshalb für einen konstruktiven Dialog und fachliche Beratung gerne bereit“, unterstreicht der Präsident. „Auch wir möchten diesen Prozess zügig weiterentwickeln!“


    Weitere Informationen:

    https://www.divi.de/presse/pressemeldungen/pm-divi-nimmt-stellung-zum-reformvorh...


    Bilder

    (v.l.) Prof. Felix Walcher, Prof. Sabine Blaschke, Dr. Torben Brod, Dr. Janina Bathe, Bernhard Gliwitzky
    (v.l.) Prof. Felix Walcher, Prof. Sabine Blaschke, Dr. Torben Brod, Dr. Janina Bathe, Bernhard Gliwi ...

    v.l.: UK Magdeburg, Universitätsmedizin Göttingen, Medizinische Hochschule Hannover – Tom Figiel, UK Hamburg Eppendorf, privat


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    (v.l.) Prof. Felix Walcher, Prof. Sabine Blaschke, Dr. Torben Brod, Dr. Janina Bathe, Bernhard Gliwitzky


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