Supraleitung ist ein faszinierendes Phänomen: Sie ermöglicht es einem Material, elektrischen Strom verlustfrei zu transportieren. Dieses kollektive, durch die Quantenphysik bestimmte, Verhalten der Materie tritt nur in einigen Leitern bei Temperaturen weit unterhalb der Raumtemperatur auf. Eine Reihe von Studien hat dieses Verhalten in so genannten Nicht-Gleichgewichtszuständen untersucht, also in Situationen, in denen das Material aus dem thermischen Gleichgewicht gebracht wird. Unter diesen Bedingungen können anscheinend zumindest einige Eigenschaften der Supraleitung auch bei Raumtemperatur erzeugt werden.
Die Hochtemperatursupraleitung im Nichtgleichgewicht, welche unter Bestrahlung mit Laserlicht nachgewiesen wurde, könnte für andere Anwendungen nützlich sein als die statische Version der Supraleitung, z. B. für ultraschnelle, durch Laserpulse gesteuerte Elektronik. Dieses Phänomen wird als „lichtinduzierte Supraleitung“ bezeichnet, was auf eine Analogie zu ihrem Gegenstück im Gleichgewicht hinweist.
Ein wichtiges Ziel des letzten Jahrzehnts war es, die Eigenschaften eines solchen lichtinduzierten supraleitenden Zustands zu charakterisieren - und zu verstehen, inwieweit diese Phase die bekannten Eigenschaften eines herkömmlichen Supraleiters reproduziert.
Supraleiter können nicht nur elektrische Ströme verlustfrei transportieren, sondern auch Magnetfelder aus ihrem Inneren verdrängen. Dieses Phänomen, das unter Gleichgewichtsbedingungen als Meissner-Effekt bekannt ist, ist eine direkte Folge der Kohärenz der Ladungsträger und ihrer Tendenz, sich im Gleichschritt zu bewegen. Die Messung der Verdrängung von Magnetfeldern für die lichtinduzierte Supraleitung blieb bisher jedoch eine ungelöste Herausforderung, da der Effekt nur einige Pikosekunden (Billionstel einer Sekunde) anhält. Dies machte es unmöglich, die Veränderungen im Magnetfeld genau zu messen.
Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) in Hamburg unter der Leitung von Andrea Cavalleri hat nun ein neues Experiment entwickelt, mit dem sich die magnetischen Eigenschaften von Supraleitern auch auf sehr kurzen Zeitskalen untersuchen lassen. Das Team arbeitete mit laserbestrahltem YBa2Cu3O6+x, einem Material, bei dem statische Supraleitung nur bis zu einer Temperatur von etwa -200 Grad Celsius beobachtet wird. „Wir haben entdeckt, dass das durch Licht angeregte YBa2Cu3O6.48 nicht nur einen Widerstand von nahezu Null aufweist, sondern auch ein statisches Magnetfeld aus seinem Inneren verdrängt“, sagt Sebastian Fava, Autor des in Nature veröffentlichten Artikels.
Für dieses Experiment wurde ein zusätzlicher Kristall in unmittelbarer Nähe der untersuchten Probe platziert und zur Messung der lokalen Magnetfeldstärke verwendet. In diesem Kristall verursachen Änderungen des Magnetfeldes eine Rotation des Polarisationszustandes eines Femtosekunden-Laserpulses. „Aufgrund der kurzen Dauer des Messpulses können wir die zeitliche Entwicklung des Magnetfelds um die YBa2Cu3O6.48-Probe mit einer Auflösung von weniger als einer Pikosekunde und einer bisher unerreichten Empfindlichkeit rekonstruieren“, erklärt Mitautor Giovanni de Vecchi.
„Die von uns beobachtete lichtinduzierte Magnetfeldverdrängung ist von der Größe her mit derjenigen vergleichbar, die gemessen wird, wenn YBa2Cu3O6+x durch Abkühlung im Gleichgewicht supraleitend gemacht wird", ergänzt sein Kollege und Mitautor Michele Buzzi. „Dies deutet darauf hin, dass die lichtbasierte Anregung des Materials sogar ein effektiver Weg sein könnte, um seine supraleitenden Eigenschaften näher an die Umgebungsbedingungen heranzuführen“, fügt Gregor Jotzu hinzu, ebenfalls ein Mitautor, der inzwischen Professor an der EPFL und Leiter des Dynamic Quantum Materials Laboratory ist. Da ein Konsens über den mikroskopischen Ursprung der lichtinduzierten Supraleitung in YBa2Cu3O6.48 noch aussteht, sind diese Ergebnisse ein wichtiger Prüfstein für die aktuellen Theorien.
In YBa2Cu3O6+x verschwindet die supraleitende Ordnung oberhalb der kritischen Temperatur für den Phasenübergang nicht vollständig, sondern es verbleibt eine lokal fluktuierende supraleitende Ordnung, die einem ungeordneten Zustand ähnelt. Diese bahnbrechenden Entdeckungen deuten darauf hin, dass die Anregung von YBa2Cu3O6+x mit maßgeschneiderten Lichtpulsen dazu genutzt werden kann, diesen fluktuierenden Zustand zu synchronisieren. Dabei wird die supraleitende Ordnung bei Temperaturen wiederhergestellt, die weit über denen liegen, bei denen das Material im Gleichgewicht supraleitend wird – bis hin zur Raumtemperatur.
Die Forschung am MPSD wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Exzellenzcluster CUI : Advanced Imaging of Matter finanziell unterstützt. Das MPSD ist Mitglied im Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einem Kollaborationsprojekt mit dem DESY und der Universität Hamburg. Die Forschung wurde in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung (MPI-FKF) durchgeführt.
Sebastian Fava, Erstautor: sebastian.fava@mpsd.mpg.de
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07635-2
https://www.mpsd.mpg.de/897594/2024-07-magneticfield-fava?c=42319
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Sebastian Fava, Jörg M. Harms
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