In Deutschland leben schätzungsweise mehr als zwei Millionen Menschen mit dauerhaft eingeschränkter Nierenfunktion und zum Teil schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Die häufigsten Ursachen sind Diabetes und Bluthochdruck. Auch eine angeborene Erkrankung, das Alport-Syndrom, führt zu chronischem Nierenversagen. Mit einer natürlichen Aminosäure, also einem Eiweißbaustein, soll dieses Syndrom – und möglicherweise auch andere Nierenerkrankungen – behandelbar werden. Für die Entwicklung dieser möglichen neuartigen Therapie erhält der Heidelberger Humangenetiker Professor Dr. Matias Simons den Proof-of-Concept-Grant des ERC.
Matias Simons, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg und Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), und sein Team wollen eine natürlich vorkommende Aminosäure, deren Verabreichung sich beispielsweise bei Herpes-Simplex-Virusinfektionen oder bei Mangelernährung als sicher erwiesen hat, daraufhin untersuchen, ob sie auch das Fortschreiten von Nierenerkrankungen verlangsamen und die Lebenszeit der Betroffenen verlängern kann. Für diese anstehenden Studien seines Projekts RENOTREAT erhält Professor Matias Simons, Stellvertretender Direktor des Instituts für Humangenetik und Leiter der Sektion Nephrogenetik am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) sowie Professor für Molekulare Humangenetik an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD), nun eine Proof-of-Concept Grant-Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Sie basiert auf einem ERC Consolidator Grant, mit dem die Forschung von Professor Simons auf diesem Gebiet seit 2021 gefördert wird. Hierbei untersuchen er und sein Team im Projekt RENOPROTECT, inwieweit der tubuläre Rezeptor Cubilin für das Eiweiß Albumin eine Schlüsselrolle für eine gesunde Nierenfunktion und den Schutz vor Nierenerkrankungen spielt. Für die zu untersuchende Therapie wird die Aminosäure über das Trinkwasser verabreicht.
Das Alport-Syndrom ist eine erbliche, chronisch fortschreitende Entzündung der Nieren, bei dem Kollagenfasern fehlgebildet werden. Dies führt zu einem undichten Glomerulus, dem Kapillarsystem im Nierenkörperchen, in dem die Harnproduktion stattfindet, sowie langfristig zu Nierenversagen. Kennzeichnend für das Syndrom sind Blut im Urin, eine sogenannte Hämaturie, sowie ein erhöhter Eiweißgehalt im Urin, auch Proteinurie genannt. Ferner gehen damit häufig Innenohrschwerhörigkeit und verschiedene Augenkrankheiten einher.
Verursacht wird eine Proteinurie meist durch einen defekten Filter in den Nieren. Die hohen Eiweißwerte wiederum schädigen benachbarte Zellen in der Niere, sodass diese immer schlechter arbeitet. Funktionieren die Nieren nur noch eingeschränkt, kann es unter anderem zu einer Übersäuerung des Blutes und zu einer Blutarmut (Anämie) kommen, auch Nerven können geschädigt werden. Die Krankheitszeichen sind daher vielfältig: Schwellungen der Beine oder des Gesichts, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Juckreiz, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, Lähmungserscheinungen, Muskelkrämpfe und Atemnot. Da viele Formen der chronischen Nierenerkrankung durch eine Proteinurie gekennzeichnet sind, erhoffen sich Simons und sein Team eine Therapie für verschiedene Nierenerkrankungen, nicht nur für das seltene Alport-Syndrom. Neben der Wirkung der Aminosäure will Professor Simons in seinen neuen Untersuchungen auch nachweisen, dass eine Proteinurie – entgegen der gängigen Lehrmeinung – insbesondere, wenn sie tubulär verursacht ist, nicht in jedem Fall schädlich für die Niere ist.
Mehr als die Klärwerke des Körpers
Pro Minute durchströmen die Nieren rund 1,2 Liter Blut. Sie filtern dabei Abbaustoffe des Stoffwechsels aus dem Blut, die im Körper entstehen oder über die Nahrung aufgenommen wurden. Diese werden dann mit dem Urin ausgeschieden. Neben der Reinigungsfunktion und Urinproduktion haben die Nieren noch andere wichtige Aufgaben: Sie regulieren den Flüssigkeitshaushalt und damit den Blutdruck und sie stellen Hormone her, die die Bildung der roten Blutkörperchen steuern sowie die Mineralisierung der Knochen beeinflussen. Außerdem halten sie den Säure-Basen-Haushalt im Gleichgewicht und regulieren den Energiestoffwechsel.
Der Europäische Forschungsrat (ERC), der 2007 von der Europäischen Union gegründet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert Forscherinnen und Forscher aller Nationalitäten, die Projekte in ganz Europa durchführen. Für ERC PoC werden bereits vom ERC geförderte Projekte in einem hoch kompetitiven Prozess ausgewählt. Matias Simons und sein Team hatten für ihre Forschung zu Nierenerkrankungen 2021 einen ERC Consolidator Grant erhalten.
Professor Matias Simons
Matias.Simons@med.uni-heidelberg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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