Deutsche Forschungspartner demonstrieren erstmals die praktische Umsetzung einer Aluminiumnitrid-basierten Wertschöpfungskette für Leistungshalbleiter, vom Grundmaterial bis zur Bauelementfertigung.
Elektromobilität, Energieversorgung, Automatisierung und Breitbandkommunikation – speziell vor dem Hintergrund von digitaler Transformation und Klimawandel – eröffnen neue Möglichkeiten für die europäische Forschung, sich im internationalen Wettbewerb an die Spitze zu setzen. Insbesondere in der Halbleitertechnologie bieten sich aktuell große Chancen, die technologische Souveränität auf dem Gebiet der Leistungselektronik nicht nur zu sichern, sondern zum Taktgeber einer ganzen Industrie zu werden.
Poleposition für Aluminiumnitrid
Eine neue, auf Aluminiumnitrid (AlN) basierende Halbleitertechnologie für leistungselektronische Transistoren und Millimeterwellen-Hochfrequenzschaltungen hat das Potenzial, die Verluste bei der Umwandlung von elektrischer Energie und bei der Hochfrequenzübertragung erheblich zu verringern. Gegenwärtig werden in der Leistungselektronik etablierte Silizium-Bauelemente von leistungsfähigeren Halbleitern mit großer Bandlücke (WBG), also mit besseren physikalischen und elektrischen Eigenschaften, verdrängt. Im industriellen Maßstab hat sich bereits Siliziumkarbid (SiC) durchgesetzt, aber auch Bauelemente aus Galliumnitrid (GaN) sind im Kommen. Schon heute ist jedoch absehbar, dass zukünftig selbst die WBG-Bauelemente von Halbleitern mit ultra-großer Bandlücke (UWBG) in ihren Eigenschaften übertroffen werden. Ein vielversprechender UWBG-Halbleiter ist AlN. Bauelemente auf einkristallinen AlN-Wafern erreichen im Vergleich zur GaN-Technologie eine höhere stabile Leistungsdichte und Effizienz. Sie zeigen zudem geringere dynamische Störeffekte und eine höhere Zuverlässigkeit. Gleichzeitig ermöglicht die hohe thermische Leitfähigkeit des AlN eine gute Entwärmung der Bauelemente.
Mit Aluminiumnitrid-Prozesskette an die Weltspitze
Um die AlN-Technologie mittelfristig für die Industrie zugänglich zu machen, wurden die in Deutschland bereits vorhandenen Aktivitäten zu diesem Material in einem strategischen Cluster gebündelt. Ziel ist es, eine deutsche Wertschöpfungskette für AlN-basierte Technologie zu etablieren und eine internationale Führungsposition in diesem wirtschaftlich immer bedeutsameren Bereich aufzubauen. Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB und die Firma III/V-Reclaim PT GmbH treiben diese Aktivitäten gemeinsam voran. Sie decken dabei die gesamte Wertschöpfungskette ab, ausgehend von der Züchtung von AlN-Kristallen mittels Physical-Vapor-Transport-Verfahren (PVT) über das Wafering und Polieren von epitaxiefähigen AlN-Wafern sowie die Epitaxie der funktionalen Bauelement-Schichten bis hin zur Herstellung von Transistoren für Leistungselektronik- und Millimeterwellen-Anwendungen.
Dem Konsortium ist es gelungen, die praktische Umsetzung der Wertschöpfungskette für AlN-Bauelemente erstmals in Deutschland und Europa erfolgreich zu demonstrieren. Dazu wurden am Fraunhofer IISB AlN-Kristalle gezüchtet und in AlN-Wafer mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 Zoll gesägt. Die Firma III/V-Reclaim hat einen Polierprozess für die Herstellung epitaxiefähiger Wafer entwickelt. Auf diesen Wafern wurden am FBH funktionale epitaktische Schichten aufgebracht und darauf erfolgreich AlN/GaN-Transistoren mit hoher Elektronenbeweglichkeit (HEMTs) prozessiert. Die ersten damit produzierten Transistorgenerationen zeigen vielversprechende elektrische Eigenschaften, wie beispielsweise eine Durchbruchsspannung von bis zu 2200 V und eine Leistungsdichte, die jene von Bauelementen aus SiC und GaN übertrifft.
Gezielte Investitionen in die Zukunft
Das Streben nach immer höherer Energieeffizienz und fortschreitender Miniaturisierung ist auch für leistungselektronische Systeme und in der Mikrowellen-Kommunikation ausschlaggebend. Die statischen und dynamischen Leitungsverluste in den Halbleitermaterialien erhöhen jedoch unnötig die Schaltverluste bei der Bereitstellung, Verteilung und Nutzung elektrischer Energie und damit den Verbrauch an wertvoller Primärenergie. So werden in Europa pro Jahr schätzungsweise 3 Terawattstunden elektrischer Energie aufgrund von Umwandlungsverlusten vergeudet – mit steigender Tendenz.
Um relevante Energieeinsparungen zu erzielen, muss am Halbleitermaterial selbst angesetzt werden. Verglichen mit etablierten Silizium-Bauelementen bieten die AlN/GaN-HEMTs, wie sie jetzt erfolgreich auf AlN-Wafern hergestellt wurden, bis zu dreitausendmal weniger Leitungsverluste als mit Silizium und sind etwa zehnmal leistungsfähiger als SiC-Bauelemente.
Diese Forschungserfolge waren unter anderem möglich durch die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Projekte ForMikro-LeitBAN und Nitrides-4-6G.
Dr. Oliver Hilt
+49 30 63922791
oliver.hilt@fbh-berlin.de
Aluminiumnitrid-Wertschöpfungskette
Elisabeth Iglhaut
© Fraunhofer IISB/Elisabeth Iglhaut
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Kooperationen
Deutsch
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