Senckenberg-Forscherin Dr. Rachel Racicot hat gemeinsam mit ihrer damaligen Studentin Joyce Sanks von der Vanderbilt Universität das Innenohr der ausgestorbenen Delfin-Gattung Parapontoporia untersucht. In ihrer im Fachjournal „The Anatomical Record“ veröffentlichten Studie zeigen sie, dass die Zahnwale bereits im Miozän über ein spezialisiertes Hochfrequenz-Hörvermögen verfügten. Die Säugetiere besiedelten auch Flüsse, was sie mit den heutigen seltenen und bedrohten Flussdelfinen verbindet. Die Erforschung der sensorischen Systeme der Zahnwale kann helfen, den Einfluss des Lebensraums auf deren Gehör und die evolutionäre Dynamik der Meeressäuger zu verstehen.
Die Rückkehr der Wale vom Land ins Wasser vor etwa 50 Millionen Jahren im frühen Eozän markiert einen der einschneidendsten Abschnitte in der Evolution der Säugetiere. Infolge dieses Lebensraumwechsels erwarben Wale, Delfine und Schweinswale eine Reihe von Anpassungen, einschließlich der Verlagerung der Nasenlöcher an die Oberseite ihres Kopfes und der Herausbildung eines stromlinienförmigen Körpers. „Auch die von den Tieren genutzte Echoortung entwickelte sich recht früh in ihrer Evolutionsgeschichte. Die Tiere senden eine Schallwelle aus, die an einem Objekt abprallt und ein Echo zurückwirft, das Informationen über die Entfernung und Größe des Objekts liefert. Heute nutzen alle Zahnwale dieses Sonarsystem der Natur“, erklärt Dr. Rachel Racicot vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Die Echolokation ist besonders im Meer eine logische Jagd- und Kommunikationsstrategie – dort breitete sich der Schall fünfmal schneller aus als in der Luft, gleichzeitig ist die Sicht häufig getrübt.“
Racicot und ihre damalige Studentin Joyce Sanks von der US-amerikanischen Vanderbilt Universität haben das Innenohr dreier Exemplare der heute ausgestorbenen Delfin-Gattung Parapontoporia aus den Sammlungen des San Diego Museums of Natural History mittels hochauflösender Röntgen-CT-Scans untersucht. Sie konnten anhand der 3D-Modelle nachweisen, dass die Säugetiere schon während des Miozäns, vor etwa 5,3 Millionen Jahren über ein Schmalband-Hochfrequenz-Hörvermögen verfügten.
„Besonders spannend ist dabei, dass diese Delfine noch einmal ihren Lebensraum wechselten und aus dem Marinen heraus auch Flüsse besiedelten“, so Racicot. Auch heute gibt es noch wenige in Flüssen lebende Delfine. Alle sechs Arten sind aktuell sehr selten und vom Aussterben bedroht. Als Verwandter des – 2002 das letzte Mal lebend gesichteten – Chinesischen Flussdelfin (Lipotes vexillifer) bietet Parapontoporia Einblicke in den Übergang von einem marinen Lebensraum zu einer Süßwasserumgebung. „Wir vermuten, dass Selektionsdruck und/oder ökologische Vorteile diese frühe und weit verbreitete Entwicklung von Echoortung bei den von uns untersuchten Delfinen bewirkten. Flusssysteme sind räumlich komplexe Habitate, in denen diese Form der Orientierung und Kommunikation für die langschnäuzigen Delfine wahrscheinlich von Vorteil war“, erläutert Racicot und gibt einen Ausblick: „Die weitere Erforschung der sensorischen Systeme der Zahnwale kann ein wichtiges Instrument sein, um den Einfluss des Lebensraums auf das Gehör der Wale zu untersuchen und die evolutionäre Dynamik der Meeressäuger zu verstehen.“
Dr. Rachel Racicot
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Tel. 069 7542 1250
rachel.racicot@senckenberg.de
Sanks, J., & Racicot, R. (2024). Predicting ecology and hearing sensitivities in Parapontoporia—An extinct long-snouted dolphin. The Anatomical Record, 1–11. https://doi.org/10.1002/ar.25538
Die Untersuchung am Innenohr der ausgestorbenen Delfin-Art erlaubt Rückschlüsse auf deren Evolution.
Senckenberg
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