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30.07.2024 08:39

«Aerogel Architecture Award 2024»: Subtile Ertüchtigungen dank Aerogel-Anwendungen im Bau

Christoph Stapfer Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Am 12. Juli fand zum vierten Mal die Verleihung des «Aerogel Architecture Award» auf dem Empa-Campus statt. Insgesamt wurden sechs Projekte in den Kategorien «Realisierte Lösungen» und «Studierendenprojekte» ausgezeichnet. Sie alle zeigen Anwendungen von Aerogel-Materialien in Architektur- und Bauprojekten, die durch minimale Eingriffe in Bausubstanz und Erscheinungsbild grosse Ersparnisse hinsichtlich Wärmeverlust und Energieverbrauch ermöglichen. Gewonnen haben ein Sanierungsprojekt aus Italien und ein studentisches Konzept aus Brasilien.

    Für den diesjährigen «Aerogel Architecture Award» wurden Projekte gesucht, die beispielhaft aufzeigen, wie das hochleistungsfähige Dämmmaterial Aerogel bei Renovationen historischer Gebäude sowie in der Architektur und im Bau im Allgemeinen zur Anwendung kommt. Aus insgesamt 31 Eingaben für die beiden Kategorien «Realisierte Lösungen» und «Studierendenprojekte» nominierte die Fachjury je drei Podestplätze. Die Vertreter der umgesetzten Projekte wurden zur Preisverleihung im NEST, dem Forschungs- und Innovationsgebäude von Empa und Eawag, eingeladen.

    Energetische Ertüchtigung geschichtsträchtiger Gebäude

    In der Kategorie «Realisierte Projekte» gingen fünf Projekte ein: eines aus China, eines aus Italien und drei aus Deutschland. Durchgesetzt hat sich schliesslich das Projekt «Stringi-Stringi» aus Livorno, Italien. Dabei handelt es sich um ein Renovationsprojekt des gleichnamigen Sozialwohnungsbaus, das vom Architekturbüro SB Ingegneria realisiert wurde. Um das schlecht isolierte Gebäude aus dem Jahr 1939 energetisch zu optimieren, wurden fünf entscheidende Interventionen an der Struktur vorgenommen: Das Dach wurde mit einer 140mm dicken Schaumstoff-Isolation versehen, die Fassade mit EPS 100 Graphit bzw. einer 50mm Aerogel-Schicht saniert. Die alte Gasheizung wurde durch eine Wärmepumpe ersetzt, wozu auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage installiert wurde. Schliesslich wurden die Fenster ersetzt und mit einer 10mm-Aerogel-Schicht abgedichtet. Besonders für die Sanierung der Fassade des V-förmigen Gebäudes, sei der Einsatz von Aerogel essenziell gewesen, so die Architektin, Serena Braccini. Dies, weil die Flexibilität des Materials die Isolation der gekrümmten Fassade erlaubt habe, ohne deren Erscheinungsbild zu verändern. Auch die Jury hat dieser Einsatz des leistungsfähigen Aerogel-Materials überzeugt: «Das für die faschistische Epoche typische Gebäude des Architekten Ghino Venturi konnte dadurch energetisch auf den heutigen Standard gebracht werden, ohne den optischen Charakter zu beeinträchtigen», fasst Jury-Mitglied Volker Herzog den Entscheid der Jury zusammen. Ausserdem sei das Gebäude als ganzes System fit für das nächste Jahrhundert gemacht worden.

    Auf den zweiten Platz schaffte es der Kindergarten Eversbuschstrasse in München. Das Team des Architekturbüros bodensteiner fest Architekten hatte den Auftrag, das 120-jährige Gebäude, das zuletzt 20 Jahre lang leer stand, mit möglichst einfachen Mitteln auf Vordermann zu bringen und ihm so zu einem neuen Leben zu verhelfen. Künftig wird es als Integrationskindergarten genutzt werden, wobei die engen Platzverhältnisse eine grosse Herausforderung in der Planung gewesen seien, so die leitende Architektin, Annette Fest. Zentral für das Projekt waren der Erhalt bzw. das Wiederverwenden vorhandener Materialien und Strukturen, wobei das hochgradig wärmedämmende Aerogel-Material grösstmögliche Freiheiten geboten habe.

    Den dritten Podestplatz belegt das Projekt rund um das Andreas-Schubert-Gebäude an der Technischen Universität Dresden, durchgeführt vom Büro IPROconsult. Das 1959 erbaute Fakultätsgebäude steht unter Denkmalschutz und musste deshalb unter Wahrung der materiellen Struktur saniert werden. Es besteht aus einem tragenden Betongerüst, in welches dünnere Betonpanels und Fenster integriert sind. Im Zuge der Sanierungsmassnahmen wurden sowohl die Betonpanels mit einer 50mm dicken Aerogel-Dämmung versehen, wie auch neue Fenster installiert. Durch diese Massnahmen konnte der Wärmeverlust um rund 75 Prozent gesenkt werden, während die charakteristische Fassade bewahrt werden konnte.

    Visionäre Projekte, die emotional berühren

    Gross war die Vielfalt bei den insgesamt 26 Studierendenprojekten, die aus diversen Ländern eingegangen sind. Mit dem ersten Platz prämiert wurde das Projekt «Tassi Museum» des Duos Amanda Sayuri Hashimoto und Guilherme Pinheiro e Silva aus Brasilien. Ihr Konzept sieht vor, das ehemalige «Hotel Tassi» in Curitiba, das durch einen Brand grossflächig verwüstet wurde, rundum zu renovieren und in ein Museum umzuwandeln. So wollen sie sowohl der ursprünglichen Architektur wie auch der Geschichte des Hauses Rechnung tragen. Dazu haben sie vorgeschlagen, die alte, teils beschädigte Ziegelwand durch eine neue Holzkonstruktion zu stützen. Eine an der bestehenden Fassade angebrachte Aerogel-Isolation sorgt dafür, dass das Gebäude sprichwörtlich «atmen» kann, wodurch die Wärmeisolation deutlich verbessert wird, ohne dass sich Feuchtigkeit zwischen Aussen- und Innenwand bilden kann. Nebst der Fassadenisolation, sieht das Projekt eine Überdachung des Innenhofs vor, die aus einer 30mm dicken Aerogel-Schicht innerhalb zweier Glasscheiben besteht. Dadurch kann Tageslicht in den Innenhof gelangen, dieser jedoch wetterunabhängig genutzt werden. Die Jury sieht in diesen zwei Anwendungen den optimalen Einsatz des innovativen Aerogel-Materials, wobei «ein Maximum des bestehenden Gebäudes und dessen Struktur bewahrt bleibt», so Jury-Mitglied Beat Kämpfen. Besonderen Anklang fand die Kombination aus der alten, weiterhin sichtbaren, Ziegelsteinwand und der neuen Holzstruktur, die der Fassade zusätzliche Stabilität verleiht.

    Den zweiten Rang belegt das Projekt von Patricia Malota aus Polen. Ausgehend von der Idee, dass Architektur sich unmittelbar auf die Psyche der Menschen auswirkt, hat sie ein städtisches Zentrum für psychische Gesundheit in Krakau entworfen, das zu grossen Teilen lichtdurchlässige Aerogel-Fassaden aufweist. Insbesondere die Therapieräume profitierten dadurch von einer hellen, einladenden Atmosphäre, wobei der Schutz der Privatsphäre jederzeit gewährleistet sei, so die Jury.

    Der dritte Platz geht an das Konzept von Michael Chang und Adrian Corbey von der Harvard University in Cambridge, USA. Mit ihrem «Aeroblock» präsentieren sie eine innovative Lösung für ein grundlegendes Problem des Carpenter Centers for Visual Arts, das 1963 fertiggestellt worden ist und aus der Feder der Schweizer Architektur-Ikone Le Corbusier stammt: Das zeitlose Gebäude wartet mit einer Fassade aus Glasblöcken auf, die jedoch über keinerlei Isolation verfügen. Entsprechend unterliegt der Innenraum starken Temperaturschwankungen. Mittels neuer «Aeroblöcke», welche die gläsernen Steine ersetzen sollen, verleihen die beiden Studenten der Fassade eine zeitgemässe Isolation, ohne deren faszinierende Optik zu beeinträchtigen.

    Neben den Awards erhielten die Top-3-Studierendenprojekte auch ein Preisgeld von 1500, 1000 und 500 Franken.

    Der «Aerogel Architecture Award»

    Der «Aerogel Architecture Award» wurde im Jahr 2020 von der Empa initiiert und 2024 durch die Industriepartner Agitec, Fixit, IBIH und Hasit ermöglicht. Für den Wettbewerb 2024 gingen 26 studentische und 5 realisierte Projekte aus verschiedenen Ländern ein. Eine Jury, bestehend aus den drei Architekten Beat Kämpfen (Schweiz), Volker Herzog (Deutschland) und Manfred Wehdorn (Österreich) sowie dem Aerogel-Experten Michael O'Connor (Frankreich), bewertete die eingereichten Projekte im Hinblick auf die Erhaltung des kulturellen Erbes, die Energieeffizienz und die Originalität der gewählten Lösung. Ganz besonders im Fokus der Jury stand aber immer die pragmatische Frage: Inwiefern ist die Massnahme für das entsprechende Projekt sinnvoll?

    Weiterführende Informationen zu allen eingereichten Projekten finden sich auf dieser Website: http://www.empa.ch/web/aaa/results2024


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Michal Ganobjak
    Building Energy Materials and Components
    Tel.: +41 58 765 60 32
    michal.ganobjak@empa.ch

    Dr. Samuel Brunner
    Building Energy Materials and Components
    Tel.: +41 58 765 47 68
    samuel.brunner@empa.ch


    Weitere Informationen:

    https://www.empa.ch/web/s604/aerogel-architecture-award-2024 Vollständige Mitteilung


    Bilder

    Von links: Thomas Bergmann, Samuel Brunner, Michal Ganobjak und Lucia Boyerman (Empa), Volker Herzog (Jury-Mitglied, Herzog Architektur), Annette Fest (Zweiter Platz, bodensteiner fest Architekten BDA), Chaima Mansour und Jannis Wernery (Empa).
    Von links: Thomas Bergmann, Samuel Brunner, Michal Ganobjak und Lucia Boyerman (Empa), Volker Herzog ...

    Empa


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Bauwesen / Architektur, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Von links: Thomas Bergmann, Samuel Brunner, Michal Ganobjak und Lucia Boyerman (Empa), Volker Herzog (Jury-Mitglied, Herzog Architektur), Annette Fest (Zweiter Platz, bodensteiner fest Architekten BDA), Chaima Mansour und Jannis Wernery (Empa).


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