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14.08.2024 09:59

Mit Chaos im Kopf neue Umweltlösungen finden

Katrin Hellwig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule Emden/Leer

    Von den Hürden eines Studiums mit der Diagnose ADHS

    „Chaotic System“ – der Schriftzug auf Ninas* Sweater fasst recht passend das zusammen, was sich tagtäglich im Kopf der 20-Jährigen abspielt. Nina hat vor etwa drei Jahren die Diagnose ADHS bekommen. Von ihrem Traum hat sie das nicht abgehalten: Sie will Umwelttechnikerin werden. Und obwohl konzentriertes Arbeiten eine der größten Herausforderungen in ihrem Leben darstellt, hat sie vor einem Jahr ein Studium an der Hochschule Emden/Leer begonnen.

    ADHS ist die Abkürzung für die so genannte Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung, verursacht durch ein Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn. Symptomatisch dafür sind unter anderem starke Konzentrationsschwierigkeiten und im Falle der Hyperaktivitätsstörung auch eine körperliche Unruhe. Bei Nina kommen noch eine Lese-Rechtschreibschwäche und zeitweise das „Poltern“ hinzu: Sätze werden schneller gedacht als gesprochen, so dass beim Sprechen oft Teile fehlen. Ohne Medikamente ist sie oft aufgedreht, fällt anderen ins Wort. Viele Hürden, die die 20-Jährige im Alltag aus dem Weg räumen muss, und die auch für ihr Umfeld herausfordernd sein können.

    Erste Anzeichen für ihr „Anderssein“ bemerkte Nina, die aus einem Dorf in der Nähe von Bonn stammt, bereits in der Grundschule. Beim Homeschooling in der Corona-Pandemie kam dann der Tiefpunkt. „Nach zwei Stunden Lernen zu Hause war ich mental am Ende, nach einem ganzen Schultag konnte ich nur noch schlafen, so die 20-Jährige. Sie drängte auf einen Test, der schließlich das bereits erwartete Ergebnis brachte.

    Seitdem ist Nina dabei, ihren Weg mit Unterstützung von Medikamenten, der Familie und den in Emden gewonnenen Freunden zu bewältigen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Die Tabletten, die ihr emotionales Durcheinander herunter pegeln, haben zum Teil starke Nebenwirkungen. Oft fehlt ein Rückzugsort, um die überfordernden Eindrücke des Tages kurz verarbeiten zu können. Manchmal kann Nina der Vorlesung nicht durchgehend folgen und schweift ab. Im Labor muss sie sich zwingen, den Einweisungen bis zum Ende zuzuhören. Zum Lernen aber hat sie ein System entwickelt. „Montags bis mittwochs versuche ich, das Pensum möglichst gering zu halten. Donnerstags lerne ich dann mit einer Freundin von morgens bis nachts. Und ich bin gut vernetzt mit schlauen Leuten“, sagt die gebürtige Rheinländerin und lacht. Manchmal wird auch eine kleine Tanzeinlage eingeschoben, um den Kopf wieder frei zu bekommen. „Das funktioniert ganz gut.“ Auch Musikhören hilft. Und das Feedback von Freunden und der WG.

    Um im Studium mit Einschränkungen zurecht zu kommen, gibt es an Hochschulen verschiedene Unterstützungsangebote. Betroffene können einen so genannten Nachteilsausgleich beantragen. Dies sieht in der Praxis so aus, dass beispielsweise mehr Zeit für eine Prüfung eingeräumt oder dass diese mündlich statt schriftlich abgehalten werden kann, erklärt Karin Homp, Beauftragte für beeinträchtigte und chronisch erkrankte Studierende an der Hochschule Emden/Leer. Der Bedarf kann sehr stark variieren, wird stets genau geprüft und muss rechtlich nachvollziehbar sein. Laut Homp nicht immer ein leichtes Unterfangen, da hier zum Teil sehr alte Rechtsprechungen zugrunde liegen.

    „In vielen Fällen findet man aber eine Lösung“, so die Erfahrung von Wiebke Hendeß vom Studierendenwerk Oldenburg. Sie berät seit 25 Jahren junge Menschen mit den unterschiedlichsten Diagnosen. Neben psychischen Problemen, für die der Psychologische Beratungsservice ein weiterer Anlaufpunkt ist, sind Neurodiversitäten wie AD(H)S oder Autismus am stärksten vertreten und nehmen zu. Die Betroffenen zu ermutigen, sich dennoch auf das Abenteuer Studium einzulassen, sieht sie als extrem wichtig an – nicht nur für die Studierenden selbst: „Neurodiverse Menschen haben oft so viele Zusatzstrategien und Kompetenzen entwickelt, sind begeisterungsfähig und kreativ. Es wäre ein Wahnsinn, sie als potentielle Fachkräfte zu verlieren.“

    Auch Nina will es schaffen, hat aber Respekt vor den kommenden Semestern – ganz besonders vor ihrer Bachelorarbeit. „Ich möchte einen guten Abschluss machen. Und ich bin stolz, dass ich es überhaupt schon bis hier geschafft habe“, sagt sie und lächelt.

    *Name von der Redaktion geändert


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende
    fachunabhängig
    überregional
    Schule und Wissenschaft, Studium und Lehre
    Deutsch


     

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