Das Leibniz-Institut für Länderkunde vergibt erstmalig Stipendien für die Auseinandersetzung und wissenschaftliche Arbeit mit seiner historischen Fotosammlung.
Leipzig. Um den Austausch über den Umgang mit seinen kolonialen Bildbeständen mit den Entstehungsländern zu intensivieren, hat das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) Stipendien an Forscher und Künstler aus Kamerun vergeben. Die Stipendien dienen auch dazu, gemeinsam zukünftige Projekte rund um die historische Fotosammlung des IfL zu entwickeln. Im Fokus steht aktuell der Kamerun-Fotobestand, insbesondere die Fotosammlung Tessmann.
Das erste Stipendium erhalten der kamerunische Forscher und Aktivist Fogha Mc Cornilius Refem und der ebenfalls aus Kamerun stammende Musiker und Künstler Wan Shey. Beide setzen sich in ihrer Arbeit kritisch mit den Entstehungsgeschichten kolonialer Fotografie auseinander und erkunden Wege, wie solche Bilder in eine neue dekoloniale Ästhetik übersetzt werden können. Das Tandem wird voraussichtlich Ende 2024 nach Leipzig kommen und mit dem originalen Fotobestand im Archiv für Geographie des IfL arbeiten. Geplant sind künstlerische Interventionen in Kamerun und Deutschland, etwa eine Fotoausstellung und eine Musikproduktion.
Das zweite Stipendium geht an den Germanisten und Fotohistoriker Romuald Valentin Nkouda Sopgui von der Universität Maroua in Nordkamerun. Der Experte für die Fotogeschichte des zentralafrikanischen Landes wird kommenden Sommer das IfL besuchen und seinen Aufenthalt für eine kollaborative Analyse und Neubewertung der Sammlung Tessmann nutzen.
Das Archiv für Geographie des IfL beherbergt rund 120.000 Fotografien seit den 1860er-Jahren aus allen Erdteilen. In seinem kolonialen Kernbestand, der auf den Begründer des „Museums für Länderkunde“ in Leipzig, Alphons Stübel, zurückgeht, befinden sich rund 500 Kamerun-Fotos von Günther Tessmann. Der deutsche Botaniker und Ethnologe ist besonders als Leiter der Lübecker Pangwe-Expedition 1907 bis 1909 und der Ssanga-Lobaje-Reichsexpedition 1913/14 bekannt geworden. „Dieser koloniale Bildbestand ist bisher wenig beachtet und bedarf einer dekolonialen Neubewertung, die eine sensible Digitalisierung, Erschließung und Präsentation mit bedenkt“, sagt IfL-Archivleiter Bruno Schelhaas.
Am IfL freut man sich schon jetzt auf die Zusammenarbeit mit den Stipendiaten. IfL-Direktorin Judith Miggelbrink: „Wir sind sehr glücklich, dass wir drei spannende und engagierte Persönlichkeiten für unser Programm gewinnen konnten. Schon die Vorgespräche haben gezeigt, dass wir von beiden Projekten wertvolle Impulse für den zukünftigen Umgang mit unseren kolonialen Sammlungsbeständen erwarten dürfen.“
Dr. Bruno Schelhaas
Tel.: +49 341 600 55-151
b_schelhaas(at)leibniz-ifl.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
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