Photosynthese kann in der Natur auch bei extrem niedrigem Lichteinfall stattfinden, zeigt eine Studie, die die Entwicklung von arktischen Mikroalgen zum Ende der Polarnacht untersucht hat. Die Messungen fanden im Rahmen der MOSAiC-Expedition statt und ergaben, dass Mikroalgen in der Arktis schon Ende März durch Photosynthese Biomasse aufbauen. Zu diesem Zeitpunkt steht die Sonne kaum über dem Horizont, sodass es im Lebensraum der Mikroalgen noch nahezu komplett dunkel ist. Die Ergebnisse der Nature Communications-Studie zeigen, dass Photosynthese im Ozean unter viel niedrigeren Lichtbedingungen möglich ist und damit auch bis in viel größere Tiefe stattfinden kann als bisher angenommen.
Photosynthese wandelt Sonnenlicht in biologisch nutzbare Energie und bildet damit die Grundlage allen Lebens auf unserem Planeten. Bisherige Messungen der hierfür benötigten Lichtmenge lagen allerdings immer deutlich über dem theoretisch möglichen Minimum. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature Communications zeigt, dass der Aufbau von Biomasse tatsächlich bei einer Lichtmenge stattfinden kann, die nahe dieses Minimums liegt.
Die Forscherinnen und Forscher nutzten für ihre Arbeit Messdaten des internationalen MOSAiC-Forschungsprojekts. Als Teil der Expedition ließen sie sich 2019 für ein Jahr mit dem deutschen Forschungseisbrecher Polarstern in der zentralen Arktis einfrieren, um den Jahresgang des arktischen Klima- und Ökosystems zu untersuchen. Der Fokus des Teams um Dr. Clara Hoppe vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) lag dabei auf der Untersuchung von Phytoplankton und Eisalgen. Diese sind für den Großteil der Photosynthese in der zentralen Arktis verantwortlich. Die Messungen zeigten dabei unerwarteterweise, dass schon wenige Tage nach dem Ende der monatelangen Polarnacht wieder pflanzliche Biomasse aufgebaut wurde, wofür Photosynthese zwingend notwendig ist. Extrem empfindliche Lichtsensoren im Eis und im Wasser erlaubten es, die hierfür verfügbare Lichtmenge zu messen.
Die Ergebnisse waren besonders überraschend, weil die Photosynthese im Arktischen Ozean unter schneebedecktem Meereis stattfand, das nur wenige Photonen des einfallenden Sonnenlichts hindurchlässt: Den Mikroalgen stand für ihr Wachstum nur etwa ein hunderttausendstel der Lichtmenge eines sonnigen Tages auf der Erdoberfläche zur Verfügung. „Es ist sehr beeindruckend zu sehen, wie effizient die Algen solch niedrige Lichtmengen nutzen können. Dies zeigt einmal mehr, wie gut Organismen an ihre Umwelt angepasst sind“, sagt Clara Hoppe.
Erarbeitet werden konnte die Studie durch die enge Zusammenarbeit von Forschenden aus verschiedenen Fachrichtungen. Die Meereis-Forscher Dr. Niels Fuchs und Prof. Dirk Notz vom Institut für Meeresforschung an der Universität Hamburg waren dabei für die Zusammenführung von Messungen des Lichtfeldes mit den biologischen Messungen verantwortlich. „Für die Messungen von so niedrigen Lichtmengen unter den harschen Bedingungen des arktischen Winters mussten wir mitten in der Polarnacht spezielle, neuentwickelte Messgeräte in das Eis einfrieren“, erläutert Niels Fuchs. Sein Kollege Dirk Notz fügt hinzu, dass es dabei besonders schwierig war, Ungleichmäßigkeiten im Lichtfeld unter dem Eis durch Schwankungen in Eisdicke und Schnee zu berücksichtigen: „Am Ende konnten wir aber sicher sein: Mehr Licht war da nicht.“
Die Ergebnisse der nun veröffentlichen Studie sind von Bedeutung für den gesamten Planeten. „Auch wenn unsere Ergebnisse spezifisch aus dem Arktischen Ozean stammen, zeigen sie wozu die Photosynthese insgesamt in der Lage ist. Wenn sie unter den herausfordernden Bedingungen der Arktis so effizient ist, kann man davon ausgehen, dass sich Organismen auch in anderen Regionen der Meere so gut angepasst haben“, ordnet Clara Hoppe die Ergebnisse ein. Damit wäre auch in tieferen Bereichen der Meere genügend Licht vorhanden, um durch Photosynthese nutzbare Energie und Sauerstoff zu produzieren, die dann zum Beispiel für Fische zur Verfügung stehen. Der entsprechende photosynthetische Lebensraum im Ozean könnte damit global deutlich größer sein als bisher angenommen.
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Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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Clara J.M. Hoppe, Niels Fuchs, Dirk Notz, Philip Anderson, Philipp Assmy, Jørgen Berge, Gunnar Bratbak, Gaël Guillou, Alexandra Kraberg, Aud Larsen, Benoit Lebreton, Eva Leu, Magnus Lucassen, Oliver Müller, Laurent Oziel, Björn Rost, Bernhard Schartmüller, Anders Torstensson, Jonas Wloka: Photosynthetic light requirement near the theoretical minimum detected in Arctic microalgae, Nature Communications (2024). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-51636-8
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MOSAiC Ocean City during Leg 3
Saga Svavarsdottir
Alfred-Wegener-Institut / Saga Svavarsdottir (CC-BY 4.0)
CTD-rosette with waterbottles re-surfacing from the depth of the ocean
Michael Gutsche
Alfred-Wegener-Institut / Michael Gutsche (CC-BY 4.0)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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