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05.09.2024 09:36

Erwerbstätige Frauen leisten im Mittel acht Stunden mehr unbezahlte Arbeit pro Woche als Männer

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Studie des WSI

    Erwerbstätige Frauen leisten im Mittel acht Stunden mehr unbezahlte Arbeit pro Woche als Männer

    Erwerbstätige Frauen leisten deutlich mehr Sorgearbeit als Männer. Das gilt sogar, wenn sie in Vollzeit berufstätig sind. Unter dem Strich haben Frauen so im Durchschnitt längere Arbeitswochen als Männer, wenn man bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit zusammenrechnet, zu der neben Sorgearbeit für Kinder oder Pflegebedürftige etwa auch Arbeiten im Haushalt zählen. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.*

    Erwerbstätige Frauen leisten deutlich mehr Sorgearbeit als Männer. Das gilt sogar, wenn sie in Vollzeit berufstätig sind. Unter dem Strich haben Frauen so im Durchschnitt längere Arbeitswochen als Männer, wenn man bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit zusammenrechnet, zu der neben Sorgearbeit für Kinder oder Pflegebedürftige etwa auch Arbeiten im Haushalt zählen. Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* Dabei wünschen sich beide Geschlechter eine ausgeglichenere Aufteilung. Sie benötigen dafür Unterstützung aus der Politik und in den Betrieben.

    Zu Beginn der Corona-Pandemie sah es kurzzeitig so aus, als würden sich die Männer stärker als zuvor an der alltäglichen Sorgearbeit beteiligen. Doch davon ist nichts übrig geblieben. Längst ist wieder alles beim Alten: Erwerbstätige Frauen investieren aktuell durchschnittlich acht Stunden pro Woche mehr in unbezahlte Arbeit als erwerbstätige Männer (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das liegt vor allem an den deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Beschäftigten mit Kindern und Teilzeitbeschäftigten. Aber auch wenn Frauen Vollzeit arbeiten oder keine Kinder im Haushalt leben, leisten sie mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Das zeigt die Studie von Dr. Yvonne Lott, die am WSI zu Arbeitszeiten und Gleichstellung forscht. „Der Gender Care Gap ist auch nach der Pandemie hoch und geht zu Lasten von erwerbstätigen Frauen“, so die Wissenschaftlerin, die die Untersuchung zusammen mit Forschenden des Berliner Instituts SowiTra angestellt hat.

    Die Analyse basiert auf einer Sonderauswertung der Zeitverwendungserhebung 2022. Die Daten beziehen sich auf alle Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren, die zum Zeitpunkt der Befragung tatsächlich erwerbstätig waren. Personen in Elternzeit, Mutterschutz oder Altersteilzeit wurden nicht berücksichtigt.

    Insgesamt arbeiten erwerbstätige Frauen pro Woche mit 54 Stunden fast eine Stunde länger als erwerbstätige Männer mit 53 Stunden. Dabei leisten Frauen mit durchschnittlich knapp 26 Stunden rund acht Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Für bezahlte Arbeit, also ihre Erwerbstätigkeit, wenden Frauen rund 28 Stunden pro Woche auf. Das sind rund sieben Stunden weniger als bei den Männern.

    Ein Blick ins Detail zeigt, wie diese Unterschiede zustande kommen: Für die Instandhaltung von Haus und Wohnung sowie für die Wäsche wenden Frauen durchschnittlich fast drei Stunden pro Woche mehr Zeit auf als Männer. Bei der Zubereitung von Mahlzeiten und der Hausarbeit sind es zwei Stunden und 22 Minuten mehr. Mit der Betreuung von Kindern und der Unterstützung von Haushaltsmitgliedern verbringen Frauen eine Stunde und 42 Minuten und mit dem Einkaufen eine Stunde mehr als Männer. Lediglich bei der Gartenarbeit und bei handwerklichen Tätigkeiten leisten Männer mit durchschnittlich 20 Minuten pro Woche mehr unbezahlte Arbeit als Frauen (siehe auch Abbildung 2 in der pdf-Version).

    Der Unterschied bei der Aufteilung der unbezahlten Arbeit ist mit 15 Stunden am größten, wenn Kinder unter sechs Jahren im Haushalt leben. Bei Kindern zwischen sechs und 18 Jahren beträgt die Lücke etwas mehr als elf Stunden (Abbildung 3). Nicht nur bei der Kinderbetreuung klafft eine Lücke, auch bei der Pflege von Angehörigen wenden erwerbstätige Frauen mehr Zeit auf. Mehr als ein Drittel der erwerbstätigen Frauen und knapp 28 Prozent der erwerbstätigen Männer pflegt über zehn Stunden pro Woche.

    Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede bei Teilzeitbeschäftigten: Während teilzeitbeschäftigte Männer pro Woche nur eine halbe Stunde mehr bezahlte Arbeit leisten als teilzeitbeschäftigte Frauen, verbringen sie deutlich weniger Zeit mit unbezahlter Arbeit – nämlich zehn Stunden weniger.

    „Die Zahlen verdeutlichen, dass Frauen mehr arbeiten als Männer, jedoch deutlich weniger Gehalt und soziale Absicherung dafür erhalten, weil ein Großteil aus unbezahlter Sorgearbeit besteht. Wer mehr Erwerbsarbeit von Frauen fordert, wie Arbeitgeber es regelmäßig tun, erwartet, dass sie bereit sind, noch höhere Belastungen in Kauf zu nehmen, wenn Männer nicht einen deutlich höheren Anteil der unbezahlten Arbeit übernehmen“, ordnet Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI, die Ergebnisse ein. „Das ist allerdings nur realistisch, wenn Männer ihre Erwerbsarbeit reduzieren. Auch ein Ausbau der Kinderbetreuung wird dieses Problem allein nicht lösen, weil unbezahlte Arbeit eben auch zu einem großen Teil aus Hausarbeit, Einkaufen oder der Zubereitung von Mahlzeiten besteht. Wir brauchen eine doppelte Umverteilung: unbezahlte Arbeit muss von Frauen zu Männern und bezahlte Arbeit von Männern zu Frauen verteilt werden“, sagt Kohlrausch.

    Mütter wollen mehr, Väter weniger Erwerbsarbeit

    Frühere Studien des WSI und anderer Institute haben gezeigt, dass sich viele Mütter und Väter eine ausgewogenere Aufteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit wünschen. Gründe dafür, dass sie ihre Wünsche nicht in die Tat umsetzen, können betriebliche Zwänge, unflexible Arbeitszeiten oder finanzielle Abhängigkeiten sein. Auch in der aktuellen Untersuchung zeigt sich, dass viele ihre Zeit gerne anders einteilen würden: So geben im Durchschnitt knapp 24 Prozent der erwerbstätigen Mütter an, zu wenig Zeit für die Erwerbsarbeit zu haben. Demgegenüber ist ein Viertel der erwerbstätigen Väter der Meinung, dass sie zu viel Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden. Gleichzeitig geben knapp 59 Prozent der Mütter und knapp 62 Prozent der Väter an, zu wenig Zeit für die Kinderbetreuung zu haben.

    Maßnahmen zur Förderung einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit wie die Einführung einer Familienarbeitszeit, die Verlängerung der Partnermonate beim Elterngeld und die Verbesserung der institutionellen Kinderbetreuung könnten dazu beitragen, die Verteilung der Erwerbsarbeitszeiten zwischen Frauen und Männern anzugleichen, so Lott. Lohnersatzleistungen für Pflegezeiten, die im Rahmen einer Reform der Pflegezeit und der Familienpflegezeit eingeführt werden sollten, seien angesichts des hohen wöchentlichen Zeitaufwands für Pflege, der überwiegend von Frauen getragen wird, besonders relevant. Und generell schaffe eine verkürzte Vollzeitarbeit, wie die Vier-Tage-Woche, für Paare mehr Freiraum, um unbezahlte Arbeit gerechter zu verteilen und Frauen längere Erwerbsarbeitszeiten zu ermöglichen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Yvonne Lott
    WSI-Expertin für Arbeitszeit und Geschlechterforschung
    Tel.: 0211-7778-600
    E-Mail: Yvonne-Lott@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    *Yvonne Lott: Alles beim Alten: Der Gender Care Gap in der Erwerbsbevölkerung, WSI Policy Brief Nr. 83, September 2024. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008938

    Die PM mit Abbildungen (pdf): https://www.boeckler.de/pdf/pm_wsi_2024_09_05.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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