Studie zur kulturellen Eigenproduktion zeigt großes Engagement der 15- bis 25-Jährigen – Malen, Zeichnen, Musizieren und Fotografieren am beliebtesten
Wie kreativ ist Deutschland? Befragungen aus den Jahren 2018 und 2021 zufolge sind Kunsthandwerk, Fotografie sowie Malen und Zeichnen die mit Abstand beliebtesten kreativen Aktivitäten der Bevölkerung in Deutschland. Jugendliche und junge Erwachsene sind über nahezu alle abgefragten Bereiche hinweg am aktivsten. Beim Vergleich der beiden Erhebungszeitpunkte lassen sich keine systematischen Veränderungen in der Ausübungshäufigkeit der Hobbys feststellen. Eine Ausnahme bildet das Tanzen, das während der Corona-Pandemie von der Mehrheit der Tanzbegeisterten reduziert oder eingestellt wurde. Dies ist ein Ergebnis der Langzeitstudie „Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland“, welche am Institut für Soziologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) angesiedelt ist. Die Studie nimmt neben dem außerhäuslichen und medialen Konsum kultureller Produkte und Dienstleistungen auch die nicht-professionelle Eigenproduktion von Kultur in den Blick. Dazu zählt eine Vielzahl künstlerisch-kreativer Aktivitäten, beispielsweise kunsthandwerkliche Tätigkeiten, Malen und Zeichnen, Fotografie, das Spielen eines Instruments, die Produktion von Filmen und Videos, Singen oder Tanzen.
Kultur- und Freizeitverhalten wird umfassend erforscht
Die Studie „Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland“ liefert bevölkerungsrepräsentative Daten zum Kultur- und Freizeitverhalten der Bevölkerung Deutschlands. Das Projekt, das unter Leitung von Professor Dr. Gunnar Otte durchgeführt wird, startete im Jahr 2018 mit einer Basisumfrage von 2.592 Personen ab 15 Jahren in 183 deutschen Gemeinden. Im Rahmen einer sogenannten Panelbefragung konnten 1.541 Befragte im Jahr 2021 erneut gewonnen werden. Zusätzlich wurden 914 Personen neu befragt, um die verringerten Fallzahlen zu kompensieren. Im Fokus der persönlich-mündlich oder telefonisch durchgeführten Interviews standen die kulturellen Vorlieben und rezeptiven Aktivitäten der Menschen in den Sparten Musik, Literatur, Film, Videospiel, bildende und darstellende Kunst. Daneben gaben die Befragten Auskunft darüber, wie regelmäßig sie außerhalb von Schule und Beruf selbst kreativ werden. Konkret wurde nach dem Spielen eines Musikinstrumentes, Singen, Tanzen, Theaterspielen, dem Verfassen literarischer Texte, Malen und Zeichnen, Kunsthandwerk, Fotografie, dem Produzieren von Filmen und Videos sowie kreativen Computerarbeiten gefragt. Im Jahr 2025 wird die Studie um eine weitere Befragungswelle ausgebaut. Unter anderem soll ermittelt werden, ob sich das außerhäusliche Kulturverhalten nach der Pandemie wieder normalisiert hat.
Kunsthandwerkliche Arbeiten sind das beliebteste kreative Hobby
Kunsthandwerkliche Aktivitäten, wie textile Handarbeiten, Töpfern, Holzarbeiten oder Basteln, sind die beliebtesten künstlerisch-kreativen Hobbys. Rund ein Viertel der Befragten gab 2018 und 2021 an, mindestens einmal im Monat Kunsthandwerkliches zu gestalten. Auch mit künstlerischem Anspruch zu fotografieren und Fotos zu bearbeiten sowie Malen und Zeichnen sind populäre Hobbys der Deutschen: Zwischen 15 und 18 Prozent der Befragten beschäftigen sich mindestens monatlich mit Fotografie oder Malerei beziehungsweise Zeichnen. Theater spielen, literarische Texte verfassen, Filme und Videos produzieren sowie kreative Computerarbeiten sind Aktivitäten, die von einem geringeren Anteil der Bevölkerung regelmäßig ausgeübt werden.
Aktivitäten bleiben während Corona-Pandemie auf stabilem Niveau
Hat die Corona-Pandemie einen Kreativitätsschub ausgelöst oder die Menschen inaktiv gemacht? Den vorliegenden Daten zufolge hat es während der Pandemie weder eine Zu- noch eine Abnahme der überwiegend daheim vollzogenen kreativen Beschäftigungen gegeben. Eine Ausnahme stellt das Tanzen dar. Ein Vergleich der Jahre 2018 und 2021 zeigt einen Rückgang um 9 Prozentpunkte an: Im Jahr 2018 tanzten noch 16 Prozent der Befragten mindestens einmal im Jahr, 2021 waren es nur noch 7 Prozent. Projektmitarbeiterin Annalena Röser sagt dazu: „Wir vermuten, dass die Einschränkungen im Vereinsleben und die Schließung öffentlicher Tanzstätten zur zeitweisen Reduktion oder Aufgabe des Tanzens führten. Unsere nächste Befragung im Jahr 2025 wird zeigen, ob sich das Tanzen inzwischen wieder auf vorpandemischem Niveau befindet.“
Junge Menschen sind am häufigsten kreativ
Jugendliche und junge Erwachsene sind am häufigsten kreativ. Beispielsweise malen oder zeichnen über ein Drittel (37 Prozent) der 15- bis 25-Jährigen mindestens einmal im Monat und jeweils gut ein Viertel spielt ein Instrument oder fotografiert mit künstlerischem Anspruch. „Die Befunde zeigen, dass junge Leute keineswegs so inaktiv sind, wie ihnen manchmal unterstellt wird“, erklärt Projektleiter Gunnar Otte. „Überrascht hat uns aber, dass sie in nahezu allen Bereichen häufiger kreativ werden als alle anderen Altersgruppen!“ Die einzige Ausnahme bilden kunsthandwerkliche Aktivitäten, die bei den mittleren Jahrgängen besonders verbreitet sind.
Geschlechterunterschiede
Männer und Frauen leben ihre kreative Ader unterschiedlich aus: Deutlich mehr Frauen als Männer üben sich regelmäßig im Kunsthandwerk, im Malen beziehungsweise Zeichnen und im Tanzen. Männer spielen regelmäßiger ein Instrument und arbeiten häufiger kreativ am Computer. Die übrigen Aktivitäten werden von den Geschlechtern annähernd gleich stark ausgeübt.
Produkte der kreativen Tätigkeit werden öffentlich präsentiert
Übrigens verbleiben die Ergebnisse der kreativen Aktivitäten keineswegs immer in der Privatsphäre. Sie werden häufig über den Familien- und Freundeskreis hinaus öffentlich präsentiert. Dies gilt gerade für das Laientheaterspiel, das zwar nur ein kleiner Kreis von ca. 3 Prozent der Bevölkerung jährlich praktiziert. Doch zwei Drittel der schauspielerisch Engagierten führen die einstudierten Stücke einem Publikum vor. Während das Theaterspiel meist vor physisch Anwesenden stattfindet, dominiert in anderen Bereichen die Nutzung sozialer Medien für die Präsentation kreativer Produkte. Annalena Röser erläutert: „Plattformen wie Instagram und Facebook haben dazu beigetragen, dass ungefähr 40 Prozent derjenigen, die selbst Filme und Videos drehen, ihre kreativen Erzeugnisse online zeigen.“ Unter denjenigen, die mit künstlerischem Anspruch fotografieren, sind es 32 Prozent.
Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Die Panelstudie „Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland“ wird seit 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderrichtlinie zur kulturellen Bildung finanziell unterstützt. Für die Interviews ist das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft zuständig, das die Befragungen im Auftrag der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchführt.
Bildmaterial:
https://download.uni-mainz.de/presse/02_soziologie_sozialstrukturanalyse_kultur_...
Anteil der Befragten, die die jeweilige Tätigkeit im Jahr 2021 mindestens einmal im Monat ausübten, dargestellt nach Geschlecht; die Daten liefert das Projekt „Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland II“ mit 2.450 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Abb./©: Annalena Röser / JGU
Weiteres Datenmaterial zum Thema:
https://kulturpartizipation.uni-mainz.de/ergebnisse-kreative-aktivitaeten-im-tre...
Weitere Links:
https://kulturpartizipation.uni-mainz.de/ - Projekt-Homepage
https://sozialstruktur.soziologie.uni-mainz.de/ - Arbeitsbereich Sozialstrukturanalyse
Lesen Sie mehr:
https://presse.uni-mainz.de/kulturnutzung-in-der-pandemie-private-aktivitaeten-b... - Pressemitteilung „Kulturnutzung in der Pandemie: Private Aktivitäten bieten keine Alternative zum Kulturbesuch“ (30.06.2022)
https://presse.uni-mainz.de/stadtluft-macht-aktiv-kulturelle-angebote-werden-von... - Pressemitteilung „Stadtluft macht aktiv: Kulturelle Angebote werden von Großstädtern häufiger genutzt als von der ländlichen Bevölkerung“ (22.02.2022)
Prof. Dr. Gunnar Otte
Arbeitsbereich Sozialstrukturanalyse
Institut für Soziologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22796
E-Mail: gunnar.otte@uni-mainz.de
https://sozialstruktur.soziologie.uni-mainz.de/otte/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Gesellschaft, Kunst / Design, Musik / Theater, Pädagogik / Bildung, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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