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10.09.2024 12:07

Gift als Mittel des Artenschutzes

Lutz Ziegler Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Die Galápagos-Inseln kämpfen mit invasiven Arten. Um die zu kontern, greifen Artenschützer zu drastischen Mitteln. Eine Würzburger Biologin untersucht, wie sich heimische Eidechsen in der Folge einer solchen Aktion entwickeln.

    Bereits Charles Darwin bewunderte 1875 in seinem Werk A Naturalist's Voyage Round the World die Einzigartigkeit der auf den Galápagos-Inseln vorkommenden Arten, insbesondere die der heute als Darwin-Finken bezeichnete Vogelgruppe.

    Neben diesen Vögeln, den berühmten Riesenschildkröten, Meerechsen oder Seelöwen beherbergt der rund tausend Kilometer westlich der ecuadorianischen Küste gelegene Archipel auch weniger prominente, ökologisch aber wichtige, Vertreter wie Lavaeidechsen und Geckos. Elf Arten von Lavaeidechsen und zehn Arten von Blattgeckos sind auf den Galápagos-Inseln endemisch, kommen also nur dort vor, und wie ihre bekannteren Nachbarn stehen auch sie vor verschiedenen Herausforderungen. Darunter die Bedrohung durch invasive Arten.

    Die Biologin Kirtana Kumar nimmt diese Tiere im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Lehrstuhl für Naturschutzbiologie und Waldökologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) genauer unter die Lupe. Ihre Forschung erfolgt in Zusammenarbeit mit der ecuadorianischen NGO Fundación de Conservación Jocotoco und der britischen NGO Durrell Wildlife Conservation Trust. Sie tut das im Anschluss an ein scheinbar drastisches Unterfangen: Die Ausrottung von Ratten und streunenden Katzen auf Floreana, der sechstgrößten Insel des Archipels.

    Invasive Arten als Bedrohung

    Seit der Besiedlung der Inseln durch europäische Seefahrer um 1800 hat die einheimische Flora und Fauna unter anderem mit Nagern, Ziegen, Hunden und Katzen zu kämpfen. Solche invasiven Arten haben bereits viele Ökosysteme nachhaltig geschädigt und heimische Arten, die den unbekannten Bedrohungen oft schutzlos ausgeliefert sind, ausgerottet. Nicht nur auf den Galápagos-Inseln.

    Um den ungewünschten Gästen Herr zu werden, greifen Naturschutzorganisationen bisweilen zu drastischen Mitteln. Auf Floreana - mit 173 Quadratkilometern etwa so groß wie das Stadtgebiet von Karlsruhe – wurden im Dezember 2023 per Helikopter flächendeckend Giftköder verteilt, um die Insel von Ratten und auch streunenden Katzen zu befreien. Zumindest ersteres scheint nach ersten Eindrücken erfolgversprechend zu sein.

    "Solche Ausrottungskampagnen wurden bereits auf anderen Inseln, insbesondere in Neuseeland, erfolgreich durchgeführt. Die Galápagos-Inseln haben das Potenzial, ähnliche Erfolge zu erzielen, wobei die Auswirkungen dieser Kampagnen auf die einheimischen Arten und das Ökosystem vorrangig zu überwachen sind", erklärt Kirtana Kumar. In ihrer Doktorarbeit will sie untersuchen, wie sich der Einsatz von Gift und das Verschwinden von Ratten auf die Population von Lavaeidechsen und Geckos auswirkt. Außerdem möchte sie den Weg des Gifts durch das Nahrungsnetz der Insel verfolgen und die Klanglandschaft der einheimischen Vögel nach der Ausrottungskampagne untersuchen.

    Potenzielle Unterstützung für geplante Wiederansiedlungen

    Ein wichtiger Faktor: Das eingesetzte Gift ist für Säugetiere tödlich, nicht aber für Reptilien. Daher bleiben die Eidechsen zwar verschont, Toxine könnten jedoch in ihren Körpern erhalten bleiben. Vögeln wiederum droht bei der Aufnahme dasselbe Schicksal wie den Ratten, was gerade im Hinblick auf die geplante Wiederansiedlung von verdrängten Raubvogelarten auf der Insel Floreana bedeutend ist.

    Eidechsen sind nämlich eine wichtige Nahrungsquelle für Eulen und den Galápagosbussard. Deshalb ist es wichtig, die Häufigkeit und die Menge des Giftes in den Eidechsen und im Ökosystem zu kennen. "Wir wissen, dass das Gift eine beträchtliche Halbwertszeit hat und daher von den Eidechsen an potenzielle Raubtiere weitergegeben werden könnte. Was wir noch nicht verstehen, sind die eindeutigen Übertragungswege und den Risikofaktor, der bei früheren Wiederansiedlungen in diesem Szenario zum Verhängnis wurde", so Kirtana Kumar.

    Die Erforschung ermöglicht es Naturschützern, künftige Ausrottungen und Wiederansiedlungen besser zu steuern, um die damit verbundenen Risiken zu verringern. Zu diesem Zweck hat die Biologin hauptsächlich Insekten und Eidechsen gesammelt, die nun einer Toxin-Analyse unterzogen werden. Weitere Proben, darunter Pflanzen und Vögel, werden für die Analyse stabiler Isotope verwendet, um das Nahrungsnetz der Insel Floreana zu erstellen und die Wechselwirkungen zwischen den Arten und den Gifttransfer im Ökosystem zu verstehen. Mit Hilfe von KI-Modellen werden auch Studien über die Klanglandschaft von Vögeln im Zusammenhang mit der Ausrottung des Giftes durchgeführt.

    Eidechsen bereits auf dem Vormarsch

    Die Hypothese, dass sich das Verschwinden der Ratten positiv auf die Eidechsenpopulation auswirken sollte, scheint sich bereits zu bestätigen: "Die Zahl der Eidechsen und Geckos hat sich, verglichen mit der Erhebung vor der Ausrottung, seit der Beseitigung der Ratten bereits verdreifacht", berichtet Kumar. Die Nager stehen zum einen in einem Konkurrenzkampf um Nahrungsressourcen mit den Echsen, gerade für Jungtiere sind sie allerdings auch Fressfeinde.

    Ob die Zunahme der Eidechsen nur auf das Verschwinden der Ratten zurückzuführen ist, lasse sich zwar nicht mit Sicherheit sagen, ein Zusammenhang sei aber sehr wahrscheinlich. Genauere Details müssten in Langzeitbeobachtungen ermittelt werden, wofür Kirtana Kumar auch 2025 weitere Forschungen vor Ort durchführen wird.

    Dann möchte sie auch beobachten, welche Folgen die Zunahme der Eidechsen für das Ökosystem Floreanas hat. Die Tiere sind nämlich nicht nur bei einheimischen Raubtieren beliebt, sondern spielen auch als Verbreiter von Pflanzensamen eine wichtige Rolle.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Kirtana Kumar, Lehrstuhl für Naturschutzbiologie und Waldökologie, kirtana.kumar@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Die stacheligen Rückenschuppen und der größere Körper sind charakteristisch für männliche Echsen.
    Die stacheligen Rückenschuppen und der größere Körper sind charakteristisch für männliche Echsen.
    Kirtana Kumar
    Universität Würzburg

    Kirtana Kumar und Galápagos-Ranger Henry während der Feldarbeit auf den Inseln.
    Kirtana Kumar und Galápagos-Ranger Henry während der Feldarbeit auf den Inseln.
    Alejandra Espin


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Die stacheligen Rückenschuppen und der größere Körper sind charakteristisch für männliche Echsen.


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    Kirtana Kumar und Galápagos-Ranger Henry während der Feldarbeit auf den Inseln.


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