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17.09.2024 10:52

Neue Technik ermöglicht ultrakurze Ionenpulse

Dr. Florian Aigner PR und Marketing
Technische Universität Wien

    An der TU Wien ist es gelungen, Ionenpulse mit einer Dauer von deutlich unter 500 Pikosekunden zu erzeugen, mit denen man etwa chemische Prozesse auf Materialoberflächen beobachten kann.

    Wenn man etwas sehr Schnelles fotografieren will, braucht man eine Kamera mit sehr kurzer Belichtungszeit. Dasselbe Prinzip gilt überall in der Physik: So verwendet man etwa extrem kurze Laserpulse, um die Prozesse sichtbar zu machen, die innerhalb von Atomen ablaufen. Für Experimente dazu, die um die Jahrtausendwende an der TU Wien stattfanden, wurde 2023 der Physik-Nobelpreis vergeben.

    Aber nicht nur Laserpulse ermöglichen Antworten auf ungelöste Fragen der Physik, sondern auch Ionenpulse: Nun ist es gelungen, mit einem neuartigen Verfahren extrem kurze, starke Pulse aus geladenen Teilchen zu erzeugen, die man dann in Zukunft auf genau kontrollierte Weise auf eine Oberfläche schießen kann. Dadurch wird es möglich, sehr schnelle Prozesse zu untersuchen, die auf dieser Oberfläche ablaufen. Man kann etwa chemische Prozesse analysieren, während sie noch im Gang sind.

    Meist sieht man nur, was übrigbleibt

    „Ionenpulse verwendet man schon lange – zur Analyse von Materialien, aber auch um Materialoberflächen zu reinigen oder gezielt zu verändern“, sagt Prof. Richard Wilhelm vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Normalerweise bekommt man dabei aber immer nur das Endprodukt zu sehen: Man schießt Ionen auf eine Oberfläche und betrachtet dann, wie das Material dadurch verändert wurde. Die große Schwierigkeit war es bisher, so kurze Ionenpulse zu erzeugen, dass man mit ihnen den zeitlichen Verlauf des Einschlags mitverfolgen kann.“

    Weniger als 500 Pikosekunden dauern die Ionenpulse, die im Labor an der TU Wien erzeugt werden. Eine Pikosekunde ist ein Millionstel einer Millionstelsekunde – eine für menschliche Verhältnisse kaum vorstellbar kurze Zeitspanne. Selbst das Licht legt in 500 Pikosekunden gerade mal 15 Zentimeter zurück. Das ist immer noch millionenfach länger als die kürzesten Laserpulse der Welt, die auf einer Zeitskala von Attosekunden ablaufen. Doch für die Untersuchung von Oberflächen beginnt hier ein optimaler Bereich.

    Laser erzeugt Elektronen, Elektronen erzeugen Ionen

    Um solche extrem kurze Ionenpulse mit hoher Intensität zu erzeugen, musste man ein mehrstufiges Verfahren entwickeln: Zunächst wird ein Laserpuls auf eine Kathode geschossen, die daraufhin Elektronen abgibt. Diese Elektronen werden beschleunigt und treffen auf ein Target aus Edelstahl. „Auf der Edelstahloberfläche lagern sich immer bestimmte Atome an, zum Beispiel Wasserstoff und Sauerstoff“, sagt Richard Wilhelm. „Wenn die Elektronen auf diese Schicht angelagerter Atome trifft, dann werden manche von ihnen herausgeschossen und fliegen davon.“

    Manche dieser davonfliegenden Atome sind elektrisch neutral, andere werden ionisiert. Mit elektrischen Feldern kann man präzise auswählen, welche von ihnen man weiterverwenden möchte – sie werden dann punktgenau als kurzer Ionenpuls auf die Oberfläche gelenkt, die man eigentlich untersuchen möchte.

    „Weil dieser Prozess durch einen Laserpuls gestartet wird, können wir sehr genau kontrollieren, wann der Ionenpuls entstehen soll“, sagt Richard Wilhelm. „Wir können die Oberfläche also zum Beispiel zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit Ionen untersuchen, während eine bestimmte chemische Reaktion abläuft. Dann bekommen wir unterschiedliche Bilder, die den Ablauf der Reaktion auf Pikosekunden-Zeitskala sichtbar machen.“

    Flexible neue Technik

    Bisher verwendete man dafür die einfachsten Ionen überhaupt – nämlich Protonen. Mit derselben Methode könnte man aber auch andere Ionenpulse erzeugen, etwa aus Kohlenstoff- oder Sauerstoffionen. „Das hängt einfach davon ab, welche Atome wir an der Edelstahlschicht anlagern, die von den Elektronen getroffen wird, das lässt sich genau kontrollieren“, erklärt Richard Wilhelm. Auch Pulse elektrisch neutraler Atome oder sogar negativ geladener Ionen lassen sich damit erzeugen.

    Möglich wurde all das durch den START-Preis, der 2019 vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF an Richard Wilhelm vergeben wurde. „Damit war die finanzielle Basis gegeben, um sich an innovative, aufwändige Forschung zu wagen, die durchaus risikobehaftet ist“, meint Richard Wilhelm. „Gut ausgestattete START-Preise sind eine unverzichtbare Förderschiene, wenn es darum geht, mutige Ideen zum Erfolg zu führen.“ Nun gibt es auch bereits Pläne, die Dauer der Ionenpulse noch weiter zu verringern. Dafür bräuchte man nur speziell geformte elektromagnetische Wechselfelder, mit denen man die ersten Ionen ein bisschen bremst und die letzten Ionen etwas beschleunigt.

    „Wir haben damit eine vielversprechende neue und erstaunlich effiziente Technik entwickelt, um ultrakurze Prozesse zu untersuchen, deren zeitlichen Ablauf man bisher nicht sichtbar machen konnte“, sagt Richard Wilhelm. Die Methode lässt sich mit bestehender Elektronenmikroskopie-Technik kombinieren um künftig ohne großen Aufwand Einblicke in viele verschiedene Aspekte der Physik und Chemie von Oberflächen zu ermöglichen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Richard Wilhelm
    Institut für Angewandte Physik
    Technische Universität Wien
    +43 1 58801 13435
    wilhelm@iap.tuwien.ac.at


    Originalpublikation:

    M.C.Chirita Mihaila et al., Generation of ultrashort ion pulses from ultrafast electron-stimulated Desorption, Phys. Rev. Research 6, L032066. https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevResearch.6.L032066


    Bilder

    Richard Wilhelm (rechts) und Alexander Redl
    Richard Wilhelm (rechts) und Alexander Redl
    David Rath, TU Wien, IAP
    David Rath, TU Wien, IAP


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Richard Wilhelm (rechts) und Alexander Redl


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